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3 Jahre Ukraine Krieg – wie geht es weiter?

Vor drei Jahren griff Russland die Ukraine an – ein Stellvertreterkrieg begann, den der amerikanische Imperialismus jetzt beenden will. Wer profitiert, wer leidet und wie verschiedenen Konfliktherde und Interessen zusammenhängen? – Ein Kommentar von Marc Bremer.

Am 24. Februar 2022 marschierte das russische Militär auf breiter Front in der Ukraine ein. Nachdem Russland in den ersten Wochen mit schnellen Vorstößen im Norden scheiterte und den Fokus auf den Osten legte, rückten die russischen Truppen mit hohen Verlusten dort Meter für Meter vor. Dabei konnten gerade zu Beginn noch größere Geländegewinne erzielt und strategisch wichtige Städte eingenommen werden. Bekannt ist der erbitterte Kampf um die Hafenstadt Mariupol, die unter großer Zerstörung im Mai 2022 eingenommen wurde. Daraufhin kam es zwischenzeitlich fast zu einem Stillstand.

Als die erste ukrainische Gegenoffensive mit der Rückeroberung einzelner Ortschaften und hohen Verlusten beendet war, wurden westliche Waffenlieferungen enorm verstärkt. Bekannt ist hier die Diskussion rund um schwere Panzer wie den Leopard 2. Im Verlauf vieler weiterer erbitterter Kämpfe im Jahr 2023 um einzelne Ortschaften wurde zunehmend deutlich, dass die militärische Oberhand bei Russland liegt. Nicht nur ist trotz der steigenden Waffenlieferungen der NATO die russische Produktion wesentlich höher, auch zeichnete sich die Überzahl an Soldaten an der Front immer deutlicher ab.

Im vergangenen Jahr kam es dann recht überraschend zu einer ukrainischen Gegenoffensive auf das russische Gebiet Kursk. Dies passierte gerade zu der Zeit, in der Russland verstärkte Geländegewinne erzielen konnte. Später kämpften auch Truppen aus Nordkorea aktiv auf der Seite Russlands. Nachhaltig ändern konnte die Kursk-Offensive aber auch nichts, und der russische Vormarsch ging stetig voran.

Nach den Schrecken des nun drei Jahre andauernden Kriegs reden Politiker:innen und Medien immer häufiger über die Notwendigkeit von Verhandlungen. Dabei sind die Interessen unterschiedlich verteilt.

Kriegsgeschrei in der EU, Kriegsmüdigkeit in der Ukraine

Wenn in Deutschland Annalena Baerbock (Grüne) davon spricht, dass wir „einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“ kämpfen, wird klar, wo sich der deutsche Staat mitsamt seiner Verbündeten sieht: Deutsche Panzer sind im Höchstbetrieb in der Ukraine aktiv, britische und (noch) US-Raketen treffen Ziele tief in Russland.

Wie lange Waffen und Unterstützung aus den USA jedoch noch kommen werden, ist so unsicher wie nie. Währenddessen scheint man in der EU umso stärker an der Unterstützung festzuhalten. So wurde erst kürzlich nach der Münchener Sicherheitskonferenz ein europäischer Krisengipfel einberufen. Das Ziel ist es, noch möglichst viel Einfluss auf den Krieg in der Ukraine und die Ukraine selbst zu behalten.

Neben weiteren Milliarden zur Kriegsunterstützung wird auch ein erneuter Vorstoß aus Frankreich und Großbritannien für Europäische „Friedenstruppen“ debattiert. Dabei handelt es sich um einen freundlichen Name für weitere Eskalationen im Krieg: NATO-Truppen in der Ukraine würden dann auch jedwede Behauptungen, dass man nicht im Krieg mit Russland sei, endgültig ersticken.

Derweil tritt in der Ukraine Kriegsmüdigkeit ein. Schon länger hört man hier verzweifelte Stimmen aus der Führungsriege, dass die Truppen an der Front ausgehen. Schätzungen sprechen zudem von bis zu 200.000 Deserteuren. Eine genaue Zählung und Verurteilung aller ist nicht möglich. Dazu kommen Unzählige, die vor der Rekrutierung geflohen sind.

