Zeitung für Solidarität und Widerstand

Im Spiegel der Realität: Die Bundestagswahl 2025

Es kam, wie es kommen musste: Die CDU gewinnt die Wahlen, Friedrich Merz wird der nächste Bundeskanzler. Die Ampelparteien werden abgestraft und die AfD legt historisch zu. Doch es gibt auch eine Entwicklung, die Hoffnung macht. – Ein Kommentar von Ahmad Al-Balah.

Die Bundestagswahl 2025 ist vorüber. Noch werden die letzten Stimmen ausgezählt. Diese werden jedoch am Endresultat keine Veränderungen mehr bewirken. Einige Dinge stehen damit fest.

Die Union aus CDU und CSU wird die nächste Regierung anführen. Die CDU/CSU konnte 28,5% der Stimmabgaben auf sich vereinen. Das entspricht gut 14 Millionen Zweitstimmen von wahlberechtigten Deutschen (+ 4,1% im Vergleich zu 2021). Nach dem Wahlergebnis von 2021 ist es gleichzeitig das zweitschlechteste Ergebnis der CDU/CSU jemals. Über eine Million Stimmen warb sie der FDP ab, knapp eine Million wanderten wiederum zur AfD. Seit November 2024 verlor die Partei laut Umfragen zudem bis zu 8 Prozentpunkte.

Die zweitstärkste Kraft ist mit 20,8% die faschistische AfD, die damit über 10 Millionen Zweitstimmen erhielt und sich damit verdoppelte (+ 10,4%). Sie ist in allen ostdeutschen Bundesländern – ausgenommen Berlin – die stärkste Kraft geworden und wird die größte Oppositionspartei im nächsten Parlament.

Die AfD bei 20 Prozent – Wie konnte es soweit kommen?

Die SPD erhielt mit 16,4%, also gut 8 Millionen Zweitstimmen, die niedrigste Zustimmung jemals (- 9,3%). Sie verlor fast zwei Millionen Wähler:innen an die CDU. Die SPD wird vermutlich dennoch als Koalitionspartner der Union in die nächste Regierung einziehen, wenngleich künftig ohne Olaf Scholz an der Spitze.

Die Grünen kamen auf 11,6% der Zweitstimmen. Knapp 6 Millionen Wahlberechtigte haben für sie gestimmt. Sie wurde von allen Ampelparteien am wenigsten abgestraft (- 3,1%), wird jedoch keine Rolle in der nächsten Regierung spielen. Die meisten Stimmen verlor sie an Die Linke.

Als große Gewinnerin der Wahl kann sich Die Linke  betrachten. Sie bekam 8,8% der Wähler:innenstimmen und verbessert sich damit nicht nur um + 3,9% im Vergleich zu 2021, sondern um unerwartete + 4,8% seit November 2024. In Berlin konnte die Partei gleich vier Direktmandate erzielen.

Die klarsten Verliererinnen der Wahlen sind die FDP mit 4,3% (- 7,1%) und das BSW mit knappen 4,97%. Beide scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Während der FDP-Vorsitzende Christian Lindner als Konsequenz sein Karriereende in der Politik bekanntgab, will Sahra Wagenknecht ihre Partei weiter aufbauen, um 2029 in den nächsten Bundestag einzuziehen.

Die Linke rettet sich in den Bundestag – aber rettet sie auch uns?

Millionen ohne Wahlrecht

Noch immer dürfen rund 22,6 Millionen Menschen in Deutschland nicht über die Gestaltung ihrer Lebensumwelt mit entscheiden: rund 13 Millionen Deutsche dürfen nicht über ihre Zukunft entscheiden, weil sie unter 18 Jahren sind. Wer keinen deutschen Pass besitzt, also ein ausländischer Staatsbürger ist, darf in Deutschland auf Bundesebene nicht wählen – selbst wenn er seit Jahrzehnten hier lebt, hier arbeitet und Steuern zahlt.

