Am 31. Dezember 2024 endet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und muss neu verhandelt werden. Was die Verhandlungen in Zeiten von Kürzungspolitik, Wahlkampf und Militarisierung für fünf Millionen Arbeiter:innen bedeuten, analysiert Stefan Pausitz.
Wenn die meisten von uns an den öffentlichen Dienst denken, dann denken sie vielleicht an die mühseligen und nervigen Bürokratieapparate dieses Staates. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Gewerkschaften in der aktuellen Tarifrunde auch für die in der Verwaltung tätigen Beamt:innen in den Landkreisen und Kommunen verhandeln.
Doch auch für Erzieher:innen in den Kindertagesstätten, Horten oder Krippen sowie Müllwerker:innen oder Pflegekräfte wird hier verhandelt. Darüber hinaus lehnen etliche soziale Träger ihre Gehälter an die ausgehandelten Tariftabellen an und übertragen diese auf ihre Arbeiter:innen.
Am Verhandlungstisch sitzen die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für rund fünf Millionen Arbeiter:innen und mit zwei Millionen Mitgliedern. Außerdem vertreten sind noch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Kapitalseite wird in dem Fall von der Bundesministerin des Inneren und für Heimat, Nancy Faeser (SPD), vertreten.
Sie erhält Unterstützung von Karin Welke, Präsidentin und Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Welke behauptete schon im Oktober, dass die Gewerkschaften mit ihren überzogenen Forderungen die Handlungsfähigkeit der Kommunen gefährden würden. Ein Witz, wenn wir schon jetzt wissen, dass die Gewerkschaften so oder so nicht gewillt sind, konsequent für die Durchsetzung dieser Forderungen zu kämpfen.
Der Ablauf
Der Beginn der ersten Verhandlung wird am 24. Januar sein. Die zweite Verhandlungsrunde findet dann rund eine Woche vor den Bundestagswahlen, am 17./18. Februar, statt. Die dritte Verhandlungsrunde ist dann nochmal einen Monat danach angesetzt und soll zwischen dem 14. und 16. März abgehalten werden. Falls bis zu diesem Zeitpunkt kein Ergebnis erzielt werden konnte, soll ein Schiedsspruch eine Entscheidung herbeirufen.
Darauf folgte nun die zweite Delikatesse: ver.di will mit 8,5% oder mindestens 350 € Bruttoentgelterhöhung in die erste Verhandlungsrunde gehen. Um möglichst viel Druck aufzubauen, bringt ver.di seine Mitglieder in Stellung. So sollen Streikbündnisse, wie „Berlin steht zusammen“, entstehen. Die Basis erhält zusätzlich den Auftrag, dass die 2,6 Millionen Beschäftigen möglichst streikbereit auftreten sollen. Hierzu wurde die Unterschriftensammlung „Stärketest“ eingeführt.
Beim Stärketest werden zusätzlich Organizer:innen der Gewerkschaft dazu angehalten, auf Spielplätzen und vor den Toren der Erziehungseinrichtungen Unterschriften von den Eltern zu sammeln. Eben hier sollen auch gleichzeitig die Erzieher:innen dazu gebracht werden, reihenweise in die Gewerkschaften einzutreten.
Sozialpartnerschaftliche Verhandlungen
Doch nicht nur bei den Erziehungseinrichtungen sollen Unterschriften für die aufgestellten Forderungen gewonnen werden. Die Basis der Gewerkschaften soll schon jetzt auf Parteien zugehen und diese von ihren Forderungen überzeugen, sodass diese im Wahlkampf mit aufgegriffen werden.
Es ist und bleibt also die hohe Kunst der Sozialpartnerschaft, die in Zeiten von Massenentlassungen die Verhandlungen dominieren wird. Über die Kolleg:innen, die auf den Straßen Deutschlands streiken werden, wird von Staat und Gewerkschaften in der „Plüschetage“ verhandelt. Eben hier ist auch der Knackpunkt: Die derzeitige Regierung steht unter der Führung der SPD und wird höchstwahrscheinlich die kommende Regierung an die CDU abgeben müssen. Grund genug für die SPD, also nochmal die Weichen so zu stellen, dass sie bestenfalls in der zweiten Verhandlung eine Einigung erzielen.
Am Ende wird dann ein Tarifvertrag mit einer abgespeckten Tariferhöhung erzielt sein. Ein Großteil der Beschäftigten wird zufrieden gestellt sein und die SPD kann gestärkt in die Wahlen ziehen. ver.di dürfte damit kein Problem haben. Sind sie doch als Teil des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) historisch als Richtungsgewerkschaft der SPD entstanden und handeln auch heute noch stets sozialpartnerschaftlich. Nicht umsonst ist der amtierende ver.di-Vorstandsvorsitzende, Frank Werneke, seit 1982 Mitglied bei der SPD.
Nicht anders verhält es sich auch beim DGB: Hier ist die Vorsitzende Yasmin Fahimi auch SPD-Mitglied. Die Sozialpartnerschaft bestimmt auch die Gewerkschaftspolitik zwischen den Tarifverhandlungen. Zuletzt konnten wir das beim DGB sehen, welcher Kriege und Waffenlieferungen billigte, solange diese „Investitionen & Soziales nicht gefährden“.
Wie uns die Sozialpartnerschaft aus IG Metall, SPD und Waffenlobby in den Krieg führt
Was tun?
Auf der einen Seite werden wir streikwillige Kolleg:innen sehen. Wir sehen auf der anderen Seite Verhandlungen, die schnell eine Einigkeit erzielen sollen. Genau hier muss die Aufgabe darin liegen, die Gewerkschaftsaktionen auf den Straßen nicht nur zu reinen Tarifverhandlungsprotesten werden zu lassen. Zu groß ist die Wut in unserer Klasse über die Politik der Regierung. Zusätzlich sehen wir eine große Verunsicherung und Angst vor Entlassungen bei den Kolleg:innen in anderen Branchen der Großindustrie bis hin zum Kleingewerbe. Es wäre also falsch, die Beschäftigten nur für eine bestimmte Branche auf die Straße zu rufen, und ein fatales Zeichen, wenn die Proteste vor den Bundestagswahlen nur für die Tarifverhandlungen genutzt würden.
Die derzeitigen Kriege und Krisen haben nun eine besondere Auswirkung auf Deutschland. Die Angriffe der jetzigen und kommenden Politiker:innen auf die Arbeitsbedingungen und Löhne werden nicht abebben. Darum müssen wir eben all diese Felder zusammendenken und zusammenschließen. Die Streiks müssen branchenübergreifend politisiert werden. Genau diese Chance muss genutzt werden, um eine klassenkämpferische Arbeiter:innenbewegung aufzubauen, die sich nicht mehr von den Kapitalist:innen und Politiker:innen herumschubsen lässt und die Krise des Kapitalismus auf ihren Rücken austrägt.
Arbeitskampf im Betrieb: Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 94 vom Januar 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.