„DeepSeek“ ist aktuell in aller Munde. Das KI-Unternehmen aus der chinesischen Stadt Hangzhou hat nicht nur im Silicon Valley und bei US-amerikanischen Tech-Milliardären, sondern auch auf der Wall Street und in der EU für Aufruhr gesorgt. Was steckt hinter dem Hype?
Spätestens seit der Veröffentlichung des neuen „DeepSeek V3“-Modells werden die meisten schon einmal etwas von dem chinesischen Start-up DeepSeek gehört haben. Dieses hat es nämlich geschafft, eine Künstliche Intelligenz (KI) auf den Markt zu bringen, die es mit ChatGPT, Google Gemini oder Jasper AI aufnehmen kann und sie in einigen Tests sogar übertrifft.
Eine Nachricht, die erst einmal nicht sehr spektakulär wirkt. US-amerikanische Konzerne dominieren den KI-Markt, chinesische Tech-Konzerne ziehen nach. Der Schockeffekt, den DeepSeek auf das Silicon Valley und die Wallstreet hatte, wurde durch die bahnbrechende Effizienz der von den chinesischen Wissenschaftler:innen entwickelten Software ausgelöst.
Denn die Entwicklung des neuen KI-Modells von DeepSeek hat Liang Wenfeng, den Gründer von DeepSeek, nur einen Fünfzigstel des Geldes gekostet, das Firmen wie OpenAI oder Google für die Entwicklung ihrer Modelle ausgeben mussten. Außerdem veröffentlicht DeepSeek sein Modell als Open-Source – das heißt, dass der Code von jedem kostenfrei eingesehen und genutzt werden kann. So spielt DeepSeek direkt in einer Liga mit den ganz Großen und stellt gleichzeitig das bisherige Konzept und Verständnis von der Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz infrage.
Künstliche Intelligenz beim Militär: „Autonome Kriegsführung”
Die USA gegen China – wer gewinnt das KI-Rennen?
Kurz vor dem DeepSeek-Schock wurden in den USA Investitionen beschlossen, die als wegweisend gelten: Bis zu 500 Milliarden Euro will die neue Trump-Administration in das neue „Stargate“-Projekt stecken. Stargate ist ein Programm, dass erst vor kurzem gemeinsam von dem OpenAI-CEO Sam Altman, dem SoftBank-CEO Masayoshi Son und dem Oracle-Vorstand Larry Ellison gegründet wurde. Trump zufolge handele es sich um das größte KI-Infrastrukturprojekt der Geschichte.
Fließen soll das Geld vor allem in die Infrastruktur, die Unternehmen wie OpenAI für ihre Software-Entwicklung und -Instandhaltung nutzen. Es geht um gigantische Server-Standorte, Computerchips und Unmengen an Strom und Wasser, die für die KI-Modelle benötigt werden. Wegweisend war das Projekt zumindest, bis nun DeepSeek V3 online kam.
Das chinesische Start-up hatte es geschafft, die Leistungen der großen künstlichen Intelligenzen aus der USA zu übertreffen, ohne dafür auf eine immer schnellere und größere Erweiterung der materiellen Ressourcen zu setzen. Einer der Faktoren, der die Innovation laut der Tech-Journalistin Karen Hao aus Hongkong begünstigt habe, sei der Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China.
Wirtschaftskrieg zwischen USA und China verschärft sich weiter
Effizienz und Experimentieren statt mehr Hardware
Wegen der immer restriktiveren Einreise- und Einbürgerungsregelungen in den USA hätten sich immer mehr chinesische Forscher:innen dazu entschieden, in ihrem Heimatland zu arbeiten. So habe sich laut Hao eine kritische Masse an klugen Köpfen gebildet. Eine weiterer vorantreibende Rolle sollen die durch Handelsembargos begrenzten Ressourcen gespielt haben. Unter anderem der Mangel an leistungsstarken H100-Chips von Nvidia habe dazu geführt, dass die Entwickler:innen von Anfang an auf Forschung und nicht auf die Erweiterung der Infrastruktur gesetzt haben.
Und auch andere Player auf dem chinesischen Markt holen im sogenannten „KI-Krieg“ immer weiter auf: Erst am Mittwoch veröffentlichte der Tech-Gigant Alibaba eine neue Version seines eigenen KI-Modells „Qwen“. „Qwen 2.5-Max” soll noch einmal leistungsfähiger und effizienter sein als ChatGPT, DeepSeek und alle anderen großen KI-Modelle.
Auch ByteDance, die Firma hinter TikTok, sowie Baidu und Tencent haben in den letzten Tagen eigene KI-Modelle auf den Markt gebracht. Dabei versucht jedes Unternehmen, die anderen im Kosten-Nutzen-Verhältnis zu unterbieten. Im Gegensatz zum nur 200 Mitarbeiter:innen starken DeepSeek stehen hinter seinen Konkurrenten zum Teil hunderttausende Beschäftige und ein enormes Kapital.