Der Ausschluss betreffe rund 14 Prozent der Erwachsenen in Deutschland (ca. 9 Millionen Erwachsene) – „mit einer steigenden Tendenz“, sagt dazu Karoline Zinßer von Die Vielen e.V. gegenüber watson. Diese Menschen würden im Durchschnitt bereits seit 15 Jahren in Deutschland leben, dürften aber nicht bei der politischen Vertretung ihrer Anliegen mitentscheiden.

Die wichtigsten Aspekte der Wahl im Ãœberblick

Entgegen der politisch und gesellschaftlich rechten Entwicklung in Deutschland in den letzten Monaten nahm mit Blick auf die Wahl eine gewisse linke Dynamik an Tempo auf, die Grund zur Hoffnung macht. Die CDU/CSU jedoch konnte – dicht gefolgt von der AfD – vor allem das den Wahlkampf dominierende Thema der „Verbrechensbekämpfung“ für sich entscheiden und auch bei der Wirtschaft extrem punkten.

Allerdings kostete die Union ihre Abstimmung im Schulterschluss mit der AfD unzählige Wähler:innen. Es brachte auch Hundertausende auf die Straße und bewegte ca. eine Million Menschen dazu, taktisch die Linke zu wählen, um zumindest eine nicht-migrant:innenfeindliche Partei im Parlament zu haben.

5-Punkte-Plan: Hunderttausende auf der Straße gegen den Fall der „Brandmauer“

Dabei ist zu verzeichnen, dass durchschnittlich mehr Frauen für Die Linke und SPD gestimmt haben und weniger für CDU und AfD. Dagegen wählten mehr Männer die Union, die FDP und vor allem die AfD.  

Ein Linkstrend zeichnete sich vor allem bei der Jugend ab: bei der U18-Wahl erzielte Die Linke 21%, die SPD 18%, die CDU sowie AfD hingegen mit 15% deutlich weniger als bei der regulären Bundestagswahl. Auffällig dort: In der Altersgruppe 18-24 holte die Partei Die Linke sogar 25% der Stimmen, wenngleich gefolgt von der AfD mit 21%. Je älter die Wähler:innen waren, desto mehr Stimmen erhielten CDU/CSU und SPD.

Beim Bildungsgrad fällt auf, dass Personen mit besonders hohem Bildungsgrad signifikant häufiger die Grünen wählten und signifikant seltener die AfD. Im selben Zusammenhang stimmten deutlich mehr Personen, die ihre finanzielle Lage als schlecht einschätzten, für AfD und Die Linke. Personen mit höheren Einkommen wählten eher die Grünen, CDU/CSU und SPD.

Ein Aspekt, der unterschiedlich bewertet werden kann, ist die hohe Wahlbeteiligung von 82,5%. Dabei wählten die meisten Nicht-Wähler:innen von 2021 diesmal CDU und AfD (jeweils knapp eine Million). Nichtsdestotrotz könnte man insgesamt durchaus von einer Politisierung der Wahlberechtigten sprechen. Auch die ungültigen Stimmabgaben sind um ein Drittel zurückgegangen.

Fazit: die Wahl spiegelt also die derzeitige gesellschaftliche Stimmung in den Ergebnissen wider. Wir konstatieren einen gesellschaftlichen Rechtsruck. Wir sehen aber eben auch eine steigende Politisierung. Und das macht Hoffnung.

Ahmad Al-Balah
Ahmad Al-Balah
Ahmad Al-Balah ist Perspektive-Autor seit 2022. Er lebt und schreibt von Berlin aus. Dort arbeitet Ahmad bei einer NGO, hier schreibt er zu Antifaschismus, den Hintergründen von Imperialismus und dem Klassenkampf in Deutschland. Ahmad gilt in Berlin als Fußballtalent - über die Kreisliga ging’s jedoch nie hinaus.

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!