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Die Reise zum Mars und der imperialistische Kampf um den Weltraum

Die großen imperialistischen Länder rivalisieren zunehmend um den Weltraum. Die USA und China planen bemannte Mondmissionen und schielen dabei auf Rohstoffe. Donald Trump will die amerikanische Fahne auf dem Mars gehisst sehen. Im Hintergrund konkurrieren private Unternehmen wie SpaceX und Blue Origin um ein Megageschäft. Elon Musk und Co. untergraben dabei zugleich die Grundlage ihrer eigenen Projekte. – Ein Kommentar von Thomas Stark.

Neil deGrasse Tyson hält die Idee einer bemannten Marsmission für Unfug: Ein solches Unternehmen würde vermutlich Tote fordern, 1 Billion Dollar kosten und keinerlei Ertrag bringen. Würde man Wagniskapitalgeber:innen so etwas vorschlagen, wäre das „ein Fünf-Minuten-Meeting“. Und die Mission würde nicht stattfinden. Der Talkshow-Auftritt des US-Astrophysikers im November zog – nicht überraschend – eine öffentliche Fehde mit SpaceX-Chef Elon Musk nach sich, dessen erklärtes Lebensziel die Kolonisierung des Mars ist. Am Montag erhielt Musk in der Frage Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump, der bei seiner Amtseinführung die amerikanische Flagge auf dem Roten Planeten in Aussicht stellte.

Wettlauf im All

Bei der Diskussion um bemannte Marsmissionen geht es keineswegs nur um Promi-Egos auf X oder die Fieberträume einzelner Multimilliardäre. Sie ist vielmehr eingebettet in einen beschleunigten Konkurrenzkampf der großen kapitalistischen Staaten im Weltraum. Dieser dient zum Teil direkt der irdischen Geostrategie: Etwa wenn Russland mutmaßlich eine Anti-Satellitenwaffe in einer erdnahen Umlaufbahn positioniert.

Auch die Mondmissionen verschiedener Staaten gehören in diese Kategorie. Im Januar 2024 landete Japan seine Slim-Raumfähre erfolgreich auf der Mondoberfläche – und wurde damit zum fünften Land nach den USA, Russland, China und Indien, das erfolgreich ein Fahrzeug auf den Erdtrabanten geschickt hat. Die USA und China wollen schon in den nächsten Jahren wieder Astronaut:innen auf den Mond schicken.

Im Fokus der Raumfahrtprojekte stehen dabei vor allem die vermutlichen Wassereisvorkommen am Südpol des Mondes. Mit der Erschließung dieser Vorkommen könnten Astronaut:innen Wasser und Sauerstoff für die eigene Versorgung sowie Raketentreibstoff herstellen. Dies würde Missionen zum Mond in Zukunft deutlich vereinfachen und günstiger machen. Dies wiederum könnte nicht nur die Forschung erheblich voranbringen, die Errichtung von Kolonien ermöglichen und den Mond zum Trainingsplatz für zukünftige Marsmissionen machen. Es würde den beteiligten Staaten auch die Chance bieten, ihre „Verteidigungsfähigkeiten zu sichern und technologische Souveränität zu erlangen“, wie es der Chef der russischen Raumfahrtbehörde einmal ausdrückte – und einen Abbau von Rohstoffen auf dem Erdsatelliten in greifbare Nähe rücken.

Neben dem Wasser, dessen Wert auf mehr als 200 Milliarden Dollar geschätzt wird, enthält der Mond laut NASA Seltene Erden, Eisen, Silizium, Platin und andere Metalle, deren Ausbeutung bis zu 2,5 Billionen Dollar bringen könnte. Der größte Schatz wäre jedoch voraussichtlich das auf der Erde sehr seltene Helium-3, das zukünftig bei der Kernfusion zum Einsatz kommen könnte. Der Wert des Heliums auf dem Mond könnte sogar 1,5 Billiarden US-Dollar betragen.

