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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Vermieter setzen Senior:innen in Köln auf die Straße – wird die Linke das Problem lösen?

Die Entwicklungen auf dem Kölner Wohnungsmarkt zeichnen ein düsteres Bild. Rentner:innen werden auf die Straße gesetzt und eine Gated Community wird gebaut. Die Linkspartei verspricht im aktuellen Wahlkampf einen Kampf gegen Miethaie – dabei zeigte sie in der Vergangenheit eindrücklich, dass sie keine tatsächlichen Antworten zu bieten hat und das Elend gerne mitverwaltet. – Ein Kommentar von Leon Wandel.

Die 94-jährige Paula Hilsemer lebt schon seit über 70 Jahren in ihrer Wohnung in Köln-Mülheim. An Heiligabend, dem 24. Dezember 2024 erhielt sie die Hiobsbotschaft in Form eines Express-Briefs, der die Kündigung ihres Mietvertrages enthielt. Gegenüber ND-Aktuell sagte Frau Hilsemer: „Der Brief meiner Vermieterin hat mich getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Hier ist doch mein Zuhause.“

Der angebliche Grund für die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin sei, dass sie nach Köln ziehen wolle, um sich dort besser um ihre geerbten Immobilien kümmern zu können. Die Wohnung habe sich angeboten, da sie in Rheinnähe liege und sich im Erdgeschoss befinde. Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass die Kündigungsgründe nur vorgeschoben sind.

Denn Frau Hilsemer wohnt, wie bereits erwähnt, schon seit 70 Jahren in ihrer 52 Quadratmeter großen Wohnung und hat einen entsprechend günstigen Mietvertrag. Als sie damals in die Wohnung einzog, zahlte sie nur 60 D-Mark im Monat. Heute ist ihre Miete mit 483,90€ warm immer noch vergleichsweise günstig. Der gesetzliche Betreuer von Frau Hilsemer teilte ND-Aktuell mit: „Mittlerweile hat die Eigentümerin die beiden oberen Wohnungen im Haus sanieren lassen. Sie wurden an Student:innen vermietet. Die zahlen schon über 1000 Euro Miete.“

Dass die Vermieterin damit Frau Hilsemer, die Pflegestufe 3 hat und damit in ihrer Mobilität stark eingeschränkt ist, auf die Straße setzt, dürfte vor allem ihrem Profitinteresse geschuldet sein. Leider sind Eigenbedarfskündigungen rechtlich nur in seltenen Fällen anfechtbar und Frau Hilsemer muss die Wohnung räumen.

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Mit 85 Jahren mit einem Bein auf der Straße

Der zweite Fall einer Eigenbedarfskündigung betrifft den 85-jährigen Mieter Klaus J. Er wohnt schon seit über 50 Jahren in einer Kölner Wohnung zur Miete. Nun muss er ebenfalls raus. Bei einem Gütetermin – ein Termin, bei dem versucht wird eine Einigung zwischen zwei Parteien zu erzielen, um einen langen Gerichtsprozess zu umgehen – im Landesgericht Köln, stimmte Herr J. einem Vergleich zu. Demnach muss er Ende Februar 2025 seine Wohnung räumen und erhält im Gegenzug die Gerichtskosten erstattet und 10.000€ Entschädigung für den Umzug.

Obwohl die gekündigte Wohnung nicht gerade luxuriös ist und über eine Außentoilette und keine Zentralheizung verfügt, bereut Klaus J. inzwischen, dem Umzug zugestimmt zu haben. Dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte er: „Im Gericht habe ich nicht richtig verstanden, was für Möglichkeiten ich hatte. Eigentlich möchte ich in der Wohnung bleiben, aber ich hatte Angst, dass ich, wenn ich verliere, keine Entschädigung kriege.“ Auch in diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Immobilie nach einer Sanierung deutlich teurer vermietet werden kann.

