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Der Kampf ums Gedenken: 80 Jahre seit der Bombardierung von Dresden 1945

Zum 80. Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg wird in der sächsischen Landeshauptstadt wieder ein großer Nazi-Aufmarsch erwartet. Traditionell versuchen dabei verschiedene Lager, das faschistische „Gedenken“ zu verhindern. In Zeiten einer sich beschleunigenden Faschisierung und Polarisierung verschärft sich auch der Kampf um das „Gedenken“ und die politische Deutungshoheit. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko.

Am 13. Februar 2025 jährt sich die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg durch die Westalliierten. Dass es sich dieses Jahr um den 80. Jahrestag der Zerstörung handelt, verleiht dem Geschehen nochmal mehr Brisanz – zumal kurz vor der Bundestagswahl.

Die Stadt ist für ihr Demonstrationsgeschehen an diesem Datum bekannt. Oft wird auch am anschließenden Samstag noch groß mobilisiert – von allen Seiten. Bekannt dafür sind einerseits die Neonazis und Faschist:innen, die seit über zwanzig Jahren regelmäßig an diesen Daten aufmarschieren, um ihren „Opfermythos“ zu zelebrieren – und das im Stile eines politischen Großereignis der rechten Szene. Dies gelang in der Vergangenheit so gut, dass die Gedenkdemonstration mit bis zu 6.000 Teilnehmer:innen zeitweise als der größte Neonazi-Aufmarsch Europas galt, meist nur in den Schatten gestellt vom sog. „Tag der Ehre“ in Budapest.

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Ebenfalls bekannt sind aber auch die traditionell gegen den rechten Aufmarsch stattfindenden antifaschistischen Gegenproteste. Diese vom Bündnis Dresden WiEdersetzen (ehemals Dresden Nazifrei) organisierten Großdemonstrationen und Blockaden schafften es in der Vergangenheit immer wieder, das faschistische „Gedenken“ signifikant zu stören.

Jedoch war es bisher nicht möglich, den Aufmarsch als solchen zu verunmöglichen. Seit Jahren formiert sich die faschistische Bewegung neu. Das ist beispielsweise dadurch erkennbar, dass ihr parlamentarischer Arm, die AfD, mit ihrer Kranzniederlegung „für die Trümmerfrauen“ dabei inzwischen eine prominente und populistische Rolle spielt. In Zusammenhang mit den Bundestagswahlen, den massenhaften Protesten gegen AfD und CDU, aber auch dem zu erwartenden hohen Wahlergebnisse für eben diese Parteien bekommt der Tag neue Brisanz.

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Kampf ums Gedenken – Kampf um die Köpfe

Dass ausgerechnet ein „Gedenktag“ so einen zentralen Punkt in der politischen Kultur der faschistischen Bewegung einnimmt, ist kein Zufall. Auch international (z.B. „Tag der Ehre“, aber auch Gedenkmärsche zu Nazi-Kollaborateur:innen im Baltikum oder der Ukraine) spielt „Gedenkkultur“ eine zentrale Rolle im Kampf um die politische und ideologische Hegemonie in der Gesellschaft.

Einerseits eignet sich so ein Szenario gut, um sich von rechter Seite her als „Opfer“ zu inszenieren, das gerächt werden müsse. Somit fungiert die heuchlerische Andacht der Faschist:innen als Werkzeug, die Geschichte umzuschreiben. So waren die eigenen Vorfahren dann nicht mehr die Täter des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts, sondern primär in erster Linie die „Opfer“ fremder Angriffe, wie die Bombardierung Dresdens zeige.

Komplizierter wird es nochmal dadurch, dass die Westalliierten natürlich auch selbst nicht aus humanitären Gründen handelten, sondern das „Deutsche Reich“ als imperialistischen Konkurrenten bekämpften. Ja, die Zerstörung Dresdens war zu diesem Zeitpunkt im Februar 1945 rein kriegstechnisch unnötig. Nein, dieser Kriegsakt stellt in keiner Weise die Verbrechen des Nationalsozialismus in den Schatten, sondern fügt dem Zweiten Weltkrieg ein weiteres Kriegsverbrechen hinzu. Die einzige gerechte Position ist somit, sich sowohl gegen den deutschen Faschismus als auch den britischen, französischen und US-Imperialismus zu stellen.

Eine Antwort auf die faschistischen Umtriebe lautet: „Erinnern für eine Zukunft des Miteinanders in Frieden und Demokratie“. Eine große Menschenkette um Dresden dient hier als Aktionsform. Der politische Inhalt ist dabei vergleichbar mit der allseits geforderten „Brandmauer“. Gleich ist der wahre Kern, sich zu erinnern und sich von Faschismus klar abzugrenzen. Gleich ist aber auch die fehlende Konsequenz daraus, sich antifaschistisch zu organisieren. Ein Gedenken wird den Rechtsruck heute ebenso wenig aufhalten wie eine Großdemonstration alle paar Monate.

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Antifaschismus auf der Straße und in den Köpfen

Für diejenigen, die es ernst meinen mit dem „Nie wieder!“, heißt es, selbst aktiv um die Führung des Gedenkens zu kämpfen. Wir sollten den Freiheitskämpfer:innen in den Zeiten des Nationalsozialismus gedenken, den Kommunist:innen, den Saboteur:innen, den Studierendenbewegungen, den Bewegungen im KZ und im Untergrund.

Parteien wie CDU, aber beispielsweise auch die Ampel-Parteien mit ihrer Migrationspolitik, der Aufrüstung und der Repression gegenüber Demonstrationen der letzten Jahre, sind selbst treibende Kräfte der Faschisierung in diesem Land. Wenn wir um die Führung in der antifaschistischen Bewegung kämpfen, dann kämpfen wir auch um ihre Zielrichtung und ihren Inhalt.

Vor uns steht die Aufgabe, die legitimen Kämpfe gegen die wachsende faschistische Bewegung, die Aufrüstung Deutschlands und den Stellen- sowie Sozialabbau mit dem antifaschistischen Kampf zu verbinden. Nur so kann Antifaschismus wieder zu einem aktiven, kämpferischen und erfolgreichen Akt werden.

Der Aufstieg des Faschismus kann nur revolutionär gestoppt werden!

Phillipp Nazarenko
Phillipp Nazarenko
Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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