Privatisierung des Weltraums

Die Erschließung des Weltraums könnte also historische Geschäfte nach sich ziehen. Dies gilt auch für Raumfahrt und Transport. SpaceX ist bislang das bekannteste und fortgeschrittenste private Raumfahrtunternehmen, aber längst nicht das einzige. Es war das Unternehmen Intuitive Machines, dem im Februar 2024 die erste kommerzielle Landung auf dem Mond gelang. Dessen Konkurrent Astrobotic Technology war mit dem gleichen Vorhaben nur einen Monat zuvor gescheitert.

Während Intuitive Machines und Astrobotic Technology sich auf Mondfahrzeuge spezialisiert haben, stellt SpaceX vor allem wiederverwendbare Raketen her und hat damit die Raumfahrt revolutioniert. SpaceX ist inzwischen Marktführer für Satellitenstarts und fliegt für die NASA regelmäßig zur Internationalen Raumstation (ISS).

Nachdem das Unternehmen von Elon Musk seine wichtigsten Konkurrenten United Launch Alliance, Arianespace und Rocket Lab abgehängt hat, hofft nun Amazon-Gründer Jeff Bezos, mit seiner Raketenfirma Blue Origin auf SpaceX aufzuschließen. Am 16. Januar gelang es dem Unternehmen erstmals, seine Rakete „New Glenn“ in eine Erdumlaufbahn zu schießen — auch wenn die anschließende Landung des Boosters misslang. „New Glenn“ soll mit einer Kapazität von 45 Tonnen die doppelte Ladung transportieren können wie das bisherige SpaceX-Flaggschiff „Falcon 9“. Blue Origin gibt es bereits seit 2000 und damit zwei Jahre länger als SpaceX. Seit 2021 bietet die Firma von Jeff Bezos touristische Flüge in eine Höhe von 100 km, die Grenze zum Weltraum, an.

Der Große Filter und die Besiedelung des Mars

Für sein großes Ziel – bemannte Missionen zum Mars – lässt Elon Musk wiederum die Rakete „Starship“ produzieren. Diese soll 100 Personen bzw. eine Last von 150 Tonnen transportieren können. Der siebte Testflug von „Starship“ fand fast zeitgleich zum Start von Blue Origins „New Glenn“ statt. Dabei explodierte jedoch der obere Raketenteil.

Der kleine Rückschlag wird Musk jedoch nicht bremsen. Sein Ziel der Marskolonisierung ist nicht nur geschäftlich, sondern auch ideologisch motiviert. Gegen das Ertragsargument des Physikers Tyson wandte der SpaceX-Chef ein, dass der Mars für das langfristige Überleben des menschlichen Bewusstseins entscheidend sei – eine Position, die er auch in seinem Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel vorbrachte.

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Er bezieht sich dabei auf das „Great-Filter“-Argument, das eine Antwort auf die Frage formuliert, warum die Menschheit trotz der hohen Wahrscheinlichkeit für die Existenz außerirdischer Zivilisationen noch nicht mit diesen in Kontakt gekommen ist – auch bekannt als „Fermi-Paradoxon“. Demnach müsse irgendwo auf dem Weg von der unbelebten Materie über die Entstehung von Leben und bewussten Organismen bis hin zu Spezies mit der Fähigkeit zur Erschließung anderer Planeten und Sonnensysteme eine statistische Barriere – ein „Großer Filter“ liegen: Einer der Entwicklungsschritte auf diesem Weg müsse also extrem selten vorkommen, so das Gedankenexperiment.

Musk leitet aus diesem Argument die Forderung ab, die Menschheit müsse so schnell wie möglich den Schritt zur multiplanetaren Spezies gehen, bevor ein „kataklysmisches Ereignis“ die Zivilisation vernichte. Nach seiner Weltanschauung geht dies offenbar nur, wenn die Menschheit zuvor alle politischen Hindernisse wie „Woke-Kultur“, Multikulturalismus, Umweltschutz, die Regulierung von Unternehmen, sozialen Ausgleich und die bürgerlich-liberale Demokratie beiseite räumt: Alles Schritte, die ihm zugleich auch direkt geschäftlich nutzen würden.

