Derzeit laufen Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Der selbsternannte „Volkskanzler“ Kickl (FPÖ) wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Österreich stehen wegweisende Tage bevor.
Nachdem die faschistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) die Nationalratswahl am 29. September 2024 mit knapp 29 Prozent der Stimmen gewinnen konnte, gelang es den restlichen Parteien nicht, sich zu einer Koalition zusammenzuraufen. Rund drei Monate Verhandlungen resultierten in einem großen Knall: Am 3. Januar 2025 traten die liberalen NEOS aus den Koalitionsverhandlungen mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) aus. Auslöser für den Abbruch der Gespräche sollen unterschiedliche Standpunkte zum Pensionssystem gewesen sein.
Gewisse Analogien zur deutschen Ampelkoalition lassen sich nicht verbergen. Vielleicht war dies eine zusätzliche Abschreckung für das angestrebte Dreierbündnis. Ähnlich wie beim deutschen Pendant wird auch im Nachbarland in aller Deutlichkeit nachgetreten. Während die NEOS dem SPÖ-Vorsitzenden Babler eine „Blockadehaltung“ vorgeworfen haben, bezichtigt er die Liberalen der Lüge.
FPÖ bringt sich in Stellung
Nutznießer dieses großen Zerwürfnisses ist vor allem eine Partei: Die FPÖ. Diese steht nun in den Startlöchern, erstmalig den Bundeskanzler zu stellen. Am Montag lud Bundespräsident Van der Bellen den FPÖ-Obmann Herbert Kickl zu seinem Amtssitz ein, um ihm den Regierungsauftrag zu erteilen. Van der Bellen habe keine Alternativen gesehen. Er habe sich „diesen Schritt nicht leicht gemacht„, sei aber der Pflicht seines Amts nachgekommen.
Währenddessen zeigt sich Kickl unbeirrt siegessicher und spricht von einer „neuen Ära“, die er einleiten möchte. Sein Übermut kommt dabei nicht von ungefähr. Sollten die Koalitionsverhandlungen mit ÖVP erfolgreich sein, wird vermutlich er der neue Bundeskanzler. Und selbst wenn diese scheitern und somit Neuwahlen einberufen werden müssten, wird wahrscheinlich die FPÖ davon profitieren. Eine aktuelle Umfrage vom 4. Januar sieht die FPÖ mit rund 36 Prozent klar an der Spitze. Dies entspräche sogar einem Zugewinn von sieben Prozent im Vergleich zur Wahl im September.
Proteste formieren sich wieder
Begleitet wurde das Treffen von massiven Protesten. Bereits am Montag wurde vor der Hofburg, dem Amtssitz des Präsidenten, gegen den drohenden Kanzler Herbert Kickl von Hunderten demonstriert. Dazu aufgerufen hatten die jüdischen Hochschüler:innen.
Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat als Teil des Netzwerks Zivilgesellschaft, dem 34 Organisationen angehören, für heute die erste Großdemo als „Protest gegen einen rechtsextremen Bundeskanzler“ angemeldet. Man rechne damit, dass sich noch weitere zivilgesellschaftliche Organisationen der Veranstaltung anschließen, sagt Pollak. Unter dem Titel „Alarm für die Republik“ soll heute ab 18 Uhr eine Menschenkette rund um das Bundeskanzleramt auf dem Ballhausplatz gebildet werden. Es wird mit 5.000 Menschen gerechnet.
Bereits wenige Tage nach der Nationalratswahl im Herbst 2024, als die Koalitionsverhandlungen noch nicht einmal begonnen hatten, war für tausende Demonstrierende klar: „Nein zur FPÖ in der Regierung!“. Diese gehen zurück auf das Jahr 2000. Nach Bildung der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung formierten sich die ersten donnerstäglich in Wien abgehaltenen Protestkundgebungen.
ÖVP bricht ihr Versprechen
Vor der Wahl schloss die ÖVP eine Zusammenarbeit mit der „Kickl-FPÖ“ aus. Zwar ist die ÖVP schon mehrmals eine Koalition auf Bundesebene mit der FPÖ eingegangen, Kickl sei ihnen dann aber doch zu extrem. Zudem war die FPÖ bei beiden Malen nur der Juniorpartner.
Die letzte gemeinsame Regierung endete mit einer Schlammschlacht nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“. All den Versprechen zum Trotz scheint die ÖVP nach dem überraschenden Ende der Dreierkoalitionsverhandlungen bereit für eine Kehrtwende. Parteiobmann Karl Nehammer ist zurückgetreten und der Weg damit frei: Der neue ÖVP-Chef Christian Stocker ist offen für Verhandlungen mit der FPÖ. Auch er hatte vor der Wahl ein Bündnis mit Kickl eher ausgeschlossen. Mittlerweile steht er den Ausgang der Verhandlungen jedoch „offen“ gegenüber.
In einigen Punkten werden sich die beiden Parteien wohl schnell einig werden. Bei der Migrationspolitik und vor allem in Bezug auf die wirtschaftliche Ausrichtung sind beide auf einer Linie. Fraglich wird es hinsichtlich außenpolitischer Themen. Die FPÖ macht keinen Hehl aus ihrem russlandfreundlichen Kurs und der Ablehnung der EU. Der Standpunkt der ÖVP könnte gegensätzlicher nicht sein. So war es beispielsweise die ÖVP, welche die Waffenlieferungen für die Ukraine vorangetrieben haben.
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Keinerlei Berührungsängste vor der Neuen und Alten Rechten
Ob die Koalition letztlich funktioniert oder nicht, bleibt abzuwarten. Doch allein die Vorstellung, dass Herbert Kickl Kanzler werden könnte, lässt an längst vergangene dunkle Zeiten erinnern. Denn neben den zahlreichen Skandalen seiner Partei (hier eine Auswahl) hat Kickl eine unverblümte Sympathie für die „Neue Rechte“.
Er lässt sogar Kampfbegriffe der Identitären in seinen Auftritten einfließen. Zum Beispiel spricht er ganz offen von „Remigration“. Doch nicht nur Aussagen der „Neuen Rechten“ sind in seinem normalen Sprachgebrauch, er verwendet wiederholt Sätze, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden. Er spricht von „Fahndungsliste der Verantwortungsflüchtigen“ und bezeichnet sich selbst als kommenden „Volkskanzler“.
Dass seine Partei die FPÖ bei ihrer Gründung 1955 in der Tradition der NSDAP stand, passt hierbei ins Bild. Dies zu vertuschen, versucht Kickl schon lange nicht mehr. Nach dem Wahlsieg im September 2024 posiert er mit Rechtsextremen, die das „White-Power-Zeichen“ machen. Und auch sonst pflegt er die Verbindungen zur Identitären Bewegung (IB) rund um ihren Posterboy Martin Sellner. So bezeichnete Kickl die IB mal als eine „NGO von rechts“ und Experten sehen sogar ein „Verschmelzen“ von IB und FPÖ.
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