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USA: Trump bringt Einverleibung neuer Gebiete ins Gespräch

Der designierte US-Präsident hat vor Weihnachten mit der Annektion neuer Gebiete durch die USA kokettiert. Trump dachte laut über einen Kauf von Grönland nach, drohte mit der Wiederinbesitznahme des Panama-Kanals und empfahl Kanada, sich den USA als 51. Bundesstaat anzuschließen. Warum die Bemerkungen keinesfalls als Witz gemeint waren – Ein Hintergrundartikel von Thomas Stark.

„I started a joke“, lautete ein bekannter Song der australischen Popgruppe Bee Gees. Der Songtitel könnte aber auch gut die Überschrift einer kommunikativen Strategie sein, die insbesondere die Neue Rechte seit geraumer Zeit anwendet. Diese besteht darin, bewusst die Grenze zwischen Spaß und Ernst zu verwischen, um Grenzen zu überschreiten und die Verbreitung der eigenen Inhalte zu betreiben.

Annektion neuer Gebiete durch die USA?

Auch Donald Trump nutzt die Verwischung von Ernst und Unernst intensiv in seiner Kommunikation. Dies hat er kurz vor Weihnachten erneut unter Beweis gestellt, als er in mehreren Posts auf seinem Kanal Truth Social laut über eine US-Annektion Kanadas, Grönlands und des Panama-Kanals nachdachte.

„Die von Panama verlangten Gebühren sind lächerlich, zumal die USA Panama außergewöhnliche Großzügigkeit entgegengebracht haben“, schrieb Trump am 21. Dezember und drohte mit der Forderung, „dass uns der Panamakanal vollständig und ohne Wenn und Aber zurückgegeben wird“.

Der im Jahr 1914 eröffnete Meereskanal zwischen Pazifik und Karibik, über den heute 2,5 Prozent des globalen Seehandels laufen, hatte sich jahrzehntelang im Besitz der USA befunden. Im Jahr 1999 ging die Kontrolle über die Wasserstraße infolge eines Vertrags aus den Siebzigerjahren dann vollständig an Panama über. Für die USA ist der Kanal vor allem wegen seiner Bedeutung für den Handel mit Asien strategisch essentiell.

Geschichte des US-Einflusses in Panama

Die Drohung Trumps ist daher keineswegs ein Witz, zumal er in seiner Nachricht auch indirekt vor einem zu großen Einfluss Chinas auf den Kanal warnte. Die Volksrepublik ist der zweitgrößte Nutzer des Panamakanals, und eine Tochtergesellschaft der chinesischen Firma Ck Hutchison Holdings verwaltet zwei Häfen an seinen Eingängen. Trump schrieb, er werde nicht zulassen, dass der Kanal in die falschen Hände falle.

Auch wenn er in seiner Erklärung zunächst vor allem die Kanalgebühren kritisierte, legte die letztere Bemerkung eine militärische Drohung nahe. Dass eine solche ernst zu nehmen wäre, zeigt schon allein die Geschichte: Der Staat Panama ist im Jahr 1903 deshalb entstanden, weil die USA die Abtrennung des Gebietes von Kolumbien militärisch unterstützt hatten — und zwar genau mit dem Ziel, den damals schon im Bau befindlichen Kanal zu kontrollieren. Als sich 1989 dann der damalige panamaische Diktator und frühere CIA-Agent Manuel Noriega mit den USA überwarf, starteten diese eine Militärinvasion in das Land und setzten Noriega gewaltsam ab.

Strategische Bedeutung Grönlands

Auch eine Mitteilung Trumps zu Grönland dürfte keineswegs als Scherz gemeint gewesen sein: „Im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt“, schrieb der künftige US-Präsident kurz vor Weihnachten auf seinem Social-Media-Kanal, „sind die USA der Ansicht, dass der Besitz und die Kontrolle von Grönland eine absolute Notwendigkeit sind“. In derselben Mitteilung benannte er seinen Kandidaten für das Amt des US-Botschafters in Dänemark, zu dem die arktische Insel Grönland als autonomes Gebiet gehört. Die USA unterhalten in Grönland bereits einen Luftwaffenstützpunkt mit einem Raketenfrühwarnsystem.

Kampf um die Arktis: Säbelrasseln am Nordpol

Die strategische Bedeutung Grönlands für die USA nimmt derzeit aus mehreren Gründen zu: Erstens führt der Klimawandel dazu, dass die Arktisregion während immer längerer Zeit des Jahres eisfrei ist, sodass hier wichtige neue Seerouten entstehen, so z.B. von der US-Ostküste nach Asien.

Aus diesem Grund hat sich der Konkurrenzkampf zwischen den Arktis-Anrainerstaaten USA, Russland, Norwegen, Dänemark und Kanada um diese Region verschärft. Auch China mischt in diesem Konkurrenzkampf bereits mit, etwa durch geplante neue Infrastrukturprojekte. Ein stärkerer Einfluss Pekings in Grönland ist aus Sicht des US-Imperialismus daher ebenso zu verhindern wie in Panama.

Eine weitere strategische Bedeutung hat Grönland, da es im Nordosten Kanadas liegt und damit die Landbrücke zwischen Nordamerika und der Arktis bildet. Sherri Goodman, eine frühere Mitarbeiterin des US-Verteidigungsministeriums und heute Senior Fellow bei der US-Denkfabrik Wilson Center Polar Institute, sagte dazu der New York Times: „Wir wollen, dass all diese Gebiete in unmittelbarer Nähe zu unserem eigenen Festland uns schützen und verhindern, dass ein Gegner sie zu unserem strategischen Nachteil nutzt.“ Zugleich wies sie auf internationales Recht hin und darauf, dass Grönland immer noch Teil von Dänemark ist.

