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Tech-Milliardär: Will Elon Musk die EU zerschlagen?

Elon Musks Satelllitensystem Starlink soll zukünftig die sichere Telekommunikation für Italiens Regierung und Militär bereitstellen. Die Verhandlungen mit Italiens neofaschistischer Regierung sind offenbar in einem fortgeschrittenen Stadium. Der mögliche Deal ist ein Beispiel dafür, wie Musk die politische Ultrarechte nutzt, um kritische Infrastruktur zu übernehmen und sein eigenes Firmenimperium auszubauen. Ideologie und Geschäftsinteressen gehen dabei Hand in Hand. – Ein Kommentar von Thomas Stark.

Nach dem Abendessen ging es für eine Doku ins Kino. Während des Blitzbesuchs von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bei Donald Trump lobten sich die beiden überschwänglich. Trump hatte Meloni, die Vorsitzende der neofaschistischen Partei Fratelli d’Italia, in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida empfangen und ihr nach einem Dinner eine Dokumentation über seinen vermeintlich gestohlenen Wahlsieg im Jahr 2020 vorgeführt. Bei den Gesprächen während des Besuchs ging es unter anderem um eine italienische Journalistin, die im Iran in Haft sitzt.

Kontrolle über kritische Infrastruktur

Die Stippvisite Melonis in den USA scheint aber auch die Verhandlungen über ein höchst brisantes Geschäft wieder in Gang gebracht zu haben — auch wenn Meloni derartige Berichte als „lächerlich“ abgetan hat: Italien befindet sich nämlich derzeit in Gesprächen mit dem US-Unternehmen SpaceX über ein sicheres Telekommunikationssystem für seine Regierung und das Militär. Das Raumfahrtunternehmen von Multimilliardär Elon Musk soll dem italienischen Staat mit seinem Starlink-Satellitensystem verschlüsselte Telefon- und Internetverbindungen sowie einen Direct-to-Cell-Dienst bereitstellen, der bei Terroranschlägen oder Naturkatastrophen genutzt werden kann. Die Gespräche sollen sich laut einem Bericht des Handelsblatts in einem fortgeschrittenen Stadium befinden und nach dem Wochenendbesuch Melonis bei Musks politischem Verbündeten Trump wieder in Gang gekommen sein.

Mit dem Deal würde Elon Musks Firmenimperium seine Kontrolle über die kritische Infrastruktur von Staaten ausbauen: Das Starlink-System versorgt aktuell mehr als vier Millionen Menschen in über 100 Ländern mit Breitband-Internet und hat bereits alteingesessene Telekommunikationsanbieter verdrängt. Allein im Jahr 2024 haben sich mehr als 20 Länder an Starlink angeschlossen, darunter auch Argentinien und Ghana. Argentinien gehört mit seinem Präsidenten Javier Milei – ebenso wie Italien mit Giorgia Meloni und den USA mit Donald Trump – zu einer neu entstehenden Achse ultrarechts regierter Länder im Westen.

Musk und die Neue Rechte

Elon Musk wiederum macht aus seiner Unterstützung für die internationale Neue Rechte nicht nur keinen Hehl, sondern pusht diese in bemerkenswert aggressiver Manier auf seinem Internetdienst X (vormals Twitter), den er 2022 eigens für diesen Zweck erworben hat. Dort lässt er eine massive Provokation auf die andere folgen: Am Montag etwa pöbelte Musk erneut gegen die Labour-Regierung im Vereinigten Königreich und ließ X-Nutzer:innen darüber abstimmen, ob die USA „das britische Volk von seiner tyrannischen Regierung befreien“ sollten. Deutschlands Kanzler Scholz hatte der Milliardär bereits als „inkompetenten Idioten“ bezeichnet und sich vor der Bundestagswahl im kommenden Februar für die AfD ausgesprochen. Am Donnerstag wird er auf der Plattform ein Livegespräch mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel führen.

Die Unterstützung Elon Musks für die Neue Rechte hat nicht nur eine ideologische Seite, sondern auch eine direkt geschäftliche: Musk ist ein umtriebiger Mann, der sein Geld neben Satelliten, Raumschiffen und Tweets auch mit Elektroautos (Tesla), Tunnelbau (Boring Company) sowie Gehirnimplantaten für Schwein und Mensch (Neuralink) verdient. Die Neue Rechte soll ihm dabei helfen, mit seinem Imperium weiter zu expandieren, Konkurrenten — wie etwa die europäische Auto- und Raumfahrtindustrie — auszuschalten und die Kontrolle über Staaten auszudehnen.

