Zeitung für Solidarität und Widerstand

„Grünbuch ZMZ“: So sollen wir in einen Krieg 2030 eingebunden werden

Das „Grünbuch ZMZ 4.0“ skizziert ein mögliches Kriegsszenario in Europa für das Jahr 2030 und leitet daraus Handlungsempfehlungen für Deutschland ab. Sie alle zielen auf eine weitere Aufrüstung und Militarisierung im Innern ab – zum Nachteil der Bevölkerung.

Am 30. Januar veröffentlichte das Zukunftsforum öffentliche Sicherheit (ZOES) sein „Grünbuch ZMZ 4.0“, das für einen militärischen Krisenfall „eine Situationsbeschreibung, Analyse und Handlungsempfehlungen“ liefern soll. Hinter dem ZOES verbirgt sich eine Lobby-Organisation, die ursprünglich von Bundestagsabgeordneten gegründet wurde und eng mit dem Staat, Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr verwoben ist. Zu seinen Mitglieder:innen gehören mittlerweile „ausgewählte Persönlichkeiten“ aus Politik, Sicherheitswirtschaft, einzelner Universitäten aber auch Organisationen wie der deutsche Feuerwehrverband oder die Malteser und dauerhafte Vertreter:innen diverser Bundesbehörden.

Als Herausgeber:innen werden fünf Bundestagsabgeordnete der CDU, SPD, FDP, Grüne und der Partei die Linke genannt. Die maßgebliche Erarbeitung lag jedoch bei einer Arbeitsgruppe aus mehreren ehemaligen hochrangigen Beamt:innen, Offizieren im Generalstab des territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, aus dem Verfassungsschutz, einer privaten Beratungsfirma und einem Vertreter der Malteser.

Spätestens an dieser Stelle sollte klar werden, in welche Richtung das Grünbuch ZMZ geht: Durch die Herausgeberschaft von Vertreter:innen aller Fraktionen des Bundestages mit Ausnahme der AfD wird deutlich, dass es in den, durch unterschiedliche Parteien vertretenen Kapitalfraktionen in Deutschland keine grundlegenden Widersprüche in Bezug auf Aufrüstung und Militarisierung geben wird.

Weitere Verschärfung der Konfrontation mit Russland

Als Ausgangslage wird ein mögliches Szenario ausgehend von heute bis ins Jahr 2030 zugrunde gelegt. Der Versuch einer wirtschaftlichen Integration Russlands unter europäische Interessen wird bereits seit 2014 und der Annektion der Krim als gescheitert betrachtet, womit eine militärische Eskalation der Konkurrenz zu Russland als Zwangsläufigkeit behandelt wird. Der Ukraine-Krieg wird zwischenzeitlich – wie aktuell auch immer absehbarer wird – eingefroren, die USA verlangen eine stärkere militärische Betätigung europäischer NATO-Staaten, und im Zeitraum zwischen heute und 2030 findet auch in Deutschland eine weitere Aufrüstung und Vorbereitung auf mögliche Kriege statt.

Ausgehend von Militärübungen Russlands wird dann eine Eskalation prognostiziert, welche die schnelle Verlegung und Stationierung von bis zu 800.000 Soldat:innen über Deutschland Richtung Osten vorsieht. Zwar geht das Grünbuch ZMZ noch nicht soweit, den tatsächlichen Ausbruch eines Kriege zu benennen, jedoch ist dieser als Konsequenz ihres Szenarios zwangsläufig.

Was wie ein Planspiel von übermotivierten Kriegstreiber:innen wirkt, ist hierbei bitterer Ernst. Mit einem gewissen Rückzug der USA aus Europa, einem voraussichtlichen Einfrieren des Ukraine-Kriegs ohne dauerhaften Frieden und einer weiteren Verschärfung der imperialistischen Widersprüche zwischen Russland und einem europäisch-transatlantischen Block sind zentrale Ausgangspunkte des Grünbuchs bereits Realität.

Hierbei wird explizit auch eine Beteiligung Deutschlands an einem Krieg außerhalb des NATO-Bündnisfalls – meint die gemeinsame Verteidigung im Falle eines Angriffs – rechtlich diskutiert. Die folgenden Handlungsempfehlungen geben dabei einen Einblick, was Teile der herrschenden Klasse für notwendig halten, um wieder Krieg führen zu können.