Wie tiefgreifend dieses Problem in der Ukraine ist, zeigen immer wieder aufflammende Proteste im Land. So demonstrieren überall in der Ukraine viele Frauen von Soldaten gegen die unbegrenzte Kriegszeit und den verweigerten Heimaturlaub. Mit den Worten eines Kommandeurs: man agiere gegen ein System, das „in gewisser Weise einem Sklavensystem“ ähnelt. Nicht verwunderlich: mehr als 50 Prozent aller Ukrainer:innen hoffen, dass so schnell wie möglich ein Kriegsende ausgehandelt wird.

Und Russland?

Ein „weiter so” scheint auf den ersten Blick Russland in die Karten zu spielen: Stetige Geländegewinne, eine deutlich höhere Rüstungsproduktion, bis zu einer personellen Überzahl von 5:1 an der Front, ein sich immer wieder streitender Westen, dem jetzt ein deutlicher Bruch Europas mit den USA droht. Vieles deutet auf ein erfolgreiches nächstes Kriegsjahr für Russland hin. Und dennoch lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die russische Situation zu werfen.

Es ist klar, dass drei Jahre Krieg nicht geräusch- und folgenlos an einem Land und an der einfachen Bevölkerung vorbei gehen konnten. Genauso klar ist zudem, dass auch in Russland große Teile der Bevölkerung nicht von diesem Krieg profitieren. Das zeigt sich zunehmend in verschiedenen Bereichen: Der Krieg kostet Russland nach Schätzungen täglich 500 Millionen bis 1 Milliarde Dollar. Ein Drittel der Staatsausgaben geht ins Militär – viel Geld, das in anderen Bereichen fehlt. Um die Heimatfront ruhig zu stellen, setzt der russische Staat vorallem auf Propaganda und Repressionen.

Rekrutierungen in Russland finden besonders unter nationalen Minderheiten und auf dem Land statt. Demgegenüber bleiben die großen Städte weitgehend verschont. Sie sollen ruhig gehalten werden. Und doch gehen Umfragen von der Hälfte der russischen Bevölkerung aus, die sich für ein sofortiges Ende des Krieges ausspricht. Sowohl in der Ukraine als auch in Russland wird die Bevölkerung also zunehmend kriegsmüde.

Der Syrische Verlust

Derzeit scheint es so, als ob Russland einen Teil seiner Kriegsziele – die Annektion wichtiger Gebiete in der Ostukraine sowie der Krim – erreichen könnte. Damit hätte der russische Imperialismus einen Schwarzmeerzugang sowie wichtige Rohstoffe für sich gesichert. Zugleich ist er anderswo geschwächt worden, nämlich in Syrien.

Syrien war unter Assad über lange Zeit ein wichtiger Verbündeter und auch militärischer Stützpunkt Russlands in der Region. In Syrien hatte Russland einen Luftstützpunkt und den Militärhafen Tartus, der Russland Zugang zum Mittelmeer verschaffte. Nach dem Sturz Assads ist es unklar, wie es mit der russischen Präsenz in Syrien und in Westasien weitergehen wird. Dass der Verlust der beiden Stützpunkte den Einfluss Russlands schwächen dürfte, ist dabei aber sehr wahrscheinlich. Russland war eben nicht in der Lage, zeitgleich einen Krieg gegen die Ukraine mitsamt NATO-Unterstützung zu führen und weiterhin den Verbündeten Assad in Syrien über Wasser zu halten.

Profitieren wird davon voraussichtlich der NATO-Staat Türkei, der bei der gesamten Operation seine Finger mit im Spiel hatte und jetzt die kurdischen Gebiete angreift. Auch Israel scheint durch den Machtwechsel in Syrien gestärkt zu werden. Die sogenannte „Achse des Widerstands” unter Führung des Iran verliert dadurch wichtige Verbündete in der Region. Die Lage in Westasien zeigt abermals, wie wackelig die aktuelle Weltordnung tatsächlich auf den Beinen steht.

