In den USA hat sich ein Bündnis aus Tech-Oligarchen und Neuer Rechten an der Macht etabliert. Mit Donald Trump als Präsident startet das Land offensive Schritte zur Errichtung einer neuen internationalen Ordnung. Auch die politische Landschaft in Europa könnte sich drastisch verändern. Will die Arbeiter:innenklasse nicht unter die Räder geraten, muss sie sich als eigenständige revolutionäre Kraft organisieren. – Ein Kommentar von Thomas Stark.
Die Augen trübe, die Stimme brüchig, die Worte nur schwer zu verstehen. In seiner Abschiedsbotschaft aus dem Oval Office warnte der 82-jährige scheidende US-Präsident Joe Biden Mitte Januar vor einem Ende des amerikanischen Staates in seiner bisherigen Form. In Amerika nehme heute „eine Oligarchie extremen Reichtums, extremer Macht und extremen Einflusses Gestalt an“, die „buchstäblich unsere gesamte Demokratie, unsere Grundrechte und Freiheiten und eine faire Chance für jeden, voranzukommen“ bedrohe.
Biden gab das Präsidentenamt am 20. Januar an Donald Trump ab. Mit der Amtsübergabe hat sich auch das politische Machtgefüge in Amerikas herrschender Klasse verändert. Anders als es Bidens warnende Abschiedsworte nahelegten, ist die Oligarchie dabei aber nicht als etwas Neues entstanden. Vielmehr haben sich die Kräfteverhältnisse innerhalb dieser Oligarchie verändert. Diese Veränderung dürfte sich bald global auswirken und womöglich die Weltkarte erheblich verändern.
Bündnis aus Tech-Oligarchen und Neuer Rechten
Das politisch Neue in Trumps zweiter Amtszeit ist zunächst die direkte Teilnahme der amerikanischen Tech-Elite an den Regierungsgeschäften in Washington. Wie der Economist schrieb, war Washington jahrelang „ein Ort, den die Tech-Bosse gemieden haben, wenn sie nicht gerade vom Kongress zur Schelte vorgeladen wurden“. Unter Trump nehmen sie unmittelbaren Einfluss auf das Regierungsgeschehen. Dies gilt vor allem für Elon Musk, der seit Monaten durch penetrantes Auftreten scheinbar ununterbrochen die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zieht. Aber auch Jeff Bezos (Amazon), Sundar Pichai (Google), Mark Zuckerberg (Meta) und Bill Gates (Microsoft) haben längst Trumps Nähe gesucht.
Um das zu unterstreichen, haben Amazon und Meta ihre firmeninternen Initiativen gegen die Diskriminierung schwarzer und LGBTI+-Mitarbeiter:innen eingestellt. Ganz offensichtlich ein Zugeständnis, das die Tech-Oligarchen ihrem neuen politischen Bündnispartner gemacht haben: Nämlich Trumps MAGA-Bewegung („Make America Great Again“) sowie der Neuen Rechten, die Elon Musk gerade aggressiv international promotet.
Wird sich die Weltkarte verändern?
In welche Richtung sich die Weltpolitik künftig verändern könnte, hat Trump bereits vor Weihnachten deutlich gemacht, als er Gebietsambitionen auf den Panama-Kanal, Grönland und sogar Kanada anmeldete. Mit den ernst gemeinten Plänen will der neue Präsident die Hegemonie der USA in der westlichen Hemisphäre und der Arktis politisch zementieren und China von dort verdrängen. Sie würden zudem die geostrategischen Voraussetzungen für die USA schaffen, sich mehr und mehr aus Europa zurückzuziehen und sich stattdessen auf die Pazifikregion und den Rivalen China zu konzentrieren.
Damit erfinden Trump und das hinter ihm stehende Bündnis die US-Geostrategie zwar nicht neu: Immerhin waren es Barack Obama und Hillary Clinton, die schon 2011 „Amerikas Pazifisches Jahrhundert“ ausriefen. Die neue Regierung scheint jedoch entschlossen, die Umsetzung dieser Ausrichtung schneller und aggressiver als zuvor durchzusetzen.
Zu diesem Plan gehören auch die massiven Zolldrohungen Trumps gegen zahlreiche Länder sowie seine Forderung an die NATO-Staaten, jährlich künftig fünf (statt bisher zwei) Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in Rüstung zu investieren. Ein möglicher dauerhafter Waffenstillstand in der Ukraine könnte aus US-Sicht dazu dienen, die europäischen Staaten hier in die Pflicht zu nehmen. Trump hat schon im Wahlkampf eine schnelle Beendigung des Krieges gefordert — auch deshalb, weil sein politisches Lager eine Annäherung an Russland sucht, um dessen Bindung an China zu lösen.
Kampf um die Welthegemonie
Die USA sind keineswegs das einzige Land, das heute eine Umwälzung der globalen Ordnung anstrebt, wie sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 etabliert wurde. Das zeigt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, der im Februar in sein viertes Jahr geht. Das zeigt Chinas „Neue Seidenstraße“ — ein globales Wirtschaftsprojekt, in das die Volksrepublik seit 2013 Billionenbeträge investiert hat, um Straßen, Zugstrecken, Häfen, Staudämme und Pipelines quer durch Europa, Asien und Afrika zu bauen.
China will mit der Neuen Seidenstraße vor allem die Länder Eurasiens wirtschaftlich durchdringen und von sich abhängig machen und damit das Fundament legen, um zukünftig einmal selbst zur führenden Weltmacht zu werden. Aus diesem Grund verfolgt das Land auch aggressive Hegemonialbestrebungen im Pazifik, wo chinesische und US-Interessen unmittelbar aufeinanderprallen. Um im größten Weltmeer eine Vormachtstellung erlangen zu können, muss China sich früher oder später den Inselstaat Taiwan einverleiben — was die USA auf alle Fälle verhindern wollen.
