Die Neustrukturierung der Bundeswehr nimmt ihren Lauf. Was hat es auf sich mit der neuen „Heimatschutzdivision“? – Ein Kommentar von Alex Lehmann.
Die Bundeswehr hat bald eine „Heimatschutzdivision“, also einen eigenen Großverband im Heer, der kritische Infrastruktur und Einrichtungen von militärischer Bedeutung im Inland schützen soll. Geplant wurde das als Teil der Neustrukturierung der Bundeswehr von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schon vergangenen Frühling.
Und schon damals ging es dabei auch um den latenten Personalmangel, den die Bundeswehr auf dem Weg zur „Kriegstüchtigkeit“ immer wieder beklagt. Die neue Heimatschutzdivision soll zunächst aus 6.000 Soldat:innen bestehen. Zu Wenige um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, sagen zum Beispiel Stimmen aus FDP und CDU.
Mehr Ausbildungskapazität für Ungediente in der Reserve, mehr Geld für die Bundeswehr und endlich ein echter Wehrdienst, so sehen die Lösungsvorschläge aus. Bis jetzt hatte Pistorius nur sein Modell der Massenmusterungen vorgestellt, das angesichts der zerbrochenen Regierung, der Neuwahlen und dem Wahlkampf wohl erst einmal ins Wasser fällt.
Vielleicht die Gelegenheit, in der nachfolgenden Regierung direkt noch einen oben drauf zu setzen? Schließlich sollte der Wehrdienst nach der erfolgreichen Musterung ja auf Freiwilligkeit beruhen. Ob das so bleibt, wenn man eine ganze Division aus dem Boden stampft, der es noch an Menschenmaterial fehlt, ist fraglich.
Brauchen wir eine Heimatschutzdivision?
Auf den ersten Blick erweckt das Konzept Heimatschutzdivision fast das Gefühl, die Bundeswehr würde in unserem Interesse, im Interesse der Arbeiter:innen handeln. Immerhin geht es ja auch um unseren Schutz, oder? Ohne kritische Infrastruktur, Strom, sauberes Wasser, Gesundheitsversorgung, Internet und so weiter würde es uns ja schließlich schlechter gehen.
Gedanken, die sicherlich viele in der einen oder anderen Form haben. Und Gedanken, die Pistorius und Co. sicher auch auslösen wollten. Er selbst hat festgehalten, dass es bis zum Ende des Jahrzehnts zu einem großen Krieg mit Russland kommen könne – ein Szenario, vor dem viele angesichts der dauerhaften Kriegspropaganda zu Recht Angst haben. Und als praktischen Nebeneffekt hat man direkt wieder einen Anlass mehr, um die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu fordern.
Aber die Aufstellung der Heimatschutzdivision selbst ist natürlich gleichfalls ein direkter Schritt in genau diese Richtung. Begründet wird ihre Berechtigung offiziell auch damit, dass größere Teile des Heers in Zukunft auf dem Balkan, in Osteuropa oder sonstwo kämpfen könnten, und das Hinterland dann nicht „unsicher“ sein dürfe.
Beim Kriegsszenario wird natürlich auch in Deutschland mit Kriegshandlungen gerechnet. Auch wenn die Front vielleicht mehrere hunderte Kilometer weiter östlich liegt, sind Cyberattacken, Drohnenangriffe, Wirtschaftssabotage, Attentate und weiteres denkbar. Bleibt nur die Frage, was eine Division des Heers diesen und anderen Methoden der unkonventionellen Kriegsführung entgegensetzen soll.
Nicht unser Heer, nicht unsre Armee…
Dafür kann eine Division im Innern die Regierung vor etwas anderem schützen: der eigenen Bevölkerung. Namentlich vor denen, die etwas gegen die immer weiter voranschreitenden Kriegsvorbereitungen, die damit einhergehende Rechtsentwicklung der gesamten Gesellschaft und dem Wiedererstarken des Faschismus einzuwenden haben.
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Zumindest historisch ist dies die – manchmal offizielle, manchmal inoffizielle – Aufgabe des Militärs im eigenen Land. Ein Paradebeispiel sind die USA. Im Inland wurde das US-Militär zum Beispiel eingesetzt, um streikende Minenarbeiter zu entwaffnen und zur Arbeit zu zwingen. Ein moderneres Beispiel war der Einsatz der Nationalgarde gegen die Protestierenden der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Polizeimord an George Floyd vor bald fünf Jahren.