Trump nennt Selenskyj einen Kriegstreiber und will sich mit Putin treffen. Für die sozialdemokratischen und liberalen Politiker:innen Europas bricht scheinbar eine Welt zusammen. Was hat es mit dem neuen Kurs des US-Imperialismus auf sich? – Ein Kommentar von Alex Lehmann.
Donald Trump, der alte neue Präsident der USA, hat es wieder einmal in alle Schlagzeilen der Welt geschafft. Grund sind Verhandlungen zwischen den USA und Russland über das Ende des Ukraine-Krieges in der saudischen Hauptstadt Riad. Getroffen haben sich die Außenminister der beiden Staaten, Marco Rubio und Sergej Lawrow.
Ziel und Zweck dieses ersten Treffens war es, einen Schritt in Richtung Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu gehen. Unter anderem wurde verhandelt, dass die Botschaften im jeweils anderen Land wieder besetzt werden sollen. Nach der russischen Offensive gegen die Ukraine hatten beide Länder ihre Botschafter zurückgezogen.
Außerdem wurde über die erneute Aufnahme wirtschaftlicher Zusammenarbeit und das Ende des Ukraine-Krieges gesprochen. Gerade Letzteres sorgte in einigen europäischen Ländern und vor allem in der Ukraine für Unverständnis und Missmut, denn zu den Gesprächen wurden weder Vertreter:innen aus der Ukraine noch ihrer europäischen Verbündeten eingeladen.
Konkrete Friedenspläne sind auf dem Treffen aber anscheinend nicht erarbeitet worden. Ein Ziel der USA ist es aber offensichtlich eine internationale Friedenstruppe – ohne US-Soldaten – in die Ukraine zu schicken. Der US-Präsident will die Staaten der EU generell dazu bringen, einen Großteil der finanziellen und militärischen Hilfe an die die Ukraine zu übernehmen. Seltene Erden aus der Ukraine will er sich trotzdem liefern lassen.
Der Ukraine-Krieg: Ein Lehrstück des Imperialismus
Was durch die aktuellen Gespräche zwischen Russland und den USA vielleicht noch klarer als je zuvor geworden ist: Dieser Krieg ist ein imperialistischer Stellvertreterkrieg. Durch ihre geografische Lage als Durchmarschgebiet zwischen Mitteleuropa, Russland, dem Kaukasus und dem Balkan stand die Ukraine schon immer im Visier der imperialistischen Großmächte. Zumindest im Kampf um die Aufteilung Europas.
Denn das ist es letztendlich, wonach alle Imperialisten streben. Mit dem kleinen Unterschied, dass es meist nicht nur um Europa, sondern die Hegemonie über die ganze Welt geht. Alle Monopole und die hinter ihnen stehenden Staaten streben ständig nach neuen Absatzmärkten, Handelsrouten, Rohstoffquellen und günstigen Arbeitskräften, um sich gegenüber ihren Konkurrenten einen Vorteil zu verschaffen.
Darum ist der Ukraine-Krieg ein imperialistischer Stellvertreterkrieg
Welches Interesse der russische Imperialismus an der Ukraine hat ist klar: Für ihn geht es um die Frage, ob er es schafft, eine imperialistische Weltmacht zu bleiben oder im Konkurrenzkampf untergeht. Es gilt das Motto: „fressen oder gefressen werden.“
Auch die Interessen des US-Imperialismus waren bisher nicht schwer zu analysieren: die eigene Einflusssphäre in Eurasien bis an die Grenze Russlands ausdehnen und gleichzeitig verhindern, dass sich der deutsche und der russische Imperialismus verbünden. Dafür ist die Kontrolle über die Ukraine zentral.
Und bis jetzt haben sie diese Ziele auch erreicht. Das wirtschaftliche Bündnis zwischen Deutschland und Russland ist mit der erneuten Eskalation des Konflikts zerbrochen, Russlands militärische und wirtschaftliche Kraft ist durch den Sieg geschwächt und die USA sind drauf und dran, sich unbegrenzten Zugang zu den Bodenschätzen der Ukraine zu verschaffen. Warum schwenken die USA jetzt um?
