Seit Juni 2024 sitzt die junge antifaschistiche Person Maja in Isolationshaft unter widrigsten Bedingungen in einem ungarischen Gefängnis. Nun erklärt das Bundesverfassungsgericht, dass die Auslieferung Majas von Dresden nach Budapest rechtswidrig war. Unterdessen offenbart die Repression gegen zahlreiche weitere Antifaschist:innen den unbedingten Verfolgungswillen des deutschen Staates.
In Ungarn ist Maja angeklagt, als Teil einer Gruppe von Antifaschist:innen im Februar 2023 in Budapest zum sogenannten „Tag der Ehre” Faschist:innen mit Teleskopschlagstöcken angegriffen und verletzt zu haben. Die ungarische Staatsanwaltschaft fordert dafür 14 Jahre Haft unter erschwerten Haftbedingungen. Der „Tag der Ehre” wird von Faschist:innen aus ganz Europa genutzt, um sich in Budapest zu versammeln und – unbehelligt von den ungarischen Behörden – den Verbrechen des Hitler-Faschismus zu huldigen.
Maja wurde daraufhin im Dezember 2023 von deutschen Sicherheitsbehörden in Berlin festgenommen und saß in Untersuchungshaft in der JVA Dresden ein. Nachdem Ungarn die Auslieferung Majas beantragt hatte, erklärte das zuständige Kammergericht in Berlin die Auslieferung Majas für rechtmäßig. Der einstweiligen – von Majas Anwalt erstrittenen – Verfügung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe und auch der darauf folgenden Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die Auslieferung Majas noch zu verhindern, widersetzten sich deutsche und ungarische Behörden.
Druck von Seiten des deutschen Staats auf Ungarn gab es seitdem nicht. Daran ändern auch die mittlerweile bekannt gewordenen, unmenschlichen Haftbedingungen und die Schikane durch die ungarischen Behörden nichts: Maja wird ununterbrochen videoüberwacht, befindet sich 23 Stunden am Tag in Isolation, Lebensmittel und Hygieneprodukte werden verwehrt. Hinzu kommen tägliche Leibesvisitationen, bei denen sich Maja komplett entkleiden muss.
Rechtswidrigkeit ja, Rückkehr nein?
Obwohl das Bundesverfassungsgericht nun am Donnerstagmorgen die Auslieferung als rechtswidrig erklärt hat, bleibt offen, ob und wie sich der deutsche Staat für eine tatsächliche Rückkehr Majas nach Deutschland einsetzen wird. Dass Deutschland diplomatischen Druck auf Ungarn ausüben wird, um die Rückkehr Majas zu erwirken, wird derzeit als unwahrscheinlich bewertet. Majas Anwalt erklärte, dass das gewonnene Verfahren zwar ein großer Erfolg, eine Ende der Isolationshaft aber momentan nicht in Sicht sei. Trotzdem hoffen Maja, der Anwalt sowie die vielen Unterstützer:innen auf eine Verbesserung der Haftbedingungen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist auch deswegen von Bedeutung, weil derzeit noch andere Antifaschist:innen, die in Ungarn angeklagt sind, in deutschen Gefängnissen sitzen. Erst am 20. Januar waren zehn Antifaschist:innen aus dem Untergrund, in dem sie sich über Monate und Jahre der Repression des deutschen Staates entziehen konnten, „aufgetaucht” und hatten sich selbstbestimmt der Polizei gestellt. Die meisten von ihnen hatten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls eine Auslieferung an Ungarn zu befürchten.
Mittlerweile ist aber wenigstens im Fall des Antifaschisten Johann bereits klar, dass keine Auslieferung erfolgen wird – nicht jedoch, weil die deutschen Sicherheitsbehörden ihm die schweren Haftbedingungen in Ungarn ersparen wollen, sondern weil Deutschland Johann vermutlich als einen eigenen politischen Gefangenen betrachtet und plant, ihn wegen seiner unterstellten Verbindung zum sogenannten „Antifa-Ost-Komplex” selbst zu verurteilen und einzusperren.
Prozess gegen Antifaschistin Hanna findet in Deutschland statt
Feindbild Antifaschismus
Im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren wurde unter anderem Lina wegen der vorgeworfenen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Im ebenfalls am Donnerstag angelaufenen Revisionsprozess vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lässt der Staat die Muskeln spielen und zeigt – so die Auswertung des ersten Prozesstages durch die Rote Hilfe – seinen unbedingten Verfolgungswillen und ein Festhalten am Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 StGB: „Der heutige Tag macht deutlich, dass der Staat bei der Verfolgung von Antifaschist*innen keine Grenzen kennt“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe.
Augenscheinlich nutzt der deutsche Staat die zahlreichen laufenden Verfahren gegen Antifaschist:innen, um Exempel zu statuieren: so auch den am 19. Februar in München beginnenden Prozess gegen Hanna, sowie das im März beginnende Verfahren gegen die jahrelang untergetauchte Aktivistin Daniela Klette. Während sich in Deutschland immer stärkerer Protest gegen das Anwachsen faschistischer Kräfte und die offen rassistische Politik der bürgerlichen Parteien von CDU über SPD und Grüne bis hin zum BSW regt, zielt der Staat mit harten Urteilen und Einschüchterungsversuchen darauf ab, die am konsequentesten agierenden Kräfte des Antifaschismus in Deutschland zu zerschlagen und öffentlich zu delegitimieren.
In Reaktion auf die Repression rufen deshalb zunehmend mehr Netzwerke und verschiedene Plattformen zur Solidarität mit den politisch Verfolgten und den Gefangenen auf: Dem Aufbau des Feindbildes „Antifaschismus” gelte es – so die Kernbotschaft dieser Aufrufe – mit dem Herstellen der Verständigung zwischen breiter Bevölkerung und den Verfolgten zu begegnen. Auch zum Schreiben von Briefen an Gefangene wird immer wieder aufgerufen, um so der Isolation und Verzweiflung, die viele von ihnen tagtäglich erfahren, mit Solidarität entgegen zu treten.