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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Wahlkampf mit der Mietbremse – viel Lärm um nichts?

Die Mietpreise explodieren weiter – besonders in deutschen Großstädten. Im Wahlkampf wird wieder auf die Mietpreisbremse verwiesen. Was ist davon zu halten? – Ein Kommentar von Rosalie West.

In vielen deutschen Großstädten herrscht Wohnungsnot, und Wohnen ist für Arbeiter:innen zu einem teuren Luxus geworden. Während Politiker:innen von einem „sozialen Problem“ sprechen, ist klar, dass das Problem woanders liegt: Wohnraum wird im herrschenden kapitalistischen System als Ware gehandelt.

Am höchsten sind die Mieten in den Großstädten, angeführt von München (durchschnittlich 22 Euro pro Quadratmeter), Frankfurt am Main (19 Euro/qm) und Berlin (18 Euro/qm). Dasselbe gilt für die Entwicklung der Mieten über die Zeit. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben sich die Mieten in Deutschland von 2010 bis 2024 um satte 64 Prozent erhöht.

Vor allem in den letzten Jahren sehen wir deutliche Anstiege – nicht nur in Berlin (9 Prozent), Leipzig (8 Prozent) oder München (7 Prozent) sind die Mieten zwischen Ende 2022 und Ende 2023 stark gestiegen. Auch im – bis vor einigen Jahren noch relativ günstigen – Ruhrgebiet steigen die Mieten rasant, so etwa in Oberhausen (12 Prozent), Gelsenkirchen (10 Prozent) oder Bochum (9 Prozent) von 2022 bis 2024.

Über die Hälfte (57,9 Prozent) der deutschen Bevölkerung ist als Mieter:in potenziell von solchen Erhöhungen betroffen. Aber auch in diesem Jahr soll die Profitmacherei nicht enden: Der größte Immobilienhai Vonovia stellt bereits Mieterhöhungen für 2025 in Aussicht.

Bereits seit 2015 gibt es eine sogenannte festgelegte „Mietpreisbremse” für Gebiete mit „angespanntem Wohnungsmarkt”. Die Bundesregierung hat nun im Dezember eine Verlängerung bis 2029 vorgeschlagen, und auch im aktuellen Wahlkampf werben die bürgerlichen Parteien mit diesem Thema. Aber was bedeutet das für uns Arbeiter:innen?

Die Mietpreisbremse und ihre kommenden Veränderungen

Die Mietpreisbremse greift bisher bei Wohnungen, die vor dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt wurden. Sie bedeutet: Bei einer neuen Vermietung darf die Miete höchstens 10 Prozent über der durchschnittlichen Miete für ähnliche Wohnungen liegen. Wenn die vorige Miete schon höher war, darf die neue Miete meist nicht darüber liegen. Die Durchschnittsmiete wird nach bestimmten Regeln berechnet und orientiert sich am Markt. Wichtig ist hierbei allerdings, dass die Mietpreisbremse nur für Gebiete mit einem „angespannten Wohnungsmarkt“ gilt, und die Landesregierung muss solche Gebiete extra festlegen, damit sie dort angewendet werden kann. Von einem „angespannten Wohnungsmarkt” spricht man, wenn es mehr Menschen gibt, die eine Wohnung suchen, als Wohnungen, die zur Verfügung stehen.

Die nun festgelegte Änderung erweitert die Mietpreisbremse auf Wohnungen, die zwischen dem 1. Oktober 2014 und dem 1. Oktober 2019 erstmals vermietet wurden. Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2019 erstmals vermietet werden, bleiben weiterhin ausgenommen, um den Neubau zu fördern.

Der Wohnungsbau in Deutschland kommt dennoch nicht voran: Laut dem Statistischen Bundesamt ist die Anzahl der neu errichteten Wohnungen im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent zurückgegangen. Faktisch wurde nur geschafft, 294.000 neue Wohnungen zu bauen – und das, obwohl die Ampel-Koalition jährlich 400.000 angekündigt hatte.

Ampel erzielt Kompromiss – Mietpreisbremse wird verlängert und bleibt doch zahnlos

Die falschen Versprechungen der Mietpreisbremse

Zuletzt erschien die Einigung von SPD und FDP auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 als Lichtblick. Doch auch hier werden die Arbeiter:innen einmal mehr von der bürgerlichen Politik und ihren Parteien enttäuscht: In der Vergangenheit hatte sich nämlich gezeigt, dass bestehende Mietpreisbremsen oft deshalb ineffektiv sind, da es zu viele Ausnahmen gibt, z.B. bei Neubauten oder umfassend modernisierten Wohnungen: hier umgehen Vermieter:innen die Regeln allzu oft durch „kreative” Mietkonstrukte oder schlicht durch fehlende Sanktionen bei Verstößen.

Trotzdem bleiben die Mieten ein willkommenes Wahlkampfthema, auch in der aktuellen Phase. Themen wie die Mietpreisbremse werden gezielt gewählt, weil sie emotional aufgeladen sind und bei vielen Wähler:innen ankommen – insbesondere in Städten mit Wohnungsnot. Gegen-Maßnahmen sind leicht zu kommunizieren, auch wenn ihre Umsetzung und Wirkung fragwürdig bleiben. Sie werden häufig als „schnelle Lösung“ präsentiert, ohne zu hinterfragen, wie es zu diesen Zuständen kommen konnte.

Wohnen als Ware

Der sogenannte „Mietpreisdeckel” scheint ebenso keine nachhaltige Lösung für die Wohnungsfrage zu sein, da er lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen bekämpft. Friedrich Engels zeigt bereits im Jahr 1872/73 in seiner Analyse, dass Wohnungsnot eine systemische Folge des kapitalistischen Systems ist, in dem Wohnen kein Recht auf angemessenen Wohnraum darstellt, sondern zur Ware wird.

Mietpreisdeckel können kurzfristig steigende Mieten begrenzen, greifen aber nicht die grundlegenden Mechanismen an, wie z.B. die Spekulation mit Boden und Immobilien oder den Mangel an sozialem Wohnungsbau.

Es hat sich gezeigt, dass der Marktmechanismus in der Wohnungsfrage nicht funktioniert. Entgegen der herrschenden Meinung, wonach die gestiegenen Baukosten und die Migration für die Wohnungskrise verantwortlich seien, ist es in Wirklichkeit maßgeblich der Privatbesitz an Grund und Boden. Es ist dieses grundlegende Verhältnis, das die Wohnungskrise bedingt. Von den bürgerlichen Parteien wird sich grundsätzlich jedoch keine um dieses Grundproblem kümmern.

Eine wirkliche Lösung erfordert eine grundlegende Reform dieses Systems, in dem Wohnen nicht mehr dem Markt unterworfen ist, sondern als Grundrecht betrachtet wird.

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