Aber auch Liang Wenfeng, der Gründer von DeepSeek, ist kein unbeschriebenes Blatt: Als Hedge-Fonds-Manager wurde Wenfeng bereits in jungen Jahren zum Milliardär, was DeepSeek wiederum gewisse Freiheiten verschafft: Da er das Unternehmen bisher eher als Nebenprojekt führte und privat finanzierte, sahen sich die Arbeiter:innen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht dem ständigen Marktdruck durch Konkurrenz mit anderen KI-Unternehmen ausgesetzt. Dies verschaffte ihnen mehr Freiraum um zu experimentieren. Ob sich das nun mit der veränderten Bedeutung des Unternehmens ändern wird, bleibt abzuwarten.
Wurde die EU abgehängt?
Während die chinesischen und US-amerikanischen Giganten in ihrem Konkurrenzkampf immer effizientere und schlauere KI-Modelle auf den Markt werfen und hunderte von Milliarden Dollar in ihre technische Infrastruktur pumpen, scheint die Europäische Union eher an der Seitenlinie zu stehen.
Zwar hätte Europa laut dem Kommissionssprecher Thomas Regnier „alles, was es braucht, um bei der vertrauenswürdigen KI führend zu sein: Spitzentalente, Supercomputer von Weltklasse und innovative Start-ups“, doch fehlen bis jetzt die relevanten Ergebnisse. Andere, wie Volker Wissing (ehemals FDP), fordern mehr Risikokapital und eine Kapitalmarktunion, um den europäischen Markt für junge Talente aus der KI-Branche attraktiver zu machen.
Amerikanische KI-Unternehmen wettern gegen DeepSeek
Mit der Veröffentlichung des neuen DeepSeek-Modells sind auch Stimmen, vor allem aus den USA, laut geworden, die Liang Wenfeng vorwerfen, dass seine Firma eine Marionette der chinesischen Regierung sei und die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas verbreite. Grund dafür ist, dass DeepSeek nach chinesischen Recht handelt, und die KI zum Beispiel gewisse regierungskritische Fragen nicht beantwortet. Dem steht entgegen, dass das Modell Open-Source ist, was es – vorausgesetzt, dass man die nötige Hardware besitzt, um das Modell auf dem gewünschten Level laufen zu lassen – jeder:m ermöglicht, das Modell herunterzuladen und die von der chinesischen Regierung vorgeschriebenen Filter und Moderationsmaßnahmen zu entfernen.
Außerdem wirft unter anderem OpenAI der chinesischen Firma vor, ChatGPT genutzt zu haben, um ihr eigenes KI-Modell zu trainieren – eine Praxis, die in der Branche sehr gängig, nach den Nutzungsbedingungen von ChatGPT aber offiziell verboten ist. Zudem werfen viele OpenAI eine gewisse Doppelmoral vor: Es sei ein offenes Geheimnis, dass das Unternehmen selbst Unmengen an Nutzerdaten von verschiedensten Plattformen klaute, um sein Modell zu entwickeln.
Dass DeepSeek enge Verbindungen zur chinesischen Regierung hat, sollte nicht verwundern. Doch genauso wenig darf man vergessen, dass auch alle großen Tech-Unternehmer in den USA um Trumps Gunst buhlen: sei es Elon Musk, der mit seiner eigenen Behörde selbst Teil der amerikanischen Regierung geworden ist, oder seien es Mark Zuckerberg, Jeff Bezos oder Sam Altman, die bei Trumps Vereidigung zu Gast waren.
Welche Gefahren birgt künstliche Intelligenz?
Jede künstliche Intelligenz hat, auch wenn es ihre Entwickler:innen nicht zugeben wollen, einen „Bias“, wird also beeinflusst durch die Datensätze, mit denen sie lernt. Genauso sind die Unternehmen hinter den KI-Modellen an die jeweilige Rechtsprechung ihres Landes und letzten Endes auch an deren Politik gebunden, wenn sie von den riesigen Subventionen profitieren wollen.
Und jedes KI-Modell hat Probleme mit Falschinformationen: Fällt es ChatGPT zum Beispiel schwer, eine Frage zu beantworten, wird es einfach irgendwelche Informationen herausgeben oder sich sogar komplett neue Dinge ausdenken. Dieses sogenannte „halluzinieren“ der KI hat sicherlich schon jeder, der sich ein bisschen mit ChatGPT oder anderen Anbietern ausprobiert hat, erlebt.
Auf einer andern Ebene birgt die immer weiter voranschreitende Entwicklung von KI auch wirtschaftliche Gefahren: Zwar entstehen teilweise auch neue Arbeitsplätze und ganze Branchen. Aber in einem System, das von Profitgier und Gewinnmargen getrieben wird, bietet künstliche Intelligenz auch immer größer werdende Möglichkeiten zur Rationalisierung – und damit auch zur Überwachung.
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