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Bundesverfassungsgericht: Vereine müssen für Polizeieinsätze zahlen

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat erfolglos Verfassungsbeschwerde gegen eine gesetzliche Reglung eingelegt, der zufolge Polizeikosten, die bei Großeinsätzen von kommerziellen Veranstaltungen entstehen, dem Veranstalter auferlegt werden dürfen. Das Urteil ebnet den Weg für höhere Ticketpreise und leerere Stadien.

Schon seit November 2014 dürfen in Bremen Veranstaltern von „gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen“ mit über 5.000 Teilnehmenden diejenigen Kosten auferlegt werden, die durch den Mehraufwand des zusätzlichen Polizeiaufgebots entstanden sind. Aufgrund dieser Reglung wurde die DFL als Veranstalterin des Fußballspiels zwischen SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im April 2015 darüber informiert, dass Kosten erhoben werden könnten.

Das Spiel gilt als sogenanntes „Hochrisikospiel“. Das bedeutet, dass laut Polizei mit großer Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fans zu rechnen ist, wenn diese nicht präventiv durch ein Großaufgebot der Polizei verhindert werden. Der Spieltag verlief friedlich, anwesend waren neben dem Einsatzkräften aus Bremen noch solche aus vier anderen Bundesländern sowie die Bundespolizei. Im Anschluss wurde der DFL für dieses Polizeiaufgebot ein mittlerer sechsstelliger Betrag (425.000 Euro) in Rechnung gestellt.

Bei ihrem Widerspruch gegen diese Kosten unterlag die DFL in allen Instanzen und erhob schließlich Verfassungsbeschwerde. Mit Urteil vom 14. Januar 2025 hat das Bundesverfassungsgericht diese nun zurückgewiesen.

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Viel Spielraum für die Polizei

Grundsätzlich legen die DFL und die Sicherheitskräfte im Einvernehmen fest, ob ausreichend Tatsachen vorliegen, dass gewalttätige Auseinandersetzungen zu erwarten sind und das Spiel deswegen als Hochrisikospiel zu definieren ist. Dabei werden die Kriterien, anhand derer dies bewertet wird, jedoch nicht veröffentlicht. Unter noch größerer Geheimhaltung stehen die polizeitaktischen Erwägungen, nach denen die Anzahl der zusätzlichen Einsatzkräfte bemessen wird. Dies wird jedoch nun die Berechnungsgrundlage für die Kosten sein, die aus besagtem Grund nicht transparent und nachvollziehbar gestaltet werden könnten. Das eröffnet der weiteren Aufrüstung der Polizei bei Fußballspielen Tür und Tor, weil die Mehrkosten nicht mehr vom Staat getragen werden müssen.

Offen bleibt mit dem Urteil auch die räumliche Reichweite der Kostenfestsetzung: Reicht schon irgendein Zusammenhang zu der Veranstaltung aus und gibt es eine räumliche Begrenzung? Würden also auch Mehrkosten umfasst, die dadurch entstehen, dass rivalisierende Fans auf Hauptbahnhöfen oder Raststätten aufeinandertreffen? Diese Fragen werden gerichtlich erst bei weiteren Kostenfestsetzungen für solche Konstellationen geklärt werden können.

Existenzgefährdung und Geisterspiele

Kritiker:innen wenden gegen das Urteil auch ein, dass derartige Kostenfestsetzungen gegenüber Vereinen der zweiten Liga in dieser Höhe existenzgefährdend werden können. Denn es sei zu erwarten, dass die DFL als Veranstalterin die aufeinander treffenden Vereine selbst in Regress nehmen wird. Da es auch Hochrisikospiele in der dritten Bundesliga oder Regionalliga gäbe, könnten diese Kosten in solcher Höhe nicht getragen werden.

Die Regress-Absicht durch die DFL könne in der Folge zu einer weiteren Erhöhung der Ticketpreise führen, weil die Vereine die Mehrkosten kompensieren müssten. Dadurch könne der Sport sich noch weiter vom Breitensport entfernen und zu einem Sport für einige Wenige werden. Im Ergebnis könnte dann ein Geisterspiel ohne Gästefans für die DFL sogar rechnerisch kostengünstiger sein, als ein vage definiertes Hochrisikospiel in Kauf zu nehmen.

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Düstere Aussichten

Der Jubel über die Tatsache, dass die milliardenschwere DFL und die Kapitalgesellschaften der Ersten Bundesliga zur Kasse gebeten werden, wird in Hinblick auf die Folgen des Urteils schnell verhallen: Während die Kostenreglung bis jetzt nur in Bremen existiert, haben einige Bundesländer – darunter Niedersachsen und Hamburg, welche die Entscheidung abgewartet hatten – bereits angekündigt nachzuziehen. Andere Länder wie z.B. Bayern ließen verlautbaren, auch in Zukunft keine Kostenbeteiligung fordern zu wollen.

Neben Fußballspielen könnten auch andere kommerzielle Veranstaltungen wie der Karneval oder Oktoberfeste in Zukunft ebenfalls zu einer Kostenbeteiligung an polizeilichen Mehrkosten führen, was sich natürlich auf die Preise vor Ort auswirken wird. Denn das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gäbe, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müsse.

Noch sind nur kommerzielle Veranstaltungen betroffen, doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit dieser Argumentation in Zukunft auch anderen Anmelder:innen von z.B. einer Versammlung Kosten bei der Durchführung in Rechnung gestellt werden und die Entscheidung genutzt wird, um die Repression im Inland weiter auszubauen.

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