Fast einen Monat ist es her, dass sich sieben beschuldigte Antifaschist:innen im Budapest-Komplex gestellt haben. In Hamburg gab es am Freitag eine Veranstaltung von Angehörigen, die über den aktuellen Stand informiert hat.
Am Freitag, dem 14. Februar luden die Gruppen Antifa Hoheluft und Family & Friends Hamburg zu einer Infoveranstaltung über den Stand der Verfahren im Budapest-Komplex und die Lage der inhaftierten Antifaschist:innen in die Rote Flora ein. Etwa 70 Menschen folgten dem Aufruf in eines der letzten besetzten Häuser Deutschlands.
Family & Friends Hamburg ist ein Zusammenschluss aus Angehörigen, Freund:innen und Genoss:innen der beschuldigten Antifaschist:innen im Budapest-Komplex. Ihr Ziel ist es, Öffentlichkeit für die Verfolgten zu schaffen und die Repressionen gegen die Antifaschist:innen und ihre Umfelder in die Allgemeinheit zu tragen. Neben Vorträgen, wie dem in der Roten Flora, beteiligen sie sich darüber hinaus an der Organisation von Pressekonferenzen, Kundgebungen, Demonstrationen oder Podiumsdiskussionen.
Angehörige im Budapest-Komplex: „Aus jungen Antifaschist:innen werden Terrorist:innen gemacht“
Der Budapest-Komplex
Vorgeworfen wird den Antifaschist:innen, am „Tag der Ehre“ in Budapest Faschist:innen angegriffen zu haben. Das Wochenende rund um den 11. Februar gleicht in Budapest einem faschistischen Massen-Event. Und unter der rechten Regierung Victor Orbáns wird ihm wenig entgegengesetzt.
Während des Gedenkens an die 30.000 gestorben NS-Soldaten, die beim Versuch, Budapest im 2. Weltkrieg gegen die Rote Armee zu verteidigen, gefallen sind, verkleiden sich die Teilnehmer:innen teilweise selbst als Wehrmachtssoldat:innen und tragen dabei auch Hakenkreuze und SS-Runen offen zur Schau.
Anders als zuvor konnten sie sich 2023 aber nicht sicher dabei fühlen. Schon am 9. Februar gab es mehrere Angriffsversuche und Konfrontationen durch Antifaschist:innen am Rande des Aufmarschs der Faschist:innen. Auch am 10. und 11. Februar kam es zu Auseinandersetzungen.
Budapest-Komplex: Deutschland und Ungarn Hand in Hand gegen Antifaschismus
Fast einen Monat später: Wie steht es um die aufgetauchten Antifaschist:innen?
Fast einen Monat, nachdem sich am 20. Januar sieben weitere Beschuldigte von sich aus den Repressionsbehörden gestellt haben, ist nun klar, dass sechs der sieben Antifaschist:innen nicht nach Ungarn ausgeliefert werden sollen: Paula, Clara, Nele, Paul, Moritz und Luca bleiben in Deutschland. Auch Johann G., ein Antifaschist, nach dem sowohl im Antifa-Ostverfahren als auch im Budapest-Komplex gefahndet wurde, wird nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena nicht nach Ungarn ausgeliefert werden.
Auslieferung von Maja: Gericht erklärt Rechtswidrigkeit, Repression wird fortgesetzt
Unklar ist die Lage weiterhin für Zaid, der sich ebenfalls am 20. Januar der Polizei stellte und seitdem in Köln inhaftiert ist. Der 21-Jährige hat keine deutsche Staatsbürgerschaft, und gegen ihn liegt – anders als beim Rest der Verfolgten – kein deutscher, sondern nur ein europäischer Haftbefehl aus Ungarn vor.
Auch für Gino, der seit November letzten Jahres in Frankreich festgehalten wird, könnte eine Auslieferung nach Ungarn noch anstehen. Die französische Staatsanwaltschaft fordert die unmittelbare Vollstreckung des europäischen Haftbefehls und damit die Überführung Ginos nach Ungarn. Jedoch wird die entscheidende Anhörung seit Monaten verschoben.
Zwischen Solidarität und Schikane
Auch wenn das Thema kaum ernster sein könnte, sorgten vorgetragene Nachrichten der Gefangenen auch für Lacher und ein Gefühl der Verbundenheit. Denn die Solidarität mit den Verfolgten, die im letzten Monat noch einmal einiges an Fahrt aufgenommen hat, scheint es bis weit hinter die Gefängnismauern zu schaffen.
Verschiedene Gefangene haben sich über die zahlreichen Kundgebungen vor ihren Gefängnissen bedankt. Besonders über die Feuerwerke, die immer wieder vor den Gefängnismauern gezündet werden, freuen sich wohl alle Gefangenen. Es gibt aber auch viel Unmut, vor allem über die willkürlichen Regelungen in den jeweiligen Gefängnissen.
Während manche der Antifaschist:innen sich Bücher, Klamotten und Bettwäsche bringen lassen dürfen, bleibt dies anderen ohne Begründung verwehrt. Die Schikane-Methoden stellen eine besondere psychische Belastung dar. Eine Gefangene berichtet zum Beispiel darüber, dass sie fast zwei Wochen ununterbrochen unter „Sitzbeobachtung“ stand. Heißt: Mindestens ein Beamter der JVA guckt dauerhaft durch das kleine Fenster der Zellentür und beobachtet die Inhaftierte, währenddessen bleibt das Licht in der Zelle 24 Stunden am Tag angeschaltet.
In einer anderen Nachricht erzählt eine der Inhaftierten davon, dass sie den ganzen Tag über nichts als einen Knoppers zu essen bekommen habe und beschwerte sich darüber bei der Richterin, vor die man sie am selben Abend führte. Die soll kurzerhand eine Pizza bestellt haben, woraufhin sich mehrere Beamte des sächsischen LKA beschwerten, dass auch sie Hunger hätten. Die beschuldigte Antifaschistin hatte aber keine Lust, zu teilen.
Wie weiter?
Am Ende der Veranstaltung kam die Frage „wie weiter?“ auf. Die Eltern einer der Verfolgten, die an diesem Abend in der Roten Flora geredet hatten, fanden darauf eine klare Antwort: Sich organisieren und weiterhin zu jeder passenden Gelegenheit auf die Verfolgten aufmerksam machen – nicht nur auf Demos, sondern in der eigenen Familie, der Arbeit und dem Freundeskreis. Das sei auch für sie selbst und die Verfolgten von Anfang an das Wichtigste gewesen: ein solidarisches Umfeld aus politischen Menschen.
Besonders wichtig sei es, aktuell Druck aufzubauen, um die Auslieferung von Zaid nach Ungarn zu verhindern. Es könne nicht sein, dass man weiterhin darüber diskutiere, ihn auszuliefern, während man bereits entschieden habe, dass die Gefangenen mit deutscher Staatsbürgerschaft dort kein faires Verfahren und eine menschenunwürdige Haft erwartet.
Zuletzt gab es von den Eltern den Aufruf, Briefe an die Gefangenen zu schreiben, Spenden für die Rote Hilfe e.V. zu sammeln, Kundgebungen und Demonstrationen zu organisieren, Politiker:innen und anderen Prominenten zur Problematik zu schreiben und generell auf alle erdenkliche Weise Öffentlichkeit zu schaffen. Angehörige der Verfolgten haben außerdem die Petition „Keine Auslieferung nach Ungarn!“ ins Leben gerufen.