Klassenkampf von oben

Durch diese beiden Beispiele wird deutlich, dass das Recht vorwiegend auf der Seite der Vermieter:innen steht. Kein Wunder, denn der bürgerliche Staat und damit auch sein Rechtssystem, schützt die kapitalistische Ordnung, er schützt das Eigentum einer kleinen Gruppe von Reichen. Diese Reichen quetschen Arbeiter:innen und Mieter:innen bis auf den letzten Cent aus und stellen sie dann auf die Straße:

Wenn es Schimmel in der Wohnung gibt oder andere Reparaturen an der Immobilie vorgenommen werden müssen, wird dies oft aus Kostengründen ignoriert oder die Mieter:innen werden verantwortlich gemacht, weil sie nicht richtig gelüftet oder die Wohnung beschädigt hätten. Wenn die Mieter:innen einen günstigen Mietvertrag haben, der sich nicht jährlich in die Höhe schrauben lässt. Wenn der Mietvertrag nicht so ausgelegt ist, dass die Miete mit der Inflation ansteigt, obwohl die Reallöhne sinken.

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Dann sind alle Mittel und Wege recht, um die Mieter:innen loszuwerden, und sie werden auf die Straße gesetzt. Im Kapitalismus gibt es kein allgemeines Recht auf Wohnen. Grund und Boden sind vorwiegend Spekulationsmasse. Der Bau und die Verteilung von Wohnungen erfolgt nie nach den Bedürfnissen der arbeitenden Menschen. Im Vordergrund steht allein die Vermehrung des Kapitals.

Dies muss aber nicht für immer so bleiben. In einer sozialistischen Gesellschaft hat jeder Mensch ein Recht auf Wohnen und es würden Wohnungen nach den Bedürfnissen der Menschen gebaut und nicht nach den Kriterien, die am meisten Profit versprechen.

Gated Community in Köln – Die Abschottung der Reichen

Die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Arbeiter:innen und Kapitalist:innen geht immer weiter auseinander. Das ist kein Versäumnis der Parteien oder Versagen der „sozialen Marktwirtschaft“ – es ist ein brutaler Klassenkampf von oben. Es sind massive Angriffe auf uns als Klasse, die ganz gezielt, im Interesse der Kapitalist:innen geschehen und von den Politiker:innen getragen werden.

Natürlich gibt es auch Widerstand durch die Arbeiter:innen, der für die Reichen gefährlich werden kann. Deshalb grenzen sich die Reichen so gut es geht von den Armen ab. An der sich im Bau befindlichen Gated Community (dt. geschlossene Wohnanlage) in Köln-Stammheim kann man ganz praktisch erkennen welche Angst die Reichen vor ihrer Entmachtung durch die Arbeiter:innen haben.

Im Jahr 2027 soll die Immobile fertiggestellt werden, die 29 Wohneinheiten umfassen wird. Die Preise beginnen bei schlappen 540.000 Euro für eine 75 Quadratmeter große Wohnung und reichen bis zu 3,2 Millionen Euro für eine Loft.

Sogenannte Gated Communities sind in Deutschland bislang eine Seltenheit. Nur in München, Hamburg und Berlin gibt es derzeit ebenfalls abgeschottete Nachbarschaften. In einem Interview mit der NZZ gab sich der Bauherr so, als könne er den Unmut in der Bevölkerung über das eingemauerte Bauprojekt nicht verstehen. Er sagte der Zeitung: „Wohlhabende Menschen haben ein großes Sicherheitsbedürfnis und müssen schließlich auch irgendwo wohnen.“

Er selbst spricht lieber von einer Safe Community als von einer Gated Community. Doch egal wie edel die Worte klingen und wie schön die Fassade ist, letztlich schotten sich hiermit die Reichen von der Arbeiter:innenklasse ab. Sie wollen mit den elenden Zuständen der Menschen, die sie letztendlich hergestellt haben oder von denen sie zumindest profitieren, nichts zu tun haben.

Was können wir von den Parteien erwarten?

Die sich zuspitzenden Entwicklungen, die wir auf dem Wohnungsmarkt unmittelbar zu spüren bekommen, machen wütend. Was sind also unsere Optionen wie wir gegen Eigenbedarfskündigungen, teure Mieten und die Schikane der Vermieter:innen vorgehen können?

Jetzt da die Wahlen anstehen, machen uns einige Parteien rosige Versprechen. Die Partei Die Linke hat zum Beispiel ihren Wahlkampf stark auf das Mietenproblem ausgelegt. Die sozialdemokratische Partei stellt sich derzeit so dar, als mache sie Politik für Mieter:innen. Mit ihrer Mietwucher-App, die seit Mitte November verfügbar ist, will die Linke gegen Mieten vorgehen, die so hoch sind, dass sie gegen das Recht verstoßen, und diese zur Anzeige bringen.

