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Körperliche Selbstbestimmung bleibt in der Ferne

Seit der letzten Sitzung im Bundestag ist klar: In dieser Legislaturperiode wird es zu keiner Entscheidung mehr bezüglich des umstrittenen Paragrafen 218 kommen. Der Paragraf regelt das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen sowie deren Straffreiheit unter bestimmten Umständen. Die körperliche Selbstbestimmung von Frauen und Schwangeren rückt damit weiterhin in die Ferne.

Anfang Dezember letzten Jahres brachten einige Bundestagsabgeordnete der Parteien SPD, Grüne und Linke einen Gesetzesentwurf zur Reformierung des §218 in den Bundestag ein. Nach der öffentlichen Anhörung des Gesetzesentwurfs hätte eine weitere Sitzung des zuständigen Rechtsausschusses angesetzt werden müssen. Dafür wäre eine Sondersitzung des Ausschusses notwendig gewesen. Für diese gab es aber, unter anderem wegen des Widerstandes von Union und FDP, keine Mehrheit im Bundestag.

Der §218 regelt das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, wie auch die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, damit die Vornahme einer Abtreibung in Deutschland straffrei bleibt. Die Reform des Paragrafen sollte das Gesetz so verändern, dass Schwangerschaftsabbrüche, die in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft durchgeführt werden, legalisiert werden. Die viel kritisierte Beratungspflicht sollte weiterhin vorgeschrieben bleiben, lediglich die dreitägige Bedenkzeit, die nach der Beratung bisher verpflichtend war, sollte entfallen.

Safe Abortion Day: Gemeinsam den Angriffen auf körperliche Selbstbestimmung entgegentreten!

Kritiker:innen fordern schon länger eine komplette Abschaffung des Paragrafen. Aktuell fällt der §218 unter die sogenannten „Straftaten gegen das Leben“ – wird also im selben Abschnitt im Strafgesetzbuch behandelt wie Mord und Euthanasie. Frauen und anderen Personen, die schwanger werden können, wird damit das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper verwehrt.

Mehrheit der Bürger:innen für liberaleres Abtreibungsrecht

In der Debatte um die Mehrheitsfähigkeit einer Abschaffung des §218 und die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen in Bezug auf die Teillegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bleibt unter den verschiedenen Parteien strittig: Der CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz, der sich in den vergangenen Jahren gemeinsam mit seiner Partei immer wieder gegen eine Reform oder Abschaffung des §218 einsetzte, zweifelte die Verfassungstreue einer Legalisierung offen an.

„Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist“, äußerte sich Merz. Die von der Regierung eingesetzte Expert:innenkommission kam jedoch bereits im April 2024 zu dem Schluss, dass im Gegensatz dazu die Rechtslage sich eher andersherum darstelle. Laut ihr ist die Illegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen rechtlich nicht haltbar. Die Ãœberarbeitung des Rechts auf Grundlage dieser Analyse wurde damals allerdings auch von der SPD, den Grünen und der FDP abgelehnt.

Merz äußerte außerdem, dass das Thema „wie kein zweites das Land polarisiert“ und dazu geeignet sei, einen „völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen“. Auch hier gehen die offiziellen Statistiken in eine andere Richtung: Eine Umfrage des RTL/ntv-Trendbarometers kommt zu einem anderen Schluss. Eine große Mehrheit der Bürger:innen (74 Prozent) fände es richtig, wenn Schwangerschaftsabbrüche künftig innerhalb der ersten zwölf Wochen ohne Einschränkungen erlaubt wären.

CDU und AfD gegen Selbstbestimmung

Gemeinsam mit der CDU stellt sich auch die AfD gegen eine Legalisierung von Abtreibungen. Letztere verankerte in ihrem Programm für die Bundestagswahl gar Pläne für eine Verschärfung des Paragrafen. Schwangerschaftsabbrüche sollen ihr zufolge die absolute Ausnahme bilden, zum Beispiel bei „krimineller oder medizinischer Indikation“. Bei der Beratung sollen Schwangeren Ultraschallaufnahmen des vorgeblich bereits entstehenden Lebens gezeigt werden.

Damit stellen sich die beiden umfragestärksten Parteien gegen eine Reform oder Abschaffung des Paragrafen. Weitere Schritte in Richtung körperlicher Selbstbestimmung für Frauen werden also weiterhin unterbunden.

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