Nationale Sicherheitsstrategie: „Die Streitkräfte mit mehr Leben füllen“ und „strategische Kommunikation als Gegenwehr“

Militarisierung im Inneren

Wiederkehrender Begriff ist hierbei der „Host Nation Support“ (Unterstützung als Gastgeberland). Er bewegt sich im Rahmen des Operationsplans Deutschland und sieht für Deutschland die Rolle eines Aufmarschgebiete, Drehkreuzes und Hinterlands für eine Kriegsfront weiter östlich in Europa vor.

Zentrale Bestandteile des Operationsplans Deutschland werden hierbei ebenfalls im Grünbuch ZMZ aufgegriffen und weiter konkretisiert. Die Zivilgesellschaft soll dabei in der Bereitstellung von Dienstleistungen für ausländische Truppen, der Unterstützung bei der Durchfahrt und unmittelbar im Einsatzgebiet zum Tragen kommen. Ebenso umfasst es Gedanken zur „Sicherung“ kritischer Infrastruktur und medizinischer Versorgung von Verwundeten. Hierbei gehen die Kriegsplaner:innen davon aus, dass die militärischen Kapazitäten im Falle eines Krieges innerhalb von zwei Tagen überlastet sind und auf zivile Krankenversorgung zurückgegriffen werden muss – auch zur Lasten des „Versorgungsniveaus der Zivilbevölkerung“.

Zudem sollen Feldjäger:innen (Militärpolizei) dazu berechtigt werden, auch im Inland klassische Polizeiaufgaben wie die Verkehrsführung, aber auch Personenabfragen und -kontrollen oder Platzverweise durchführen zu dürfen.

Gibt es bislang noch eine relative Trennung von Zivilem und Militärischem und entsprechende rechtliche Hürden, soll diese im Sinne der Kriegsfähigkeit abgeschafft und durch klare rechtliche Regelungen ersetzt werden. Das bedeutet nichts anderes als die faktische Unterordnung des Zivilen unter das Militärische, wie es bereits jetzt schon durch die geplante Abschaffung der Zivilklauseln an Universitäten oder der Vorfahrt militärischer Züge im Schienennetz forciert wird. Damit wird eine erkämpfte Errungenschaft als Lehre aus dem Hitlerfaschismus in der Praxis heute immer weiter untergraben.

Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft als Grundlage

Ebenfalls zentraler Bestandteil der Ãœberlegungen ist die Schaffung von „Kriegstüchtigkeit“ und einer „Widerstandsfähigkeit“ der Gesellschaft gegenüber kriegerischen Angriffen. Dies zielt auf die Integration und Ãœberzeugung der Bevölkerung für einen Krieg ab, in dem „jede und jeder einzelne mitwirkt“, damit er militärisch gewonnen werden kann. Hierfür werden neben klassischen Formen zur Meinungsbildung auch die verstärkte Vermischung in Form zivil-militärischer Zusammenarbeit und eine bessere Sichtbarkeit der Bundeswehr im Alltag als Maßnahmen genannt.

Auch wird auf Angriffe in Form sogenannter hybrider Kriegsführung eingegangen – also Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, sowie Spionage und Sabotage bezogen auf die kritische Infrastruktur. Hier sieht das Grünbuch die Notwendigkeit neuer Gesetze, die unter dem Stichwort der „interdisziplinären Lagebildung“ die bisherige Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufheben sollen, damit sie Informationen austauschen und effektiv handeln können.
Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten in Deutschland ist ein Erbe aus der Zeit des Faschismus und des Terrors der Gestapo und soll die Rechte der Bevölkerung vor Willkür schützen.

Zuletzt fordert das Grünbuch einen weiteren Ausbau und Aufrüstung der Polizei, inklusive KI-Nutzung, Aufstands-Übungen, die Aufhebung der Trennung zu den Geheimdiensten und Einbindung ziviler Sicherheitsfirmen. Grund hierfür ist für sie die Erwartung von erhöhter Kriminalität aufgrund von einer zunehmenden Not in der Bevölkerung.

Gleichzeitig gehen sie aber auch davon aus, dass es durch Demonstrationen von „Friedensaktivisten“ zu Behinderungen beim Truppenaufmarsch in Form von Blockaden auf Brücken, Autobahnen oder Ähnlichem kommen kann. Explizit „Linksexremisten“ trauen sie hierbei auch Sabotageaktionen an kritischer Infrastruktur zu.

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