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Vergewaltigung: Gericht schützt Staatsbeamtentäter

Elf Monate auf Bewährung für eine Vergewaltigung. Die Begründung: Sein Beamtenstatus sollte nicht gefährdet werden. Was uns dieser Schlag ins Gesicht der Betroffenen lehrt – Ein Kommentar von Alexandra Magnolia.

Vor einigen Tagen fällte das Amtsgericht München ein Urteil, das für viel Aufregung sorgte. Ein 28-jähriger Feuerwehrmann, der vor knapp drei Jahren eine Bekannte im Schlaf vergewaltigte, wurde zu gerade einmal 11 Monaten Haft verurteilt. Laut Richterin hätte eine höhere Strafe den Beamtenstatus, den er als Feuerwehrmann hat, gefährdet. Viele sind von diesem Urteil schockiert, eine Überraschung sollte es jedoch nicht sein. Es ist nicht das erste Mal, dass deutsche Gerichte scheinbar auf der Seite des Täters stehen.

Die Konsequenzen trägt die Betroffene

Posttraumatische Belastungs- und Schlafstörung sowie eine lebenslange Erinnerung an diese Nacht sind die Folgen für die Betroffene. Sie war diejenige, die die Tat zur Anzeige brachte, alles noch einmal erzählen musste:

Nach einer privaten Party übernachtete ihr Bekannter bei ihr, versuchte schon vorher, sie zu küssen. Sie machte ihm klar, dass sie kein Interesse habe, und entschuldigte sich. In den frühen Morgenstunden wachte sie auf und merkte, dass ihre Hose fehlte und dass sie vergewaltigt wurde. Ihr Vergewaltiger lag noch neben ihr, ebenfalls unbekleidet.

Später sagt er dann, er könne sich nicht an den Abend erinnern, er sei zu betrunken gewesen. Laut ihr waren seine Taten an diesem Abend jedoch „zielgerichtet und sinnhaft“. Vor Gericht gestand der Beschuldigte dann seine wahrscheinliche Schuld, auch wenn er weiterhin sagte, er könne sich nicht erinnern.

Trotz der eindeutigen Beweislast, der krassen Folgen für das Opfer und des Geständnisses entschied sich das Gericht lediglich für eine Strafe von 11 Monaten auf Bewährung. Die Vergewaltigung soll laut Gericht eine „unreife Reaktion“ gewesen sein, der Täter war noch jung, außerdem waren beide betrunken. Doch eine Ausgleichszahlung von 6.000 Euro kann höchstens als kleiner Teil einer Aufwandsentschädigung für die Therapie der Betroffenen dienen. Sie machen weder die Vergewaltigung noch den ungerechten Prozess wieder gut.

Immer mehr Berichte über sexualisierte Gewalt

Der Fall in München ist nicht der einzige, der in den letzten Monaten Schlagzeilen machte. Gefühlt hört man immer öfter von immer schockierenderen Fällen. Besonders große mediale Aufmerksamkeit bekam der Fall von Gisèle Pelicot, die von ihrem Mann hundertfach betäubt und zur Vergewaltigung im Internet angeboten wurde.

Der Fall Pelicot: Betäubt und Männern zur Vergewaltigung zur Verfügung gestellt

Erst vor kurzen deckte STRG_F ein Telegram-Netzwerk mit tausenden von Mitgliedern auf, in dem Männer sich über Vergewaltigung von Freundinnen, Partnerinnen, und Familienmitgliedern austauschten. Dort wurden Videos und Fotos, teilweise von den eigenen Müttern oder Schwestern, veröffentlicht, wie sie bewusstlos missbraucht wurden. Außerdem teilte man Erfahrungen und gab sich gegenseitig Tipps, beispielsweise im Umgang mit Betäubungsmitteln.

K.o.-Tropfen – kein gefährliches Werkzeug!?

Auch immer mehr Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, berichten davon, sexualisierte Gewalt zu erfahren. Beispiele dafür liefert der Harvey-Weinstein-Skandals in Hollywood, bei dem über 80 Frauen Anschuldigungen gegen den Filmproduzenten erhoben.

Mehr Diskurs oder mehr Vergewaltigungen?

Hierbei stellt sich die Frage, ob die Gewalt gegen Frauen tatsächlich zugenommen hat oder ob sie häufiger thematisiert wird. Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Auf der einen Seite ist klar: Statistisch gesehen hat sich die sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahren fast verdoppelt.

Das allein ist aber nicht der Grund. Auch vor zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren gab es solche Fälle. In den Zeitungen hat man dazu aber damals wohl eher weniger gefunden,  anders als es heute der Fall ist. Durch mutige Frauen, die sich getraut haben, mit ihren Fällen an die Öffentlichkeit zu gehen, wurde die Hemmschwelle für andere heruntergesetzt.

Also trauen sich mehr Frauen, offen über dieses Thema zu reden. Außerdem hat das Thema vor 20 Jahren noch wenig Anklang in der Gesellschaft gefunden. Auch das hat sich geändert. Der Diskurs mag sich also verändert haben und das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommen, Gerechtigkeit ist aber noch lange nicht in Sicht. Der Fall vom Amtsgericht München zeigt das einmal mehr.

Fast jeden Tag ein Femizid 2023

Amtsgericht München ist keine Ausnahme

Im Internet, im Gespräch mit Freunden oder im allgemeinen Diskurs mag man schnell das Gefühl bekommen, in der Gesellschaft hätte sich viel getan, Vergewaltigungen würden stark verurteilt und Betroffene geschützt. Ein Urteil wie das in München holt einen dann zurück in die Realität.

Die deutschen Gerichte schützen weder verlässlich Betroffene noch verurteilen sie konsequent die Täter. Das Justizsystem in Deutschland macht es Frauen von der ersten Sekunde an schwer. Nicht selten werden Frauen schon bei der ersten Anlaufstelle, der Polizei, abgewimmelt. Vor Gericht schafft es nur ein Bruchteil der Frauen.

Viele macht das zurecht wütend, besonders Frauen. Eine so milde Strafe für eine so schwere Tat ist nicht nur für die Betroffene ein Schlag ins Gesicht, sondern für uns alle. Wir sollten uns davon aber nicht entmutigen lassen. Vielmehr zeigt uns dieser Fall, dass wir uns bei unserem Kampf gegen patriarchale, sexualisierte Gewalt nicht auf den Staat verlassen dürfen.

Es zeigt uns, dass wir für wirkliche Gerechtigkeit andere Wege gehen müssen. Schauen wir uns international um, schauen wir nach Frankreich, dann sehen wir: Für Gisèle Pelicot sind Tausende auf die Straße gegangen, um diesen Kampf zu unterstützen. In Mexiko und Brasilien gibt es riesige, von Frauen geführte Demonstrationen gegen diese Form der Ungerechtigkeit. In der Türkei waren in diesen Herbst z.B. Tausende auf der Straße, um Gerechtigkeit für einen Doppelfemizid einzufordern.

Uns hier in Deutschland steht nichts im Wege, das Gleiche zu tun, um uns gegenseitig zu unterstützen – höchstens der patriarchale Staat und seine Institutionen selbst. Wie passend: gerade diese gilt es zu bekämpfen und zu überwinden!

Fast jeden Tag ein Femizid – Warum der Staat das Problem nicht lösen wird

Alexandra Magnolia
Alexandra Magnolia
Schülerin aus dem Ruhrpott und seit Oktober 2023 Korrespondentin für Perspektive. Besonders gerne schreibt sie über die Frauenrevolution, Militarisierung und die Jugend. Hobbykünstlerin und Katzenliebhaberin.

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