Dieser Kampf um eine neue globale Ordnung, der sich gerade massiv beschleunigt, hatte sich zunächst langsam auf der Grundlage einer strukturellen Krise des Kapitalismus entwickelt. Diese wurde durch die Weltwirtschaftskrise von 2008/09 eingeleitet, die nach Jahrzehnten der beschleunigten Globalisierung von Produktionsprozessen und Kapitalströmen eine Zäsur bedeutete. Das globale kapitalistische Akkumulationsmodell lief in eine andauernde Flaute, die Globalisierung verlangsamte sich und der verschärfte Kampf der Staaten um das Wachstum auf Kosten der anderen trat auf den Plan.
Der weltweite Trend zu Protektionismus und Handelskriegen wie in Trumps erster Amtszeit war Ausdruck hiervon. Seit dem Ukrainekrieg geht es in diesem imperialistischen Ringen auch wieder um die direkte Einverleibung von Territorien durch große Staaten. Jetzt wollen die USA diesen Ball offenbar aufnehmen — und mit Grönland anfangen.
Musk und die AfD
Die Macht der kapitalistischen Oligarch:innen, vor denen Biden gewarnt hat, ist nicht auf die USA beschränkt. Erstens gibt es sie seit mehr als hundert Jahren auch in Europa, etwa in Gestalt der Thyssens, Quandts, Bettencourts, Wallenbergs u.v.m. Zweitens ist ihr Kapital im Zuge der imperialistischen Globalisierung längst über die Grenzen der Nationalstaaten hinausgewachsen. Das gilt erst recht für die US-Tech-Oligarch:innen.
So erklärt es sich, dass Elon Musk das politische Bündnis mit der Neuen Rechten auf Europa ausdehnt und in Deutschland die AfD fördert. Diese steht u. a. für einen Rückbau der EU zugunsten eines „Bundes europäischer Nationen“, was aus Musks Sicht die Ausschaltung von Konkurrenzunternehmen erleichtern könnte. Die Umwandlung der politischen Systeme in Europa in autoritär-libertäre Staaten mitsamt eines radikalen Abbaus der Sozialsysteme könnte zudem ein kapitalistisches Eldorado auf dem Kontinent hervorrufen — mitsamt des Ausbaus digitaler Überwachung und Datenerhebung und dem Geschäft hiermit.
Darüber hinaus erfolgt der Schulterschluss mit der AfD aus genau gegensätzlichen Interessen: Die neue US-Regierung will eine Annäherung an Russland auf Kosten Europas. Die AfD dagegen will eine „eurasische Orientierung“ Deutschlands durchsetzen und das Land im Bündnis mit Russland und China — gegen die USA — stark machen. Auch hier werden schon bestehende Politikansätze von Vorgängerregierungen lediglich aufgegriffen und radikalisiert.
Neue politische Perspektiven?
Dies ist nicht die einzige mögliche Bruchlinie im Bündnis zwischen Tech-Oligarchie und Neuer Rechten. In den USA zeigen sich bereits heftige Meinungsverschiedenheiten in der Migrationspolitik. Trumps früherer Berater Steve Bannon, ein wichtiger rechter Influencer, wünschte sich Elon Musk bereits „zurück in Südafrika“ (seinem Geburtsland) und warnte vor einem „Techno-Feudalismus auf Weltmaßstab“.
Aus Sicht der Arbeiter:innenklasse müssen solche Bruchlinien genau analysiert werden. Schließlich plant das Bündnis aus Oligarchen und Neuen Rechten nicht weniger als einen Sturmangriff auf Arbeiter:innenrechte (Elon Musk: „Ich bin mit der Idee der Gewerkschaften nicht einverstanden“). Das Schleifen von Anti-Diskriminierungsrichtlinien in Unternehmen ist dabei nur ein minimaler Vorgeschmack. Die neue Weltordnung, die Trump, Musk und ihre Geschäftspartner wollen, wäre eine Ordnung des ungezügelten kapitalistischen Kampfes jede:r gegen jede:n und in der autoritäre Staaten nur noch dafür sorgen, dass die Starken noch stärker und die Reichen noch reicher werden.
Das bedeutet aber nicht, ausgerechnet das bisherige politische System zu verteidigen, das diese Weltlage hervorgebracht hat und für das der greisenhafte Fernsehauftritt Joe Bidens kurz vor dem Ruhestand schon fast sinnbildlich steht. Die herrschende „Demokratie“ ist eine Demokratie für Kapitalist:innen und Oligarch:innen. Eine „faire Chance für jeden, voranzukommen“, konnte der Kapitalismus noch nie bieten und tut es heute weniger denn je. Und es waren Biden, Scholz, Merkel, die die Axt an „Grundrechte und Freiheiten“ schon angelegt haben, bevor Trump, Weidel, Meloni die politische Bühne betreten haben.
Der Kampf um die neue politische Weltordnung bricht heute aus, weil die bisherige Weltordnung überlebt ist, weil ihre kapitalistische Grundlage in der Krise ist und durch eine neue Gesellschaftsordnung abgelöst werden muss. Oligarch:innen und Neue Rechte bieten hierfür nur eine Lösung im imperialistischen, kriegerischen Sinne und im Sinne des Rechts des Stärkeren an. Die Arbeiter:innenklasse dagegen muss auf diese Krise eine eigene, solidarische, sozialistische Antwort entwickeln und sich als die revolutionäre gesellschaftliche Macht organisieren, die diese Alternative durchsetzt.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 95 vom Februar 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.