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Zeitung für Solidarität und Widerstand

USA: Regierung der Milliardäre

Am 20. Januar kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück. Unter ihm übernehmen dystopische Finanzoligarchen und rechte Hardliner Regierungsaufgaben. Sie wollen das Recht des Stärkeren durchsetzen und den öffentlichen Dienst radikal verkleinern. Die Bewegung hierfür ist international. – Ein Kommentar von Thomas Stark.

Die Koffer sind gepackt, die Reise kann losgehen. Für manche geht sie auf den Mars, für andere nach Kekistan. Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus am 20. Januar ist für viele seiner Hardcore-Anhänger:innen mehr als nur ein „innerer Reichsparteitag“. Die amerikanische Alt-Right-Szene hat seit seiner ersten Wahl 2016 deutlich an Einfluss gewonnen, auch in der virtuellen Welt. Sie tummelt sich auf Online-Portalen wie Reddit und 4chan in Gestalt reaktionärer Communities. Diese gehen weit über Neonazis und White Supremacists hinaus und bilden etwa mit der „Manosphere“ eine ganze Subkultur für Frauenhass und LGBTI+ Feindlichkeit. Zu ihr gehören „Incels“, „Pick up artists“ und „Männerrechtsgruppen“.

Die rechte Webszene hat auch eigenartige Symbole an der Grenze zwischen Spaß und Ernst hervorgebracht, wie den Gott des Chaos „Kek“, der in Form der Comicfigur Pepe der Frosch daherkommt. Für ihn wurde das Fantasie-Königreich „Kekistan“ erschaffen, dessen Flagge eine grün gefärbte Version der Reichskriegsflagge ist. Die Wirkung bleibt keineswegs auf das Netz beschränkt. Die „Manosphere“ z. B. ist ein Hort der Aufstachelung zur Gewalt gegen Frauen, die von Online-Stalking bis zu Morden reicht. Die faschistische Miliz „Proud Boys“ kämpft unter dieser Ideologie gegen die bürgerlich-demokratischen Institutionen und beteiligte sich am Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021.

Anti-wokes Finanz-Utopia

Mit Donald Trump hat diese Szene ihren wichtigsten Vorkämpfer zurück. Gewählt wurde er aber keineswegs nur von Konservativen und Rechten, sondern von 77 Millionen Amerikaner:innen aus allen Bevölkerungsschichten, ethnischen Gruppen und Geschlechtern. Und anders als 2016 hat ihn diesmal nicht nur eine kleine Gruppe von Kapitalist:innen unterstützt, sondern mit dem Multiunternehmer Elon Musk (Tesla, X, SpaceX) gleich der reichste Mensch der Welt. Trumps künftiger Vize J.D. Vance wurde politisch vom Investor Peter Thiel (Palantir, PayPal) aufgebaut.

Das Engagement von Musk und Thiel für Trump ist nicht ohne die politischen Visionen der beiden Tech-Milliardäre zu verstehen. Während Musks großes Lebensziel die Kolonisierung des Mars ist, wünscht sich Thiel schwimmende Städte für Superreiche und strebt einen libertären Staat an, der wie ein Unternehmen geführt wird und die Starken — nämlich die Monopolunternehmer:innen — noch stärker macht. Für ihn sind Freiheit und Demokratie unvereinbar. Beide treten vehement gegen das ein, was Musk das „woke Gedankenvirus“ nennt. Beide wollen den bestehenden Staat mitsamt Behörden, Regulierungen und Steuern radikal zurückbauen. Musk wird dies künftig zusammen mit dem früheren Thiel-Geschäftspartner Vivek Ramaswamy als Leiter einer Stelle für Regierungseffizienz tun. Sein Kabinett hat Trump ansonsten nach dem Grundsatz absoluter Loyalität zu ihm aus Kapitalist:innen, rechten Hardliner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen zusammengestellt.