Sicherlich ein gutes Mittel, um im Kleinen einen Versuch zu starten, an die alltäglichen Probleme der Menschen anzuknüpfen, doch keinesfalls eine radikale Kampfansage an die Vermieter:innen, wie es die Linke gerne darstellt. Zum einen sind die rechtlichen Erfolgsaussichten begrenzt. So teilte Toni Schellenberg, Leiter des Sozialamtes in Erfurt, MDR Aktuell mit, dass man zwar ein Dutzend neue Anzeigen wegen Mietwuchers erhalten habe, die Erfolgsaussichten aufgrund der bestehenden Rechtsprechung aber gering seien.

Zum anderen kann die Linkspartei genau wie alle anderen Parteien, die am 23. Februar 2025 zur Wahl stehen, ausschließlich Lösungen innerhalb des bestehenden Systems erreichen. Die Lösungen für die grundliegenden Probleme, die uns Arbeiter:innen Tag für Tag quälen, stehen auf keinem Wahlzettel. Oft genug schon wurden wir von wohlklingenden Versprechen und edlen sozialen Verbesserungsvorschlägen im Wahlkampf begeistert, die schon während der Koalitionsverhandlungen unter die Räder kamen. Wer seine Hoffnung in die Parteien oder in den Staat setzt, ist schon verloren.

Und nicht zuletzt die Linkspartei selbst hat dies eindrücklich gezeigt. 2004 stellte sie gemeinsam mit der SPD die Landesregierung Berlins – und verschleuderte 66.000 Kommunalwohnungen an Investor:innen. Etwa 15 Jahre später waren Teile der Partei dann selbst in das Projekt „Deutsche Wohnen & co. Enteignen“ involviert. Dort sollten auf Grundlage eines Volksentscheids Wohnungen zurückgekauft werden – zu einem vielfachen der Preise, zu denen sie damals verramscht wurden.

Nach der erfolgreichen Abstimmung im Herbst 2021 stand der Senat nun vor der Aufgabe, dies durchzusetzen. Doch nicht einmal diese harmlose Forderung nach einem erzwungenen Rückkauf – also keinesfalls eine entschädigungslose Enteignung der Miethaie – wurde im rot-grün-roten Senat umgesetzt, sondern über Jahre verschleppt. Die „Realpolitik“ all dieser Parteien, die uns so viel versprechen, geht am Ende also immer auf unsere Kosten.

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Worin liegt unsere Stärke?

Unsere wahre Stärke liegt nicht in unserer Wahlstimme, sondern in unserer lauten Stimme, wenn wir gemeinsam auf die Straßen ziehen um für eine bessere, eine sozialistische Welt einzustehen. Und zwar nicht aus der Motivation heraus, möglichst viele Stimmen bei einer Wahl zu bekommen und in den Medien ein gutes Bild abzugeben, wie die Politiker:innen, sondern um eine bessere Gesellschaft für uns alle zu erkämpfen.

Mittel wie eine Mietwucher-App, die Menschen Hilfe anbietet, ist ein sinnvoller Weg, um an die konkreten Bedürfnisse der Mieter:innen anzuknüpfen und das Problem auf die Tagesordnung zu setzen. Doch ohne unseren gemeinsamen konfrontativen Kampf, in dem wir den Vermieter:innen, Kapitalist:innen und verantwortlichen Politiker:innen keine andere Wahl lassen, als auf unsere Forderungen einzugehen, werden wir gegen die uns feindlichen Gesetze nicht ausrichten können.

Schließen wir uns also zu einer kämpferischen Kraft zusammen und lassen wir die Kapitalist:innen in ihren millionenschweren Festungen erzittern. Holen wir uns, was uns zusteht und errichten wir eine neue Gesellschaft, in der wir Grund und Boden kollektivieren und in einem sozialistischen Rätestaat selbst verwalten. Eine Gesellschaft, in der jeder ein Recht auf Wohnen hat. Kämpfen wir für den Sozialismus, damit niemand mehr in Schimmelbuden frieren muss und niemand durch seine schmarotzenden Vermieter:innen und mit Hilfe der Polizei aus seinen vier Wänden geknüppelt wird und auf der Straße landet.

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