Am 18. Januar wurde die Plattform TikTok „gegen fremden Einfluss“ in den USA verboten – und nur etwa 12 Stunden später durch Trumps Einflussnahme wieder freigegeben. Doch wohl kaum aus Einsicht. Viel eher erhofft er sich weiteren Einfluss und dicke Geschäfte. – Ein Kommentar von Marceline Horn.
Im April 2024 unterschrieb der ehemalige US-Präsident Joe Biden ein Gesetz, das sowohl von den Demokraten als auch den Republikanern unterstützt wurde. Darin wurden Milliardenpakete für die Ukraine, Israel und Taiwan sowie Sanktionen gegen Russland beschlossen. Doch auch eine weitere Maßregelung hat sich eingeschlichen: Das Verbot der Social Media-Plattform TikTok innerhalb der Vereinigten Staaten, sollte sie nicht innerhalb von 270 Tagen an eine:n US-Käufer:in verkauft werden.
Und dazu kam es nicht: So war es am 18. Januar dann so weit, und die App wurde in den ganzen USA sowie in Teilen von Kanada geblockt. Weil Trump sich dazu entschied, die im Gesetz möglichen 90 Tage Verlängerung in Kraft zu setzen, wurde die Plattform innerhalb von 12 Stunden wieder freigeschaltet, was in der App mit einer skurrilen Nachricht angezeigt wurde, in der „Trumps Bemühungen“ zur Wiederfreigabe in den USA gelobt wurden.
Wie es zum Verbot kam
Das Verbot, das in das Paket eingebunden war, stammte aus dem Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act (Gesetz zum Schutz der Amerikaner vor von ausländischen Gegnern kontrollierten Anwendungen). Schon Jahre davor hatten Politiker:innen in den USA versucht, die App zu verbieten, weil sie ihnen ein Dorn im Auge war. Während sie vom „Schutz der Amerikaner vor äußerem Einfluss“ sprechen, geht es ihnen eigentlich nur darum, bestimmte Themen und Meinungen, die nicht mit den Interessen der USA überein stimmen, zu unterdrücken.
Große Kritik gegen ein Verbot kam z.B. von pro-palästinensischen Aktivist:innen, nachdem US-Politiker:innen der App anti-israelische Indoktrination unterstellten. Auch in Deutschland berichten Medien immer wieder darüber, dass die App Jugendliche mit pro-russischen oder pro-chinesische Inhalten beeinflussen würde – fast so, als ob die westlichen Imperialist:innen nicht auch ihre Tricks hätten.
Das Phänomen Rednote
Kurz vor dem Verbot, als klar wurde, dass TikTok zumindest für einen kurzen Moment offline sein würde, wechselten hunderttausende Nutzer:innen auf die chinesische Plattform Rednote (lokal: Xiaohongshu), was die App für einige Tage an die Spitze der AppStores katapultierte. Und da sie nicht besonders lokalisiert für den amerikanischen Markt ist, kamen die neuen Nutzer:innen aus dem Westen viel stärker mit chinesischen Nutzer:innen in Kontakt als bei TikTok.
Memes über eine US-chinesische Freundschaft zwischen Nutzer:innen, sowie gegenseitiges Helfen, die Sprachbarriere zu durchbrechen – selbst offene kommunistische Memes – schienen bei den neuen Nutzer:innen relativ gut anzukommen. Im Großen und Ganzen sind die „TikTok Refugees“ also genau das Gegenteil von dem, was sich die US mit dem Verbot eigentlich erhofft haben.
Es wundert also nicht, dass schnell auch Gespräche über ein mögliches Verbot dieser App stattfinden könnten. Die plötzliche Beliebtheit der App könnte auch teilweise dazu gedrängt haben, TikTok wieder freizuschalten und die Menschen „zurückzuholen“.
Trumps Freigabe kommt nicht aus Gütigkeit
Dass auch Trump nämlich das Verbot von TikTok fordert, ist nichts Neues. Seine Entscheidung, die App wieder freizuschalten, ist schließlich auch nur ein 90-tägiger Aufschub, der mehr Zeit dafür gibt, dass der US-Teil des Geschäfts verkauft werden kann. Schon 2020 hatte Trump das Verbot TikToks gefordert, wenn die Plattform nicht an einen amerikanischen Konzern verkauft würde.
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Sein Motiv ist offensichtlich nicht, weil er „einsichtig und nachgiebig“ ist, wenn er den Amerikaner:innen „ihre App“ zurückgibt. Denn er selbst sieht die App ebenfalls als Propagandamaschine gegen die USA, die aber für eigene Zwecke instrumentalisiert werden könnte, wenn sie in amerikanische Hände fällt. Die Kontrolle über den Algorithmus der App ist somit ein hohes Gut, dessen Wert der neue Präsident mit Sicherheit kennt. Zu den Namen, die TikTok aufkaufen würden, gehört unter anderem Elon Musk. Der Milliardär kuschelt sich schon seit über einem Jahr an Trump heran und soll auch ein Büro im Weißen Haus bekommen. Die chinesische Regierung sei das Szenario schon durchgegangen, wenn Musk die App bekommen würde.
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Aber auch Microsoft, Milliardär Frank McCourt mit seinem Project Liberty-Projekt, Kevin O’Leary und YouTuber MrBeast wurden dabei als potente Käufer der Plattform genannt. Egal, welcher Millionär es am Ende sein wird: die Kontrolle über TikTok führt nur dazu, dass der Algorithmus stärker in je eigenem Interesse gepuscht werden wird und Daten für die US-Regierung gesammelt werden können – am Ende des Tages wird auf unseren digitalen Rechten so oder so herumgetrampelt werden.