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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Mythos „Brandmauer“ – Ist sie gefallen oder stand sie nie?

Kanzlerkandidat Merz will nach dem Anschlag in Aschaffenburg gemeinsam mit der AfD Verschärfungen im Migrationsrecht durchbringen. Ist die viel beschworene Brandmauer also jetzt endgültig gefallen? Oder bestand sie nur aus leeren Worten? – Ein Kommentar von Maria Beol.

Keine zwei Wochen ist es her, da erklärte Friedrich Merz, Parteivorsitzender der CDU und Kanzlerkandidat, noch, dass die CDU unter keinen Umständen mit der AfD zusammenarbeiten werde. Jetzt, nach dem Attentat in Aschaffenburg, bei dem zwei Personen starben, plant die Union, weitergehende Anträge zum Asyl- und Migrationsrecht im Bundestag durchzusetzen. Die CDU fährt hier ihr altbewährtes Programm, bei dem sie die Tat instrumentalisiert, um ihre rassistische Politik durchzusetzen. Der Abbau des Asylrechts soll dabei notfalls auch mit den Stimmen der AfD vorangetrieben werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die CDU eine Verschärfung des Asylrechts fordert. Bereits nach dem Messeranschlag in Solingen im August vergangenen Jahres forderte Merz Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan und einen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus diesen Ländern. Umgesetzt wurde nach dem Attentat das sogenannte „Sicherheitspaket” – ein Maßnahmenkatalog, der unter anderem bestimmt, dass straffällig gewordene Geflüchtete auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden können, der ausreisepflichtigen Geflüchteten ihre Sozialleistungen streicht und Asylberechtigten bei der Reise ins Heimatland ihren Schutzstatus aberkennt.

Was fordert Merz nun?

Die Maßnahmen gehen Merz aber offensichtlich noch nicht weit genug, die jetzigen Pläne sind noch weitreichender: Verschärfung des Ausreisegewahrsams und der Abschiebehaft, dauerhafte Kontrolle aller Grenzen, Zurückweisung aller illegal Einreisender – egal, ob mit oder ohne Schutzanspruch. Zur Erklärung: der Schutzanspruch berechtigt Geflüchtete eigentlich, für drei Jahre in Deutschland zu bleiben. Merz‘ Forderungen hätten also zur Folge, dass die Abschaffung von Asyl nicht mehr weit weg ist. Forderungen, die quasi eins zu eins aus dem Wahlprogramm der AfD kopiert sind.

Warum also noch das Gerede von einer Brandmauer nach rechts? Seit 2 Jahren hat die Ampelregierung selbst eine Verschärfung des Asylrechts nach der anderen durchgebracht. Während im Januar letzten Jahres noch Hunderttausende gegen die Deportationspläne von rechts auf die Straße gingen, wird die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl derzeit durch alle Parteien vorangetrieben. Eine Entwicklung, die überhaupt erst die Umsetzung von Merz‘ Forderungen möglich macht.

Alles für eine starke CDU

Die CDU ist derzeit die in Umfragen stärkste Partei. Das bringt sie auch in eine vorteilhafte Stellung gegenüber den anderen bürgerlichen Parteien. Während die wachsende AfD seit über einem Jahrzehnt eine klare politische Linie in gesellschaftlichen Fragen wie Migration in aller reaktionärer Offenheit kommuniziert, tritt die CDU zumindest in Worten bisher widersprüchlich auf.

Dass sie nun auch in Worten der AfD folgt, ist dabei die logische Konsequenz in einer Zeit, in der Migration und Asyl von bürgerlicher und insbesondere faschistischer Presse und Parteien ins Zentrum aller Probleme gerückt werden. Im opportunen Kampf um die Stimmen der Wähler:innen nähert sich die CDU in ihrer Politik an die am stärksten wachsende und in Wahlprognosen zweitstärkste Partei und ihre Politik an. In diesem Fall ist das die AfD und ihre Asylpolitik.

Dass die CDU nun betont, ihre Anträge auch mit AfD-Stimmen durchzubringen, ist überdies einerseits ein Signal an die AfD, gemeinsam reaktionäre Politik betreiben zu können. Andererseits ist es ein Zeichen an die anderen Parteien links von ihr, dass eine selbstbewusste CDU auch in der nächsten Regierungskoalition eine vorteilhaftere Position gegenüber diesen haben wird und bereit ist, diese Positionen auch gegen diese Parteien zu vertreten, wenn sie sich der CDU-Politik nicht unterordnen.

Der Auf- und Abbau der „Brandmauer“ in Worten erfolgt somit nicht aufgrund wirklicher Unterschiede in gewissen politischen Prinzipien. Mit dem Aufbau der „Brandmauer“ in Worten kann sich die CDU als eine reaktionäre Partei darstellen, die gesitteter daher kommt: als eine noch wählbare Partei, als Teil des Blocks vermeintlich demokratischer Parteien. Mit dem Abbau der „Brandmauer“ in Worten bereitet sie sich neue Möglichkeiten vor, ihre reaktionäre Politik durchzusetzen.

Friedrich Merz kämpft wie alle Politiker:innen um die Stimmen der Bevölkerung. Die Frage von Migration und Asyl ist dabei einer der zentralen in diesem Wahlkampf. Sie wird dabei von allen Parteien genutzt, ihre Positionen weiter nach rechts zu verschieben – egal ob CDU, Grüne oder BSW. Sie alle fordern einen härteren Kurs in der Asylpolitik. Das ist aber kein plötzliches Einbrechen der Brandmauer. Es ist die logische Fortführung einer Politik, die wir seit mehreren Jahren beobachten können.

Mit Merz‘ provokanten Forderungen wird die CDU sicherlich punkten, Wähler:innenstimmen der AfD gewinnen, sich vor allem aber auf eine Zusammenarbeit mit ihr vorbereiten und ihren potenziellen Koalitionspartnern ihre vielfältigen Möglichkeiten offensiv demonstrieren. Der reaktionäre Inhalt der CDU-Werbung ist nach ihrer Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte jedoch wenig überraschend.

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