Die CDU/CSU unter Spitzenkandidat Friedrich Merz macht bereits jetzt klar, dass sie die Verkehrspolitik der Ampelregierung nicht weiterführen will. Was die Union für das Schienennetz, die Deutsche Bahn und die Reisenden in Deutschland plant.
Die Umfragen zur kommenden Bundestagswahl am 23. Februar sprechen eine eindeutige Sprache. In allen Prognosen ist die CDU/CSU deutlich stärkste Kraft. Damit gilt Stand heute die Kanzlerschaft von Friedrich Merz als sehr wahrscheinlich. Es lohnt sich, einen Blick auf die Pläne der Union für den deutschen Schienenverkehr und damit insbesondere die Deutsche Bahn zu werfen.
Die Deutsche Bahn hat in den Augen der Bevölkerung an Vertrauen verloren. Grund dafür sind Verspätungen, Ausfälle, überfüllte Züge, Verzögerungen im Betriebsablauf oder kaputte Klimaanlagen. Hinzu kommen Millionen-Boni für den Vorstand. Trotzdem steigen Jahr für Jahr die Ticketpreise im Nah- und Fernverkehr. Um den Bahnverkehr in Deutschland zu verbessern, beschloss die Ampelregierung unter Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos, ehemals FDP) ab 2022 drei Maßnahmen:
- Das 9-Euro-Ticket und das anschließende Deutschlandticket sollten den Nahverkehr wieder erschwinglicher machen.
- Durch Generalsanierungen sollte außerdem das Bahnnetz effizienter und nachhaltig gestaltet werden.
- Die Infrastruktursparten der Deutschen Bahn wurden innerhalb des Konzerns in der neuen gemeinwohlorientieren Gesellschaft InfraGO zusammengefasst.
Zukunft des Deutschlandtickets infrage
In die Zeit der Ampelregierung fiel die Einführung von 9-Euro-Ticket und Deutschlandticket. Als Reaktion auf die steigende Inflation ab dem Frühjahr 2022 ermöglichten die Tickets Millionen von Menschen eine günstigere Nutzung des ÖPNV in ganz Deutschland. Der Monatspreis des Deutschlandtickets wurde 2025 von 49 auf 58 Euro erhöht. Aktuell nutzen über 13 Millionen Menschen das Angebot.
Doch trotz Preiserhöhung könnte das Deutschlandticket dieses Jahr schon wieder gestoppt werden. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU, Christian Haase, erklärte in dieser Woche, das Ticket sei über 2025 hinaus „nicht zu finanzieren“. Er wolle mit der Streichung „Mitnahmeeffekte“ verhindern, will aber nach eigener Angabe gleichzeitig „mehr in den ÖPNV investieren“.
Schon Mitte 2024 forderte etwa die CDU Hessen das Ende des Deutschlandtickets. Kanzlerkandidat Friedrich Merz fand bisher noch keine klaren Worte zum Deutschlandticket. Auch im Wahlprogramm positioniert sich die Union nicht zum Ticket.
Verkehrsverbünde, Umweltorganisationen, Mobilitätsbündnisse oder Verbraucherzentralen reagierten stark ablehnend auf die Vorschläge. So gefährde die Abschaffung nicht nur ärmere Menschen und Pendler:innen, sondern auch Deutschlands Ziele im Klimaschutz und der Verkehrswende. Vergangene Woche berichtete der Expertenrat für Klimafragen, dass der Verkehrssektor in Deutschland als einziger in den vergangenen zwei Jahren seine Emissionen nicht senken konnte – sie stiegen sogar.
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Die Generalsanierungen auf dem Prüfstand
Bei dem Vorgehen zur Generalsanierung im Bahnverkehr wird mit der bisherigen Herangehensweise an Umbauten im Schienennetz gebrochen. Statt immer wieder kleinere Arbeiten im laufenden Betrieb oder bei Teilsperrungen durchzuführen, werden ganze Strecken für mehrere Monate vollgesperrt. In dieser Zeit sollen dann möglichst viele Arbeiten von Gleisen bis Oberleitungen, Stellwerke oder Bahnsteige gleichzeitig erfolgen. Dadurch sollen anschließend für viele Jahre keine Bauarbeiten mehr nötig sein.
