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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Bundeswehrgeneral: „Wir befinden uns nicht mehr im Frieden“ – Warum sagt er das?

In einem Interview zum „Operationsplan Deutschland“ spricht ein deutscher General davon, dass „wir uns nicht im Krieg befinden, aber auch nicht im Frieden“. So soll eine weitere Militarisierung der Gesellschaft legitimiert werden. Gleichzeitig sagt diese Aussage viel über die Gesellschaft aus, in der wir leben. – Ein Kommentar von Matthias Goeter.

Spätestens mit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 und der damit einhergehenden Zuspitzung der imperialistischen Konfrontation zwischen Russland und einem europäisch-transatlantischen Machtblock wird auch in Deutschland wieder aufgerüstet: Scholz’ „Zeitenwende“ und das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen der Bundeswehr; die schrittweise Wiedereinführung der Wehrpflicht; die Debatten über zu schaffende „Kriegstüchtigkeit“ der Bevölkerung; die geplante Abschaffung von Zivilklauseln an den Unis; Planungen für dauerhaft erhöhte Militärausgaben oder zuletzt der sogenannte „Operationsplan Deutschland” – die Herrschenden planen wieder mit Krieg, und wir sollen mitmachen.

André Bodemann, Generalleutnant der Bundeswehr und Verantwortlicher für den Operationsplan Deutschland, bezeichnete die aktuelle Situation in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk Mitte Januar wie folgt: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir befinden uns schon lange nicht mehr im Frieden.“ – Eine brisante Aussage.

Im gleichen Interview spricht er auch von möglichen russischen Schläferzellen in Deutschland und Indizien für russische Angriffspläne auf NATO-Staaten in Osteuropa, ohne diese weiter zu konkretisieren.

Deutscher Staat mit Rundumschlag: Der Operationsplan Deutschland

Operationsplan Deutschland – Logistik und Hinterland zukünftiger Kriege

Interviews wie diese sollen die Gesellschaft über mögliche Kriege verunsichern, eine abstrakte Drohkulisse und damit die Legitimation für eine fortschreitende Aufrüstung und Militarisierung schaffen. Sie stehen damit sinnbildlich für die gezielten, auf unterschiedlichen Ebenen stattfindenden Vorbereitungen auf kommende Kriege. Diese zielen auch immer stärker auf die Vermischung von Militärischem und Zivilem und eine breitere Einbindung der Zivilgesellschaft ab.

Ein Teil dieser Vorbereitungen ist auch der genannte Operationsplan Deutschland, der seinerseits in größere NATO-Planspiele für eine mögliche militärische Konfrontation mit Russland eingebunden ist. Zusammengefasst geht dieser davon aus, dass einerseits die größten Teile der deutschen Bundeswehr unmittelbar in ein Kriegsgeschehen eingebunden wären, andererseits Deutschland durch seine zentrale Lage in Europa eine strategische Bedeutung sowohl als Logistik-Drehscheibe, als auch Hinterland eines möglichen Krieges zukomme.

Mit dem Operationsplan Deutschland soll letzterer Punkt gewährleistet werden: So umfasst das in den Details geheime Strategiepapier eine detaillierte Übersicht über die Verkehrs- und kritische Infrastruktur in Deutschland und sieht die Schaffung sogenannter „Heimatschutzkompanien” vor, mit deren Aufbau bereits begonnen wurde. Diese bestehen aus Reservist:innen und sollen in einem Krieg eben jene Infrastruktur sowie Militäreinrichtungen schützen.

Hinzu kommt die Mobilisierung der Zivilbevölkerung für den Krieg: So umfasst der Operationsplan auch Planungen für Krankenhäuser zur Versorgung von Verwundeten oder Dienstleistungsverträge mit zivilen Unternehmen, die beispielsweise für die Versorgung von Soldat:innen auf der Durchreise durch Deutschland zuständig wären.

Auch enthält er explizit die Einbindung von ehrenamtlichen Organisationen wie das Rote Kreuz für die moralische Unterstützung, sowie prinzipielle, allgemeinere Hinweise an die deutsche Wirtschaft, wie sie sich in einem Kriegsfall aufstellen sollte. Hierzu gab es bereits schon entsprechende Vorträge bei Handelskammern, um „eine gut vorbereitete und widerstandsfähige Wirtschaft für die zivile und militärische Verteidigung Deutschlands“ zu schaffen.

„Operationsplan Deutschland“: Wenn Unternehmen auf ihre Rolle im Krieg gegen Russland vorbereitet werden

Im Kapitalismus kann es keinen Frieden geben

Weitere Beispiele für eine fortschreitende Aufrüstung und innere Mobilmachung der Gesellschaft gibt es noch viele. Sie alle entspringen der selben Logik:
Der Kapitalismus in Deutschland befindet sich aktuell mitten in einer sich verschärfenden Krise, nachdem die Folgen der letzten große Krise von 2008/2009 noch kaum überwunden sind und durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine weiter verstärkt wurden. Ausdruck hiervon sind ein Einbruch des Wirtschaftswachstums und der gleichzeitige Versuch, die Krisenfolgen in Form von Entlassungen, Angriffen auf das Lohnniveau oder Sozialkürzungen auf die Arbeiter:innenklasse abzuwälzen.

Außenpolitisch können wir die Verschärfung der kapitalistischen Krise in einer verstärkten Konfrontation verschiedener Machtblöcke beobachten: Dies zeigen nicht nur die aktuellen Kriege wie in der Ukraine oder Syrien. Hinzu kommen gegenseitige Sanktionen (nicht nur gegen Russland), um die eigene Ökonomie zu schützen und konkurrierenden Wirtschaften zu schaden, und außerdem sich verschärfende Auseinandersetzungen um den Zugriff auf Rohstoffe und geostrategisch wichtige Regionen auf der Welt.

All dies bezweckt, die Stellung der eigenen Wirtschaft – und damit der eigenen Kapitalist:innen – in der globalen Konkurrenz zu verbessern. Es gilt, die Krisenfolgen auf andere abzuwälzen und im Idealfall dabei noch selbst von der Krise zu profitieren, indem z.B. schwächere Gegenspieler geschluckt werden. Das Ganze geschieht frei nach dem Motto: fressen oder gefressen werden.

Der Übergang zwischen Krieg und Frieden ist dabei fließend und wird bestimmt durch die jeweiligen Interessen, sowie die unterschiedlichen Chancen ihrer Durchsetzung.
Wenn nun ein Bundeswehrgeneral sagt, dass wir uns nicht mehr im Frieden befänden, aber auch noch nicht im Krieg, heißt das mit anderen Worten: die BRD ist nicht mehr in der Lage, die Interessen deutscher Kapitalist:innen ausschließlich mit friedlichen Mitteln durchzusetzen, aber auch noch nicht dazu fähig, sie militärisch zu erzwingen.

Einmal mehr wird deutlich: Im Kapitalismus kann es keinen Frieden geben, denn Krieg ist nichts anderes, als die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Und diese Politik ist derzeit nun einmal auf globalen Konkurrenzkampf ausgerichtet.

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