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Die Linke und der Genozid in Gaza: Warum sich die Partei weiterhin nicht positioniert

Auch nach 17 Monaten des Genozids in Gaza schafft es die Linkspartei nicht, sich klar dagegen zu positionieren. Der Wahlerfolg und Bundestagseinzug kehren das Thema unter den Tisch und bestätigen den Kurs der Parteispitze. – Ein Kommentar von Lukas Mainzer.

Nach der Bundestagswahl am heutigen Sonntag hat die Linkspartei richtig gute Laune. Innerhalb von wenigen Wochen schaffte sie es, ihre Umfragewerte in der sogenannten „Sonntagsfrage“ zu verdoppeln. Schien noch vor kurzem der Einzug in den Bundestag unmöglich, kratzte die Partei in einigen Umfragen schon an zweistelligen Prozentwerten. Die Hochrechnungen von Sonntag Abend gehen von 8,5 Prozent und damit etwa 65 Sitzen für die Linke aus.

Der Grund für den Aufschwung liegt aber nicht in einem neuen oder überzeugenderem Programm, das sich die Partei für die vorgezogene Wahl gegeben hätte. Der Höhenflug begann mit dem „Fall der Brandmauer“ im Bundestag Ende Januar. Als die CDU/CSU zusammen mit AfD, FDP und BSW für die weitere Aushöhlung des Asylrechts stimmte, schaffte es die Linke, sich als einzige Partei im Bundestag nach außen glaubwürdig gegen den Rechtsruck zu stellen. Besonders für jüngere Menschen ist diese Haltung ansprechend und in den sozialen Medien wie zum Beispiel TikTok sehr erfolgreich.

In den aktuellen „Migrations- und Abschiebedebatten“ zeigt die Partei nach außen eine klare Kante. Sie will sich gegen den Rassismus, faschistische Kräfte und den Rechtsruck stellen, der vor allen anderen Parteien keinen Halt macht. Das findet Anklang, auch bei Personen, die ihre politische Heimat vor kurzer Zeit vielleicht noch bei den Grünen oder der SPD sahen. Doch in einem, für viele Linke international aktuell wichtigem Thema, schafft es die Linkspartei, sich weiterhin nicht klar zu positionieren.

Zionist:innen in der Partei

Seit 17 Monaten ist der von Israel besetzte Gazastreifen einem beispiellosen Krieg ausgeliefert. Auch in der West Bank wird die Vertreibung intensiver. Sämtliche Palästinenser:innen, viele Menschenrechtsorganisationen und anerkannte Forscher:innen sprechen mittlerweile von einem Genozid im Gazastreifen – und sogar die englischsprachige Wikipedia. Unter internationalen linken bis sozialistischen Parteien, oder teilweise sogar unter grünen Parteien, wird selbstverständlich von einem Völkermord gesprochen. Auch die EU-Fraktion „The Left“, deren Teil die Linke ist, positioniert sich.

Und die Linkspartei, die sich in ihrem Programm als sozialistisch bezeichnet? Findet auch nach 10 Monaten keine klare Parteilinie. Einzelne Parteimitglieder oder Kreisverbände sind Teil von Palästina-solidarischen Demos, machen auf das Thema aufmerksam und fordern Konsequenzen. Doch eine eindeutige Parteihaltung gibt es nicht.

Im Gegenteil gibt es Personen in der Partei, die komplett gegensätzliche Positionen vertreten. Die Linke hat sich nie kritisch zum Zionismus positioniert, im Gegenteil ihn sogar seit vielen Jahren gefördert. Die gegensätzlichen Strömungen in der Partei zu Israel und Palästina werden etwa auf Parteitagen aktuell sichtbar wie lange nicht mehr. Was dabei am Ende rauskommt, sind lauwarme Kompromisse, die beide Seiten befrieden wollen, aber trotzdem zu Austritten oder Parteiausschlüssen führen.

Die Linke will staatstragend bleiben

Dabei geht es natürlich um mehr als nur Kämpfe um Begrifflichkeiten wie Genozid oder Apartheid. Der deutsche Staat knüpft seine Vergangenheitsbewältigung nach dem Holocaust und die aktuelle „Antisemitismusbekämpfung“ eng an ein Bekenntnis zum israelischen Staat. Das findet Unterstützung über alle bürgerlichen Parteien von AfD bis Grüne hinweg. Zu beobachten war das auch erst kürzlich bei den Abstimmungen zu so den sogenannten Antisemitismusresolutionen. Dort enthielt sich die Linkspartei zwei Mal gemäß der innerparteilichen Spaltung.

Das in Bundestagsreden oder Positionspapieren ausgedrückte „Existenzrecht Israels“ oder das von Heidi Reichinnek während des laufenden Genozids formulierte „selbstverständliche Selbstverteidigungsrecht“, reichen der Staatsräson die Hand. Denn nur unter dem Banner der Staatsräson wäre eine Koalition mit SPD und Grünen überhaupt erst möglich. Die Linke macht also klar: die eigenen zionistischen Kräfte dürfen trotz aller Grausamkeiten Israels in der Partei bleiben. Ein klares Bekenntnis zu Palästina würde dabei das Ansehen der Linkspartei durch die „Parteien der Mitte“ nur noch weiter gefährden.

Der Wahlerfolg unterstützt den Kurs der Partei

Doch abgesehen von Parteimitgliedern – welche Rolle spielt dabei die Wählerschaft? Pro-zionistische Stimmen innerhalb von deutschen Linken sind zwar laut, aber gesamtgesellschaftlich eher marginal. Die aktuelle oder auch neue Wählerschaft der Linkspartei steht nicht ohne Grund in Abgrenzung zur SPD und Grünen. Mit einem klaren Kurs würde sich die Partei auch hier von der gegenwärtigen rassistischen Hetze gegen Palästinenser:innen und der Kriminalisierung ihres Protestes abgrenzen. Doch das tut sie nicht.

Wie die Tausenden neuen Linkspartei-Unterstützer:innen konkret zu Palästina stehen, muss sich natürlich noch zeigen. Doch eins ist klar: Die führenden Köpfe der Partei werden sich in ihrem aktuellen Kurs dank des Wahlerfolgs bestätigt sehen. Die Linke will es sich nicht mit den Zionist:innen verscherzen. Da muss man einen Genozid und seine Unterstützer:innen schon mal aushalten.

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