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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Frankfurt: Hausdurchsuchungen bei Palästina-Aktivist:innen wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in aufgelöstem Verein

Am 22. Januar stürmten hessische Polizist:innen die Wohnungen von neun Palästina-solidarischen Aktivist:innen aus Frankfurt. Die Begründung sind laufende Ermittlungen zum Verbot des Vereins Palästina e.V., der sich im November 2024 auflöste. Rechtlich sind die Gründe der Hausdurchsuchung umstritten.

Das Innenministerium Hessen gibt an, bereits im Sommer 2023 Verfahren gegen Palästina e.V. eingeleitet zu haben. Der Verein gründete sich am 22. Januar 2022 als eingetragener Verein in Frankfurt. „Wir wollen durch gemeinsame Auseinandersetzung mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft Palästinas und durch gegenseitige Hilfe zur Stärkung der Community beitragen. Durch Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit möchten wir die Anerkennung und Stärkung der palästinensischen Identität erreichen“, heißt es auf ihrer Homepage.

Von Seiten der Behörden wird ihnen vorgeworfen die Völkerverständigung zu stören, Israelhass zu verbreiten und die Hamas seit dem 7. Oktober öffentlich zu unterstützen. Im November 2024 beschloss der Verein, sich selbst aufzulösen, um einem bevorstehenden Verbot zuvor zu kommen. Doch seine Aktivitäten erklärt er noch lange nicht für beendet. Zudem werden die Vorhaben und die Rolle des deutschen Staates thematisiert:

„Vereinsverbote, Demoverbote, Hausdurchsuchungen, Strafen und Anklagen noch und nöcher, rassistische Diffamierung und Verfolgung von Muslimen und Migranten, antipalästinensischer Rassismus, antisemitische Beschlüsse des deutschen Bundestages… eine endlose Liste von antidemokratischen Maßnahmen, aber allen voran: die offene Billigung und Belohnung von Genozid, dem schlimmsten aller Verbrechen – dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deutsche Regierung! Du stehst wieder im Rampenlicht! Die ganze Welt ist Zeuge Deiner Komplizenschaft“, schreiben sie in ihrer Auflösungserklärung.

Hausdurchsuchungen nach Auflösung

Mit der Auflösung kamen die Mitglieder den Repressionsbehörden zuvor und konnten somit am Ende des Tages nicht für die Mitgliedschaft in einem verbotenen Verein bestraft werden. Dies begründet wohl auch die starken Ambitionen der Frankfurter Polizei und des hessischen Landeskriminalamts den Verein rückwirkend noch zu verbieten.

Am Morgen des 22. Januar stürmten dann 73 Polizeibeamt:innen die Wohnungen von neun Aktivist:innen in Frankfurt am Main und Umgebung. Dabei standen laut Innenministerium, welches den Verein als antisemitisch einstufte, vor allem die Wohnungen von ehemaligen Vereinsvorständen und Vereinsmitgliedern im Fokus. Die Polizist:innen suchten nach Materialien wie Sticker, Plakaten, Kleidung mit Palästina-Bezug. Zudem nahmen sie alle technischen Geräte wie Handys, Laptops und Tablets mit.

Für die Hausdurchsuchungen hatte es zuvor zwei Gerichte gebraucht, um die juristische Legitimität festzustellen. Denn die Maßnahmen scheinen selbst dem Verwaltungsgericht Frankfurt zu absurd. Dieses lehnte die Hausdurchsuchungen ab, weshalb das hessische Verwaltungsgericht Kassel angerufen werden musste, welches die Durchsuchungen dann schließlich auch bewilligte.

Organisationen trotzen der Repression

Dass dieser Repressionsschlag die Palästina-Bewegung in Frankfurt niederschlagen oder eindämmen wird scheint unwahrscheinlich. Auch die Verbote des Gefangenenhilfsnetzwerks Samidoun und der Organisation Palästina Solidarität Duisburg führten nicht dazu, dass die Aktivität Palästina-solidarischer Menschen einschlief.

Razzia und Hausdurchsuchungen: NRW-Innenministerium verbietet Palästina-Organisation

In anderen Städten ging die Polizei nach dem 7. Oktober 2023 ebenfalls gegen Aktivitäten vor. So zum Beispiel in Berlin, wo ein Großaufgebot von 170 Polizeibeamt:innen Hausdurchsuchungen bei der antikapitalistischen Frauenorganisation Zora, dem Interbüro und dem Café Karanfil durchführten – aufgrund eines Posts auf Instagram, in dem zur Stärkung fortschrittlicher Kräfte in Palästina aufgerufen wurde.

Statt sich einschüchtern zu lassen erklärten die Aktivistinnen von Zora, ihren Widerstand unter dem Motto „Jetzt erst recht!“ noch entschlossener fortzusetzen und sich keineswegs einschüchtern zu lassen. Auch die nun betroffenen Aktivist:innen aus Frankfurt erklärten nach den Hausdurchsuchungen: „Für uns steht also fest: wir machen weiter, lautstark und ohne Angst – für ein freies Palästina.“

Pressekonferenz der Frauenorganisation Zora: Jetzt erst recht!

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