Als erstes Projekt wurde im Dezember 2024 die Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim (auch bekannt als „Riedbahn“) für über eine Milliarde Euro Baukosten abgeschlossen. Dieses Jahr sollen die Strecken von Oberhausen in die Niederlande und von Berlin nach Hamburg starten. Im aktuellen Zeitplan sollen so bis 2030 über 4.000 Streckenkilometer saniert werden.
Doch schon vor der Bundestagswahl stellen CDU/CSU die Sanierungspläne in Frage. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Ulrich Lange (CSU), beschreibt die Sanierungen als „Mogelpackung“. Seinen Angaben zufolge werde die Union als Regierungspartei jede der geplanten 41 Sanierungen „einzeln anschauen und entscheiden, was nötig und sinnvoll ist“.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Lokführer Detlef Müller kritisiert diese 180-Grad-Wende als unverantwortlich, da sie „nur der politischen Profilierung diene“. Aktuell sind bis ins Jahr 2030 jährlich mehrere Sanierungen geplant. Eine einzelne Überprüfung jedes Projektes dürfte diese Pläne erheblich verzögern.
Für viele Expert:innen sind die Ausmaße der aktuellen Generalsanierung ein Eingeständnis jahrzehntelanger falscher Bahnpolitik. Der Verkehrswissenschaftler Christian Böttger beschreibt, Deutschland stehe aktuell vor den „Scherben von 20 Jahren Eisenbahnpolitik“. Aus Spargründen wurde insbesondere nach der Privatisierung der Deutschen Bahn ab 1993 Infrastruktur eher stillgelegt als ausgebaut. Kritisiert werden besonders auch die deutschen Verkehrsminister zwischen 2009 und 2021, allesamt Mitglieder der CSU. Für sie habe der Fokus eher auf der in Bayern beheimateten Autoindustrie und dem Autobahnbau gelegen.
Mögliche Zerschlagung „Nebelkerze fachfremder Opportunisten“
Aktuelle Pläne der CDU/CSU legen gar eine Zerschlagung der Deutschen Bahn nahe. Zukünftig soll die Schieneninfrastruktur analog zum deutschen Autobahnnetz aus der Deutschen Bahn in eine bundeseigene GmbH überführt werden. Die DB soll anschließend nur noch die Züge im Streckennetz betreiben und dort in Konkurrenz zu anderen Unternehmen treten. Die Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ging gegen diese Pläne bereits im Oktober 2024 auf die Straße. Für die EVG ist das Vorhaben ein Angriff auf Arbeitsplätze und die gemeinsame Tarifpolitik.
Seit dem Verkauf der Logistiktochter DB-Schenker im Oktober 2024 drohen dort ebenfalls Entlassungen. Gegen den Verkauf hatte unter anderem die EVG gestimmt, die mit zwei Sitzen im Aufsichtsrat vertreten ist. Sie befürchtet, dass viele der weltweit über 70.000 Jobs bei der Tochtergesellschaft, vor allem in Deutschland, gestrichen werden.
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Der noch amtierende Verkehrsminister Volker Wissing kritisiert die Pläne als „vermeintlich einfache Lösung für ein komplexes Problem“. Wissing machte die Generalsanierung 2022 zur „Chefsache“ und sieht diese als wichtigsten Ausweg aus der Bahnkrise. EVG-Chef Martin Burkert bezeichnete die aktuellen Zerschlagungspläne der Union als „Nebelkerze fachfremder Opportunisten, um auf Kosten der Beschäftigten die Interessen der neoliberalen Wettbewerbslobby durchzusetzen“.