Drittens liegen unter dem tauenden Eis Grönlands zahlreiche strategisch wichtige Rohstoffe: Neben Öl, Kohle, Zink, Kupfer, Uran und Sand sind das vor allem Seltene Erden, die heute von zentraler Bedeutung für die Hightech-Industrie sind. Bisher wird der Markt für Seltene Erden vor allem von China kontrolliert. Mit einem gesicherten Zugang zu den grönländischen Vorkommen könnten die USA diese chinesische Machtposition jedoch wahrscheinlich kippen.

Unabhängigkeit, Kauf oder Abkommen?

Aus diesen Gründen wird Trumps Erklärung sowohl in Grönland als auch in Dänemark sehr ernst genommen — und zwar noch weitaus mehr als 2019, als Trump während seiner ersten Amtszeit schon einmal laut über einen Kauf Grönlands nachgedacht hatte.

US-Präsident Trump will Grönland „kaufen“ – was steckt dahinter?

Der grönländische Regierungschef Múte B. Egede erklärte umgehend nach Trumps Weihnachtsbotschaft: „Grönland gehört uns. Wir stehen nicht zum Verkauf und werden niemals zum Verkauf stehen.“ Zugleich betonte er jedoch Grönlands Bereitschaft zur wirtschaftlichen Kooperation.

Die Regierung des engen US-Verbündeten Dänemark erklärte nur, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung und kommentierte die Äußerung Trumps sonst nicht weiter. Die New York Times zitierte jedoch Marc Jacobsen, einen Wissenschaftler des Royal Danish Defense College in Kopenhagen mit den Worten, „nicht viele Leute lachen gerade darüber“.

Die Grönländer könnten Trumps Interesse laut Jacobsen für Versuche nutzen, die wirtschaftlichen Verbindungen mit den USA in Form neuer Abkommen zu verstärken. Bisher ist Grönland mit seinen 56.000 Einwohner:innen noch weitgehend von Dänemark abhängig und hat auf die Erklärung seiner politischen Unabhängigkeit verzichtet.

Nicht zuletzt zeigt die Geschichte auch im Falle Grönlands, dass die Idee einer Angliederung an die USA nicht an den Haaren herbeigezogen ist: Schon Harry Truman, Präsident der USA zwischen 1945 und 1953, hatte die Idee eines Kaufs Grönlands in den Raum gestellt — damals, um die Sowjetunion in der Polarregion zu schwächen.

Einen Präzedenzfall hierfür gab es auch bereits: Den US-Bundesstaat Alaska, im hohen Norden und westlich von Kanada gelegen, hatten die USA nämlich im Jahr 1867 vom Russischen Zarenreich erworben.

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Kanada als 51. Bundesstaat?

Der geostrategische Kampf um die Arktis macht auch deutlich, dass nicht einmal Trumps vorweihnachtliche Sticheleien gegen Kanada reiner Unernst gewesen sind. Der künftige Präsident hatte den kanadischen Premierminister Justin Trudeau mehrfach abwertend als „Gouverneur“ bezeichnet — diesen Titel tragen in den USA die Regierungschefs der Bundesstaaten.

Schließlich legte er nach und bot Kanada auf Truth Social an, als „51. Bundesstaat“ von niedrigeren Steuern und umfassendem militärischen Schutz zu profitieren. Die Bemerkungen wurden von anderen Social-Media-Usern aufgegriffen, die z.B. Karten posteten, in denen sowohl Kanada als auch Grönland als Teil der USA dargestellt waren. Die Provokationen Trumps folgten auf seine vorherige Drohung gegenüber Kanada und Mexiko, Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf deren Exporte in die USA einzuführen.

Auch wenn eine US-Annexion Kanadas — das immerhin ein G7-Staat ist — noch einmal eine andere Größenordnung hätte als eine Wiederinbesitznahme des Panamakanals oder ein Kauf Grönlands, wäre die Vorstellung aus Sicht einer konsequenten US-Arktisstrategie nur der letzte logische Schritt.

Wirtschaftlich ist Kanada schon heute stark von den USA abhängig, die 75 Prozent der kanadischen Exporte kaufen. Zudem ist Kanada militärisch und geheimdienstlich an die USA angelehnt. Die Streitkräfte beider Länder arbeiten in vielfältigen Bereichen eng zusammen, etwa im Rahmen des North American Aerospace Defense Command (NORAD) zur gemeinsamen Luftverteidigung.

Auch wenn eine formale Angliederung Kanadas an die USA heute als Fantasie erscheint und der politische Nutzen fragwürdig wäre und einen hohen Preis hätte, könnte Trump in seiner neuen Amtszeit doch zumindest versuchen, den Zugang des US-Militärs in die Arktisregion des nördlichen Nachbarlandes stark auszubauen und China aus Kanada hinauszudrängen. Beides könnte er, wenn nötig, mit Zolldrohungen zu erzwingen versuchen.

Was Donald Trump kurz vor Weihnachten gestartet hat, war also kein „Joke“, sondern eine ernst gemeinte Skizze künftiger geostrategischer Prioritäten seiner Regierung. Die Arktisregion wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Und Trump hat deutlich gemacht, dass Gebietserweiterungen in der geographischen Nachbarschaft der USA durchaus Optionen für ihn darstellen.

Thomas Stark
Thomas Stark
Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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