Die Krise in der Autoindustrie hat neben Volkswagen und diversen Zulieferern auch Ford eingeholt. Im November verkündete das Unternehmen seinen Plan, bis Ende 2027 insgesamt 2.900 Stellen in Deutschland zu streichen, die meisten davon in Köln. Bei der Beschwichtigung der Kolleg:innen ist Ford kreativ und erhält Unterstützung von Betriebsrat und IG Metall. – Ein Kommentar von Enrico Telle.
Die Autoindustrie ist international in einer schweren Krise. Diese schlägt auch in Deutschland zu: Nachdem dieses Jahr schon Volkswagen und Zulieferer wie Bosch und ZF massive Stellenstreichungen angekündigt hatten, zog im November auch Ford nach. Der amerikanische Autobauer will massiv Jobs streichen, und zwar auf europäischer Ebene, in Deutschland und speziell in Köln, wo die Europazentrale des Konzerns angesiedelt ist.
Den Hintergrund der Krise bei Ford bilden nicht einfach nur individuelle Managementfehler: Vielmehr hatten zahlreiche Entscheider:innen in der Branche im gegenseitigen Konkurrenzkampf vor allem auf die Produktion von teureren und größeren Modellen gesetzt – dies versprach höhere Profite auf ihre Investments. Ford etwa stellte die Produktion des bekannten Kleinwagens Fiesta in Köln zugunsten von zwei E-Autos ein. Diese verkaufen sich derzeit aber schlecht, vor allem wegen der Wirtschaftskrise und seit der Staat zwischenzeitlich kein Steuergeld mehr für Kaufprämien bereit stellte.
In der Gesamtbewegung entstand in der Autobranche eine Überproduktionskrise, wie sie für den Kapitalismus typisch ist und gesetzmäßig auftritt. Und nachdem im Ergebnis der Jagd nach hohen Profit-Raten jahrelang gute Dividenden sowie kräftige Manager- und Vorstandsgehälter ausgeschüttet wurden, verkündet das Management nun, dass es so nicht weitergehen könne. Jetzt werden es wieder die Beschäftigten sein, die den Preis für die Krise bezahlen.
Ford will 4.000 Stellen in Europa streichen
Die Empörung bei der Ford-Betriebsversammlung in Köln am 27. November war entsprechend groß: Der Konzern will 4.000 Stellen in Europa abbauen, 2.900 davon in Deutschland, und die meisten in Köln. Dabei hatte Ford erst Anfang 2023 beschlossen, das dortige Werk „zukunftstauglich“ zu machen und bis mindestens 2032 aufrechtzuerhalten. Im Zuge einer Betriebsrahmenvereinbarung hatte das Unternehmen auch zugesichert, betriebsbedingte Kündigungen in diesem Zeitraum auszuschließen. Strategisch handelte es sich für Ford um die zweite Entwicklungsstufe nach dem „Reset Redesign“-Konzept aus dem Jahr 2018. Sie sollte den Konzern angeblich fit machen für die kommenden Umbrüche in der Branche, die gerade umfassend von Verbrennungsmotoren auf Elektroautos umsteigt.
Schon 2018 lautete der faule Kompromiss: Stellenabbau jetzt, um die langfristige Perspektive zu erhalten. Ford versprach also Sicherheit gegen Stellen. Betriebsrat und IG Metall stiegen darauf ein. Jetzt hat sich die Lage geändert, und der Konzern kassiert sein Versprechen. Damit stellt sich auch die Frage, was als nächstes kommt. Sind die 2.900 Stellen nur der Vorbote für eine komplette Schließung des Werks in den kommenden 5-10 Jahren?
Dasselbe Schicksal wie Genk?
Dafür spricht ein Blick in die Vergangenheit und ins Nachbarland: 2012 nämlich verkündete Ford die Schließung des Werks im belgischen Genk, das eigentlich eine Bestandsgarantie bis 2030 hatte. Eine Protestwelle mit Streiks brach los, auch nach Deutschland kamen die Streikenden aus Belgien damals zu Besuch – doch ohne Erfolg.
