Zeitung für Solidarität und Widerstand

Angriff auf die Presse- und Versammlungsfreiheit: Polizei dringt in Gebäude der jungen Welt ein

Am 18. Februar 2025 kam es erneut zu einem drastischen staatlichen Angriff auf die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit: Ein polizeiliches Großaufgebot belagerte das Gebäude der linken Tageszeitung junge Welt in Berlin und verschaffte sich Zugang zu der Veranstaltung der UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete.

Die UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, stand während ihres Aufenthalts in Berlin quasi unter polizeilicher Zensur. Ihre öffentlichen Auftritte wurden abgesagt oder polizeilich überwacht.

In den Tagen vor einer Veranstaltung waren ihr bereits zweimal die Räumlichkeiten wegen staatlicher Interventionen gekündigt worden. Ursprünglich sollte ein Vortrag mit Albanese auch an der Freien Universität (FU) Berlin stattfinden.

(Freie) Universitäten unter Druck

Nach Beschwerden der israelischen Botschaft setzten Berliner Politiker:innen – unter anderem der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) – die FU massiv unter Druck, bis sie die Veranstaltung absagte. Hintergrund war, dass die UN-Diplomatin bereits mehrfach wegen ihrer Aussagen und Posts als antisemitisch bezeichnet wurde.

Schon einige Tage zuvor war auch die Universität München gezwungen worden, Albanese die Räume zu kündigen. Die Maßnahmen reihen sich ein in eine ganze Serie von politischen Interventionen, bei denen die Politik Universitäten unter Druck setzte und damit in die Hochschulautonomie eingriff.

Für die Veranstaltung in Berlin wurde nach der Absage der FU zunächst mit dem „Kühlhaus” ein Ausweichort gefunden, der nach politischem Druck aber ebenfalls die Räume kündigte. Schließlich ermöglichte die linke Tageszeitung junge Welt Albaneses Auftritt in ihrer „Maigalerie”, auch wenn hier nur ein Teil des erwarteten Publikums Platz fand.

„Viva, Viva, Palästina!“- Hörsaalbesetzung an der Freien Universität Berlin

Polizeilicher Belagerungszustand

Am frühen Nachmittag des 18. Februar 2025 sah sich das Pressegebäude unter polizeilichem Belagerungszustand: Ein Großaufgebot überwachte nicht nur die Eingänge, sondern verschaffte sich mit uniformierten Beamt:innen gegen den ausdrücklichen Willen der Redakteur:innen Zugang zu den Räumlichkeiten der Zeitung.

Als Grund für diesen Angriff auf die Pressefreiheit nannten sie „Gefahrenabwehr“. Die Einsatzleitung erklärte den Vortrag kurzerhand zu einer „Versammlung in geschlossenen Räumen“, was den Repressionsbehörden weitergehende Rechte verschafft – darunter auch die Möglichkeit, das Hausrecht außer Kraft zu setzen und den Ablauf gegen den erklärten Willen der Veranstalter:innen zu überwachen.

Frankfurt: Hausdurchsuchungen bei Palästina-Aktivist:innen wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in aufgelöstem Verein

Reaktionen auf den Vorfall

Der Verlag prüft nun rechtliche Schritte gegen den Polizeieinsatz in seinen Räumen. Albanese konstatierte, dass „die Situation für die Meinungsfreiheit überall schlecht ist“, in Deutschland jedoch aufgrund der Repressionen „ein Sauerstoffmangel“ zu spüren sei.

Sahra Wagenknecht hatte sich bereits am Dienstag auf X gegen den „Angriff auf die Grundfreiheiten“ geäußert, ebenso wie einzelne Linke-Politiker:innen. Erst am Mittwochvormittag – nachdem die Linkenspitze auf Sozialen Medien Kritik für ihr Schweigen zur Polizeirepression nur wenige Meter hinter ihrer Parteizentrale bei der jungen Welt geerntet hatte – äußerte sich die Co-Vorsitzende Ines Schwerdtner:
Die Absage von Veranstaltungen mit Albanese sei „zutiefst verstörend“. Es müsse möglich sein, offen über Menschenrechtsverletzungen im Gazastreifen zu sprechen – einschließlich des Vorwurfs eines Genozids, so Schwerdtner auf X.

Es sei „skandalös“, wie der Diskurs um den Krieg in Nahost durch politische Interventionen und massive Repressionsmaßnahmen immer weiter eingeengt werde. Dass die Polizei nicht einmal vor den Räumen von Medienschaffenden Halt mache, sondern in das Gebäude der jungen Welt eindringe, sei „ein neuer Höhepunkt dieser repressiven Entwicklung“, kommentierte auch Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe.

Abschließend erklärte sie: „Wir als Rote Hilfe e.V. stellen uns gegen die ständigen Grundrechtseinschränkungen und protestieren entschieden gegen den Angriff auf die Tageszeitung junge Welt, die sich immer wieder für ihre oppositionelle Berichterstattung Repressalien ausgesetzt sieht. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite.”

Warum steht die „junge Welt“ im Verfassungsschutzbericht und zieht nun vor Gericht?

 

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!