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Deshalb unterstützt er länderübergreifend Parteien der Neuen Rechten wie die AfD, bei deren Wahlkampfauftakt in Halle er per Videostream im Einklang mit seiner dystopischen Weltsicht verkündete, der Ausgang der Bundestagswahl könne „vielleicht über das Schicksal der Welt entscheiden“.

„Ketamingetriebener Raketenaffe“

Die Argumentationslinie von Elon Musk enthält dabei einige offensichtliche Widersprüche: Wenn es ihm tatsächlich um das Überleben der menschlichen Zivilisation geht, ist es unsinnig, ausgerechnet diejenigen politischen Kräfte zu unterstützen, die auf die Erhaltung der Lebensgrundlagen auf der Erde ziemlich offen pfeifen: Siehe Trumps „Drill, Baby drill“-Dekrete. Nicht nur Neil deGrasse Tyson hat darauf hingewiesen, dass es vielleicht mehr Sinn machen würde, zuerst die Erde in einem bewohnbaren Zustand zu erhalten, bevor man über ein „Terraforming“ des lebensfeindlichen Mars nachdenkt.

Wissenschaftliche Argumente lässt Musk aber offenbar nur gelten, wenn es um die Begründung für sein Mars-Lieblingsprojekt oder um die Lösung technischer Probleme geht. Das ist beileibe kein Alleinstellungsmerkmal einer Person, sondern charakteristisch für die moderne bürgerliche Ideologie, die spätestens seit Friedrich Nietzsche von Kulturpessimismus und Anti-Humanismus geprägt ist und die Existenz objektiver Wahrheiten gerne leugnet. So kommt es zu dem eklatanten Widerspruch, dass in dem Moment, in dem Staaten und Unternehmen technisch die Besiedelung und Ausbeutung anderer Himmelskörper anvisieren, dieselben Staatsführer und Unternehmenslenker offensiv den Irrationalismus und die Wissenschaftsfeindlichkeit vorantreiben: So wie Elon Musk, der dies besonders aggressiv tut, aber auch andere Tech-Milliardäre wie Jeff Bezos, die sich dem stillschweigend anpassen.

Damit untergraben sie jedoch auch offensiv die Grundlagen ihrer eigenen Megaprojekte: Dass Elon Musk mit seinen täglichen Ausfällen auch frühere Fans von sich wegstößt und heftige Gegenreaktionen von Prominenten auslöst, muss ihn nicht unbedingt stören – der Sänger einer Metalband bezeichnete ihn kürzlich mit Verweis auf seinen Drogenkonsum etwa als „ketamingetriebenen Raketenaffen“, der in einen Käfig gehöre. Um tatsächlich eines Tages zum Mars zu fliegen, braucht er aber nicht nur tausende hochqualifizierte Leute, die Tag und Nacht arbeiten, um ihn während des Flugs am Leben zu halten. Er wird auch auf dem Weg dorthin unzählige Ingenieur:innen, Physiker:innen, Techniker:innen und Arbeiter:innen benötigen, um die Raketen mitsamt Zubehör sowie Satelliten, E-Autos und Gehirnimplantate herzustellen, mit denen er und andere das nötige Geld hierfür verdienen wollen. Genau diese Bevölkerungsteile machen sich Musk, Trump und Co. jedoch gerade ideologisch und durch ihre Politik aktiv zum Feind.

Die hochtrabenden Pläne zur Eroberung von Mond und Mars sind also nur die Erweiterung des kapitalistischen Konkurrenzkampfes in den Weltraum hinein. Und gerade der Kapitalismus könnte sich als der „Große Filter“ erweisen, den die Menschheit überwinden muss, um als Zivilisation langfristig überlebensfähig zu werden.

Thomas Stark
Thomas Stark
Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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