Das allein ist kein Alleinstellungsmerkmal von Musk: Dass es Finanzoligarch:innen gibt, die Teile der Infrastruktur, die Finanzsysteme und ganze Regierungen von Nationalstaaten kontrollieren, ist nichts Neues. Diese sind wie Larry Fink vom Vermögensverwalter Blackrock oder Bill Gates von Microsoft nur bisher etwas diskreter und freundlicher aufgetreten als der Bulldozer Musk.

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Eine neue internationale Ordnung?

Anders als jene will dieser jedoch im Bündnis mit anderen Oligarch:innen wie dem Venture-Kapitalisten Peter Thiel gleich die ganze bisherige internationale Ordnung umwerfen und neue, autoritärere Staatsmodelle in der Welt durchsetzen. Dies gilt vor allem für die USA, wo Musk den alten und neuen Präsidenten Trump massiv unterstützt hat — und für Europa, wo er sich systematisch für nationalistische und Anti-EU-Parteien wie die AfD einsetzt.

Die geschäftliche Logik dahinter ist nicht schwer zu erkennen: Die EU als gemeinsamer Binnenmarkt ist heute eine Art Lebensquell für ganze europäische Industriezweige. Die deutsche Autoindustrie etwa hat 2023 über 37 Prozent ihrer exportierten PKW in EU-Länder verkauft.

Daneben wollen Frankreich und Deutschland über die EU gerade ein direktes Konkurrenzprojekt zu Starlink aufbauen: Das Satellitensystem Iris2 soll die europäischen Länder unabhängig von den USA machen — und zwar insbesondere im Kriegsfall: „In Kriegszeiten können wir es uns nicht leisten, die Verbindung zu verlieren“, erklärte dazu der litauische EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius.

Satellitengestützte Systeme wie Starlink stellen deutlich schnellere und sicherere Datenverbindungen etwa für Kampfflugzeuge und Drohnen her als ältere Technologien und sind damit für die künftige Kriegsführung — wie schon heute in der Ukraine — unentbehrlich. Mit Systemen wie Iris2 steht und fällt damit die strategische Unabhängigkeit der europäischen Staaten von den USA — sowie von einzelnen Oligarchen wie Musk.

Zerschlagung der europäischen Sozialsysteme?

Damit hört die geschäftliche Logik hinter der Unterstützung der Neuen Rechten in Europa aber noch nicht auf: Eine Untergrabung der EU würde aus der Sicht radikaler Kapitalist:innen wie Musk auch die Tür für eine Zerschlagung der europäischen Sozialsysteme, sowie aller bisherigen Regularien für Umwelt-, Arbeitsschutz und vieles andere öffnen. Dies würde den Profithahn für Unternehmen wie Tesla, SpaceX und andere weiter aufdrehen als je zuvor — ähnlich wie es sich jetzt in den USA unter Trump ankündigt.

Geschäftsinteressen und Ideologie gehen hier Hand in Hand: In der Weltsicht von Musk, Thiel, des Hedgefonds-Managers und frühen Trump-Unterstützers Robert Mercer sowie des Softwareentwicklers und Startup-Unternehmers Curtis Yarvin sollen der Staat und der Öffentliche Dienst radikal zurückgebaut und von jeglichen liberalen und sozialstaatlichen Ideen gesäubert werden. Statt der bürgerlichen Demokratie in ihrer bisherigen Form mit gewissen politischen und sozialen Zugeständnissen an die Arbeiter:innenklasse streben sie autoritäre Staatsmodelle an, in denen starke Unternehmer ungehemmt durch jegliche Beschränkungen ihre Macht ausspielen und vermehren können.

Die Neue Rechte und politische Führer:innen wie Donald Trump, Javier Milei, Giorgia Meloni, Nigel Farage oder Alice Weidel sollen diese Konzepte in ihren Ländern umsetzen. Allein der Satellitendeal mit Italien würde Musk bei dieser Strategie schon ungemein voran bringen. Setzt er sich am Ende durch, wäre es wohl ein Abendessen mit Filmvorführung gewesen, das der Zerschlagung der EU den Weg gebahnt hätte.

Thomas Stark
Thomas Stark
Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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