Die neue Außenpolitik der USA
Der US-Präsident spricht von Selenskyj als Diktator, macht ihn für das Anhalten des Krieges verantwortlich, lehnt eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ab und macht klar, dass verlorene Gebiete nicht wiedererobert werden sollen. Der US-Vizepräsident tritt auf der Münchener Sicherheitskonferenz auf, kritisiert angebliche demokratische Einschränkungen gegen rechte Parteien und trifft sich danach mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel.
MSC: Transatlantischer Bruch und die Lösung der Ukraine-Frage
Die Welt und die transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und Europa scheinen auf dem Kopf zu stehen, vor allem im Vergleich zur Biden-Administration. Die gesamte westliche Propaganda von der Ukraine als Verteidigerin der westlichen Freiheit der letzten Jahre wird einfach so hinweggefegt. Was steht hinter der neuen Außenpolitik der USA?
Zuerst einmal muss man sich klarmachen, dass Trump, Musk und Co. nicht einfach irgendwelche Verrückten sind, auch wenn sie öfter so daherkommen. Hinter dem neuen Kurs des US-Imperialismus stehen wirtschaftliche und geopolitische Interessen. Interessen, die schon vorher immer wieder an die Oberfläche getreten sind, aber jetzt radikaler und wesentlich aggressiver von Trumps Regierung umgesetzt werden. So war schon lange vor Trumps Amtsantritt klar, dass sich die USA eigentlich auf einen anderen und wesentlich mächtigeren Gegner als Russland konzentrieren müssen: China. Deshalb lag und liegt es auch nicht in ihrem Interesse andere lokale Konflikte – wie eben den Ukraine-Krieg oder israelischen Krieg in Westasien – über ein gewisses Maß hinaus eskalieren zu lassen.
Um diese Pläne in die Tat umzusetzen, ist es zunächst nötig, die alten Gegner militärisch auszuschalten – wie es zum Beispiel das Ziel von Trumps Gaza-Plänen ist –, mit ihnen übereinzukommen und im Idealfall noch andere die Drecksarbeit machen zu lassen.
Trump will Gaza „säubern“ und Palästinenser:innen zur Umsiedlung zwingen
Eine weitere Aufgabe des US-Imperialismus wird es in diesem Sinne sein, sich trotz alledem nicht zu weit von den bisherigen Bündnispartnern zu isolieren und weiterhin Hegemonialmacht zu bleiben. Führt man sich diese Dinge vor Augen, wird auch klar, warum Trump und sein Gefolge so große Fans der AfD sind. Die steht nämlich für genau das: Annäherung an Russland bei gleichzeitig engen transatlantischen Beziehungen. Was vor ein paar Monaten noch ein riesiger Widerspruch gewesen wäre, ließe sich jetzt, da die USA wieder die Nähe zu Russland suchen, ohne allzu große Widerstände umsetzen.
Klasse gegen Klasse – bis der Frieden siegt!
Wir sehen also: Sowohl Russland als auch den USA geht es nicht um die Leben der ukrainischen und russischen Soldat:innen oder etwa darum, dass endlich Frieden für die Bevölkerung einkehrt. Ihnen geht es vor allem um ihre eigenen imperialistischen Interessen und ihre eigene Stellung im Kampf um die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft.
Und selbst wenn Putin und Trump in naher Zukunft einen Frieden aushandeln, der den Arbeiter:innen und Soldat:innen beider Ländern vorerst eine Atempause verschaffen kann, wirdl der nächste Krieg nicht lange auf sich warten lassen. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt unter den Bonzen und Monopolen wird unaufhörlich weitergehen, und vielleicht stehen wir schon bald auf den Straßen gegen den nächsten Krieg.
Dieses blutige Spiel der Herrschenden wird weitergehen, solange wir den Kampf nicht selbst in die Hand nehmen und aufhören nach ihren Regeln zu spielen – so lange, bis alle Arbeiter:innen und Unterdrückten dieser Welt erkannt haben, dass ihr Feind nicht neben, sondern über ihnen steht.