Das Werk in Genk ist nun Geschichte. Die Befürchtung, dass diese Zukunft auch die Europazentrale in Köln ereilen könnte – und das schneller als vertraglich abgemacht – scheint sehr real, wenn man sich die jüngsten Ankündigungen ansieht: Denn es werden so ziemlich alle Werksbestandteile in Köln entweder großteilig abgebaut, outgesourced oder verkauft. Auch die Anzahl der neuen Auszubildenden wird von 156 auf 40 reduziert. Einzig die Fertigung ist noch nicht betroffen von den Kürzungen.
Um ihre Pläne ohne Gegenwehr durchzuziehen und erst einmal wie gewohnt produzieren zu lassen, greift das Management vor allem zu einer „kreativen” Strategie des Einlullens: Einen Tag nachdem die Schreckensmeldung verkündet wurde, erhielten die Kolleg:innen erstmals in der 80-jährigen Werksgeschichte zu früh ihre Löhne – und diese inklusive Weihnachtsgeld. Noch vor der Betriebsversammlung hatte Ford außerdem seine Arbeiter:innen schon in Kurzarbeit geschickt: nur jede zweite Woche wird abwechselnd gearbeitet, und dies bei Bezügen zwischen 80 und 87 Prozent. Offenbar will der Konzern nicht alle Kolleg:innen zugleich auf dem Werksgelände haben und sie in Bequemlichkeit wiegen.
Wie genau die Kürzungen ablaufen sollen, ist währenddessen noch unklar, die aktuellen Abfindungsprogramme laufen Ende Februar aus. Bis dahin wollen Betriebsrat und Werksleitung einen „Kompromiss” aushandeln.
Betriebsrat und IG Metall kooperieren mit Ford
Bislang sind Betriebsrat und IG Metall dem Unternehmen bei seinem Kurs sehr behilflich: Obwohl die Betriebsratsmitglieder sich zunächst laut über die Pläne empörten, verlor sich ihr Kampfgeist danach in langen Ausführungen, die dann schließlich in Beschwichtigungen umschlugen. Streiks werden als Thema systematisch unterbunden. Einzelne Protestaktionen fanden zwar statt, wie etwa, als 200 Kolleg:innen vor die Halle A zogen, in der gerade die Sitzung des Wirtschaftsausschusses stattfand. Anstatt das Momentum weiter zu nutzen, wurden die Kolleg:innen anschließend aber wieder zurück zur Arbeit geschickt. Eine von der Gewerkschaft selbst angesetzte Protestaktion kurze Zeit später wurde dann doch noch rasch in eine „Informationsveranstaltung” umgewandelt, sodass an diesem Tag ebenfalls zig Autos vom Stapel gehen konnten.
Wohin diese selbst auferlegte Defensive führt, kann man aktuell bei VW sehen, wo die Gewerkschaft nach viel kämpferischer Rhetorik dem „sozialverträglichen“ Abbau von 35.000 Stellen zugestimmt hat. Auch bei Ford Köln scheint die Strategie der IG Metall sich darauf zu beschränken, gute Bedingungen für den Stellenabbau herauszuholen und sich ansonsten mit der Situation zu arrangieren.
Dabei muss jeder:m Beschäftigten klar sein, dass weder Lohnverzicht noch sozialverträgliche Stellenreduktion langfristig die Arbeitsplätze und das Werk in Köln erhalten werden. Vor allem wird Ford nicht von weiteren Abbau- und Schließungsplänen absehen, nur weil die Kolleg:innen jetzt hart arbeiten. Die Krise ist eine Krise der gesamten kapitalistischen Autoindustrie – und ohne Widerstand aus der Belegschaft wird Ford seine Unternehmensstrategie in der Krise auf Kosten der Beschäftigten durchziehen. Wirklicher Widerstand kann deshalb nur bedeuten, selbständig organisiert gegen den Jobkahlschlag zu streiken.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 94 vom Januar 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.