Kapitalismus ohne Schranken

Musk will bis 2026 drei Viertel der zwei Millionen US-Regierungsbeamt:innen feuern und damit jährlich über 500 Milliarden Euro einsparen. Die Regulierungen für Kryptowährungen sollen ebenso weg wie die für künstliche Intelligenz, Raumfahrt und die Förderung fossiler Energieträger.

Der Um- und Rückbau des Staates ist kein Alleinstellungsmerkmal der neuen US-Regierung, sondern Teil einer internationalen Bewegung. In Argentinien hat der „Kettensägenmann“ und selbsterklärte Anarchokapitalist Javier Milei als Präsident seit einem Jahr die Staatsausgaben um ein Drittel gekürzt und dafür eine Explosion der Armut in Kauf genommen. Bürgerliche Ökonom:innen feiern ihn inzwischen dafür. Dem Economist erklärte Milei im November, dass er den Staat „als eine gewalttätige kriminelle Organisation“ betrachte.

Die vermeintliche Anti-Staats-Ideologie von Milei, Musk und Thiel zielt darauf, jegliche Vorschriften für kapitalistische Unternehmen etwa beim Umwelt- und Arbeitsschutz sowie jeden sozialen Ausgleich gegenüber der Arbeiter:innenklasse zu beseitigen. Der Staat ist in den großen kapitalistischen Ländern häufig der wichtigste Arbeitgeber. In Deutschland sind ca. 11 % aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst tätig und in den USA 15 %. Wie John Smith in seinem Buch „Imperialism in the twenty-first century“ darstellt, fließt heute auch ein Löwenanteil des Verkaufspreises von international produzierten Waren wie T-Shirts und iPhones in die imperialistischen Staatshaushalte, und geht dort unter anderem in Sozialausgaben. Diese machen in den USA etwa 22,7 % und in Deutschland 26,7 % des BIP aus.

Recht des Starken

All das wollen Milei, Musk und Thiel ändern und den verbliebenen Rumpfstaat gemäß der eigenen Ideologie neu aufbauen und personell neu besetzen. Nach ihrer Vision soll nur noch der Einzelne für sich sorgen und dabei das Recht des Stärkeren gelten. Sie ist die radikale, antiproletarische Antwort der Finanzoligarchie auf die Krisen der kapitalistischen Welt. Es ist daher nur konsequent, dass das Problem von Leuten wie Milei und Thiel mit dem Staat genau da aufhört, wo dieser seine Repressionsorgane gegen politischen Widerstand einsetzt. Sie lehnen nicht wirklich den Staat ab, sondern nur alle sozialen und demokratischen Rechte.

Nicht nur Beschäftigte im Öffentlichen Dienst sollten deshalb aufhorchen, wenn Christian Lindner davon spricht, Deutschland müsse „mehr Milei und Musk wagen“ und die AfD-nahe Hayek-Gesellschaft den Kettensägenmann mit einer Medaille ehrt. Denn neben der Vision des Staatsrückbaus sind im Weißen Haus in Washington und der Casa Rosada in Buenos Aires jetzt genau die Positionen eingezogen, die sich seit Jahren in reaktionären Online-Communities vermehren, und deren inhaltliche Klammer radikaler Frauenhass, Rassismus und die Verherrlichung von Stärke ist. Die „Kekistanis“ und andere Fanatiker:innen werden von den neuen Regierungschefs direkt für die Durchsetzung ihrer Politik eingespannt: Der Abtreibungsfeind Milei etwa hat einen Feldzug gegen Frauenrechte gestartet, der von Online-Hasskampagnen gegen bekannte Aktivistinnen begleitet war. Trump will die „Proud Boys“ und andere Teilnehmer des 6. Januar noch am Tag seiner Amtseinführung begnadigen.

Ohne Widerstand wird diese Bewegung aktiv und konsequent eine massive Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiter:innen herbeiführen — nicht nur in den USA und Argentinien.

 

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 94 vom Januar 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

Thomas Stark
Thomas Stark
Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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