Am Samstag störten tausende Menschen erfolgreich einen Aufmarsch von 100 Neonazis in der Aachener Innenstadt. Mit Blockaden und brennenden Barrikaden konnte auch der Polizei etwas entgegengesetzt werden. Die antifaschistische Bewegung in NRW blickt auf einen der kämpferischsten Proteste seit langem zurück.
Mehrere hundert Versammlungsteilnehmer:innen hatte der Ex-AfD-Politiker Ferhat Sentürk im Vorfeld angekündigt. Am Ende wurden es etwa 100 vor allem junge Neonazis, die zu der Demo „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ der sogenannten Bürgerlichen Allianz für Deutschland kamen.
Vor wenigen Wochen hatte eine Demonstration von Sentürk unter dem gleichen Motto bereits in Berlin-Lichtenberg stattgefunden. Dort sollte die Demonstration ursprünglich als Provokation durch den Stadtteil Friedrichshain verlaufen – u.a. durch die von besetzten Häusern geprägte Rigaer Straße. Auch in Aachen gab es zeitweise den Plan, mit der Demonstration zum Autonomen Zentrum zu laufen.
Springerstiefel, Vermummung und faschistische Symbolik bestimmten das Bild der Neonazis. Und laut Ankündigung der Gegendemonstrant:innen sollte kein leichter Tag in der Kaiserstadt auf sie warten.
Blockaden, Brände, Barrikaden
Im Gegensatz zur rechten Demo überstiegen die Teilnehmer:innenzahlen der Gegenaktionen jede Erwartung. Laut Polizeiangaben beteiligten sich fast 8.000 Menschen an den antifaschistischen Protesten. Sogar in den Schaufenstern der Läden rund um den Auflaufort fanden sich zahlreiche Plakate, die ihre Ablehnung gegenüber den Rechten kundtaten.
Sechs angemeldete Kundgebungen und eine Gegendemonstration bildeten den angemeldeten Rahmen des Protests. Aber dabei blieb es nicht: Schon nach wenigen Metern stießen die Nazis in Höhe eines Supermarkts auf die erste Sitzblockade. Als die erste Blockade geräumt war und der Demozug weiterziehen wollte, stürmen plötzlich mehrere hundert Antifaschist:innen aus angrenzenden Häusern und Nebenstraßen auf den Adalbertsteinweg.

„No Pasaran“ („Sie kommen nicht durch“) stand auf einem etwa sieben Meter langen Banner. Die Entschlossenheit der Blockierenden wurde mit Bengalos, Rauchtöpfen und Feuerwerks-Batterien untermalt. Währenddessen verschwendete die BFE-Einheit der Polizei keine Zeit mit Reden und prügelte unvermittelt auf die ersten Reihen der Blockade ein und versuchte sie von der Straße abzudrängen – ohne Erfolg.

Mittlerweile hatten sich auch auf den Kreuzungen davor und dahinter Blockaden formiert. Die Nazi-Demo wird umgeleitet – nur um kurze Zeit später wieder zu stehen. Die Antifa Jugend Aachen spricht von bis zu 1.000 Menschen in einer einzelnen Blockade. Auch zum Teil brennende Barrikaden versperrten den Weg.

Schließlich konnten die Faschist:innen erst nach Stunden Verspätung und über zahlreiche Umleitungen zu ihrer Endkundgebung am Aachener Hauptbahnhof gelangen. Die Internationale Jugend schrieb dazu in einer öffentlichen Mitteilung: „Einzig durch die brutale Gewalt der Polizei hat der Nazihaufen einen Fuß in die Stadt bekommen. […] Auch nach dem heutige Tag heißt es zusammenstehen gegen Faschos und Repression!“
Naziprovokationen und Repression
Am Abend kam es im Stadtteil Rothe Erde noch zu weiteren Provokationen der jungen Nazis. Vor einem Dönerladen endete eine davon in einem Handgemenge. Ein junger Neonazi musste auch hier wieder von der Polizei „gerettet” werden.
Ebenfalls bis zum späten Abend dauerte die Einkesselung der Blockade auf dem Adalbersteinweg. Über fünf Stunden waren etwa 150 Menschen bei bis zu -2 Grad von der Polizei festgesetzt worden. Trotz einiger blauer Flecken blieb die Stimmung gut. Neben Parolen wurden auch Arbeiter:innenlieder wie „Bella Ciao” und die Internationale gesungen.


Dazu konnten sich die Demonstrierenden auf die Solidarität der Anwohner:innen stützen. Ein Anwohner spielte Musik aus seiner Wohnung ab, andere brachten Pizza, Pommes, Süßigkeiten und Tee vorbei. Die Polizei nahm schließlich von allen Blockierenden unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs die Personalien auf und erteilte Platzverweise.
Die Demonstrantin Rike S.* zieht eine positive Bilanz und sieht die zahlreichen Blockaden und Konfrontationen mit den Neonazis sowie der Polizei als Errungenschaft: „Insgesamt kann die antifaschistische Bewegung in NRW auf die kämpferischsten Proteste seit langem zurückschauen und den Tag durchaus als Erfolg für sich verbuchen.“
*Name geändert