Ob bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag in Riesa, der LLL-Demonstration in Berlin oder auf Pro-Palästina-Demos: immer wieder war in den letzten Monaten Polizeigewalt wichtiges Thema. Wir haben mit einer Aktivistin von Pride Rebellion gesprochen, die bei einem antifaschistischen Gegenprotest in Berlin am 14. Dezember von der Polizei angegriffen und verletzt wurde.
Was genau ist am 14. Dezember in Berlin passiert?
Am 14. Dezember 2024 wurde ein geplanter Naziaufmarsch in Friedrichshain erfolgreich blockiert. Die Nazis wollten in Richtung Lichtenberg laufen, doch unsere entschlossene Blockade verhinderte ihr Vorankommen. Schließlich sah sich die Polizei gezwungen, den kleinen Aufmarsch zu evakuieren.
An diesem Tag haben Genoss:innen, wie auch ich, unverhältnismäßige Polizeigewalt erlebt. Am 14. Dezember 2024 befand ich mich in Friedrichshain in der Nähe des Ring-Centers an der Frankfurter Allee, um an einer Gegendemonstration mit über 1.000 Protestierenden gegen einen Naziaufmarsch teilzunehmen. Die Stimmung war angespannt, aber entschlossen, während wir blockierten. Wir standen in der vordersten Reihe direkt am Hamburger Gitter, und ich hielt mich mit beiden Händen daran fest. In der Ferne liefen die Nazis, von der Polizei woanders entlang begleitet, um ihren Marsch fortzuführen.
Gemeinsam mit anderen Demonstrierenden riefen wir lautstark Parolen und rüttelten am Gitter, um unseren Protest auszudrücken. Mit gesenktem Kopf und in Erwartung von CS-Gas setzten wir entschlossen unsere Blockade fort. Kurze Zeit später wurden wir ohne Vorandrohung mit Pfefferspray der Polizei desorientiert, einige erlitten Prellungen, und mir wurde aus dem Nichts heraus mit einem Schlagstock von einem Polizisten hinter dem Gitter der Finger gebrochen, obwohl ich bereits durch das Reizgas handlungsunfähig war.
Was hatte diese Gewalt für Folgen?
Die Folgen dieser Polizeigewalt sind weitreichend. Die offensichtlichste: Den ganzen letzten Monat über hatte ich Schmerzen, musste Medikamente nehmen, musste zu etlichen Arztterminen und trage jetzt schon seit über sechs Wochen einen Gips. Es ist aber nicht nur die Körperverletzung, sondern die massive Einschränkung meiner Lebensqualität: Ich kann zurzeit nicht arbeiten und muss nun mit der Einschränkung meines Einkommens leben. Ich bin wie die meisten in diesem System davon abhängig, Geld zu verdienen, um zu leben.
Ein anderer Aspekt, der in mir hochkam, ist der, dass ich merke, dass ich eine gewisse Zurückhaltung spüre, solche Gewalt wieder zu erfahren. Ich muss jetzt abwägen, ob ich mich an einer Demo beteilige oder ob das Risiko zu hoch ist, dass mein Arm weiter verletzt wird. Diese Art von Repressionen erzeugt ein Angstgefühl und Unsicherheit, sich an weiteren Demonstrationen zu beteiligen. Dabei ist der Kampf legitim. Es ist nicht nur legitim, sich an antifaschistischen Demonstrationen zu beteiligen, sondern eine Notwendigkeit!
Gerade in der letzten Zeit, in welcher der Faschismus immer größere Ausmaße annimmt, müssen wir uns zusammenschließen und ihn bekämpfen. Die Erfahrungen in Riesa oder eben in meinem Fall in Friedrichshain machen deutlich: der deutsche Staat schützt uns nicht. Im Gegenteil, er verstärkt die Gewalt gegen diejenigen, die sich für Veränderungen einsetzen. Denn Polizeigewalt, wie ich sie erlebt habe und wie viele sie immer wieder erleben, ist kein Einzelfall, sondern eine systematische Praxis. Gerade deshalb ist es so wichtig, nicht in Resignation zu verfallen. Wir dürfen diese Einschüchterung nicht unwidersprochen hinnehmen, und wir müssen eine Antwort auf diese Repressionen finden.
Was hat geholfen, diese Angst zu bekämpfen, und was gibt Hoffnung, weiter auf die Straße zu gehen und sich nicht von den Repressionen abschrecken zu lassen?
In erster Linie hat dieser Tag und besonders die darauffolgende Zeit mir deutlicher denn je gezeigt, wie wichtig Zusammenhalt ist, um sich aus dem Gefühl der Ohnmacht und der Isolation, die oft aus Angst entstehen, zu befreien. Solidarität und Zusammenhalt sind unsere stärksten Werkzeuge – sie helfen uns, trotz aller Widrigkeiten weiter zu kämpfen und als gebündelte Kraft sich für eine Welt einzusetzen, in der staatliche Gewalt und Ungerechtigkeit keinen Platz mehr haben.
Genoss:innenschaftlichkeit und Solidarität sind nicht nur eine „tröstende“ Geste, sondern eine politische Erklärung. Dabei ziehen wir Mut und Kraft nicht nur aus unserem eigenen Handeln, sondern auch aus den antifaschistischen und revolutionären Kämpfen vor uns. Sie mussten unter weitaus härteren Bedingungen Widerstand leisten, wurden verfolgt, eingesperrt oder ermordet – und haben dennoch nicht aufgegeben. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit sind keine bloße Erinnerung, sondern ein Auftrag: Sie zeigen uns, dass Widerstand möglich ist und notwendig, selbst wenn die Verhältnisse erdrückend scheinen.
Was also muss unsere Antwort auf die Repressionen sein?
Wir lassen uns nicht einschüchtern. Stattdessen bündeln wir unsere Kräfte, organisieren uns und richten unseren Widerstand gegen das bestehende System. Denn unsere Antwort auf diese Repressionen ist nicht Resignation, sondern Widerstand. Der Angriff auf mich, auf uns alle, ist kein isolierter Vorfall: Er ist Ausdruck eines Systems, das Unterdrückung und Ungerechtigkeit bewusst aufrecht erhält. Doch wir lassen uns nicht spalten oder lähmen. Unsere Antwort auf diese Angriffe ist der gemeinsame Kampf!