Neben dem überraschend schnellen Putsch in Syrien ist es vor allem die Situation in Palästina, die uns dies vor Augen führt. Während Israel – unter schützender Hand von USA und NATO – einen Genozid anrichtet, waren es vor allem die Akteure der „Achse des Widerstands“, die immer wieder versuchten, Israel anzugreifen und die eigenen machtpolitischen Ambitionen durchzusetzen. Dabei werden neben Israel vor allem die USA und die NATO zum Feind erklärt, während man sich mit Russland weiterhin gut stellt. Erneut prallen hier die räuberischen imperialistischen Interessen aufeinander, die schon das eine oder andere Mal die Gefahr einer noch stärkeren Ausweitung des Kriegs aufflammen ließen.

Dass es noch nicht dazu gekommen ist, liegt auch an den USA, die sich vor dem verstärkenden Konflikt mit China und der andauernden Unterstützung in der Ukraine keinen weiteren regionalen Krieg leisten können. Gerade der Konflikt um Taiwan wird von beiden Seiten konfrontativer. Währenddessen versucht China stets, seine guten Beziehungen zu Russland zu wahren, zugleich aber dem Westen (noch nicht) zu stark auf die Füße zu treten.

Wie weiter mit Trump

Eine besondere Dynamik in die nächsten Schritte des US-Imperialismus hat die Wahl von Donald Trump gebracht. War eines seiner großen Wahlversprechen, den Krieg in der Ukraine direkt zu beenden, sieht man nun die ersten konkreten Schritte dahin. Hier wurde zuletzt in hohem Tempo Maßnahmen zu einer Annäherung und möglichen „Friedensplänen“ getroffen. Erste Treffen und Telefonate zwischen den USA und Russland haben stattgefunden, neben der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen war dabei auch das Ende des Ukraine-Krieges auf der Tagesordnung.

Mit diesen Schritten rückt der von vielen Europäischen Politiker:innen befürchtete Bruch mit der Trump-USA immer näher. Denn während Trump keine weitere Unterstützung plant, wollen die europäischen Staaten, allen voran Frankreich, Deutschland und England, die eigene Unterstützung intensivieren.

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz setzte der US-Vizepräsident ein klares Zeichen, indem er den anwesenden Europäer:innen eine Standpauke über die „Demokratie“ und deren Umgang mit Rechten Kräften hielt. Anstatt gemeinsam weitere Möglichkeiten der Unterstützung der Ukraine zu diskutieren, traf er sich danach mit Alice Weidel von der AfD.

Mit all diesen Entwicklungen, bleibt es weiterhin schwer zu erahnen, wie der Ukraine-Krieg sich weiter entwickeln wird. Vieles deutet gerade auf ein baldiges Ende hin, doch hängt es neben dem Einsatz der euröpäischen Staaten, vor allem an den Interessen Russlands und der USA.

Denn auch wenn ein schnelles Ende des Krieges für die meisten Menschen sicherlich wünschenswert wäre ist klar: aus Menschenliebe handelt die Trump Regierung nicht. Auch hier stecken verschiedene imperialistische Interessen dahinter. So scheint neben der Abnutzung Russlands bei diesem Krieg für die USA nicht mehr viel zu gewinnen zu sein. Zu teuer ist die Unterstützung und es gibt vor allem zu viele andere Schauplätze die den vollen Fokus benötigen. Zugleich sind auch einige Fragen noch nicht einfach zu beantworten: Zielen die Schritte der Annäherung an Russland darauf ab, Russland von China abzutrennen? Oder geht es gerade darum, die europäische Staaten wirklich auf Kriegskurs zu bringen um in einem kommenden Weltkrieg auch reale Verbündete zu haben?

Wie schnell Trumps Versprechen den Krieg zu beenden auch Realität werden mag, so wenig werden die Konflikte und Kriege dadurch in Zukunft beendet sein. Das Wettrüsten und Kriegsgeschrei der Herrschenden ist im vollen Gange. Konkrete Schritte zu einer Neu-Aufteilung der Welt stehen an. Wo man auch hinguckt, wird aufgerüstet. Konflikte um Einfluss und Profite werden sich nicht durch ein paar Verträge lösen lassen. Solange dieses System auf Einfluss- und Profitvermehrung beruht, werden weiterhin Konflikte und Kriege darüber entstehen und fortbestehen.

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 95 vom Februar 2025 unserer Zeitung erschienen. Er wurde auf Basis neuer Entwicklungen aktualisiert. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

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