Am Dienstagmorgen gab es erneut eine Durchsuchung der Räumlichkeiten des Medya Volkshaus e.V. in Nürnberg. Eine Co-Vorsitzende des Vereins wurde verhaftet.
Laut der Nachrichtenagentur ANF stürmte am Dienstagmorgen eine Spezialeinheit der Polizei das kurdische Gesellschaftszentrum „Medya Volkshaus e.V.” in der Südstadt von Nürnberg. Dabei wurden die Tür und etliche Gegenstände beschädigt, die Vereinsräume durchwühlt und Dokumente beschlagnahmt.
Zufällig anwesende Personen wurden einer Identitätsprüfung unterzogen und verhört, ohne der Möglichkeit, eine:n Anwält:in zu kontaktieren. Ein Grund für die Durchsuchung wurde von den Beamt:innen nicht genannt.
Erst Razzia, dann Festnahme
Kurze Zeit später wurde außerdem die Co-Vorsitzende des Vereins, Makbule Kartal, festgenommen und zur Anhörung nach München gebracht. Ihre Inhaftierung wurde angeordnet. Der Vorwurf lautet: Verstoß gegen §129a/b, d.h. Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung. Sie soll sich als „Frontarbeiterin“ der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betätigt haben. Sie wurde noch am Dienstag in das Gefängnis München Stadelheim verlegt. Laut ihrem Anwalt geht es ihr den Umständen entsprechend gut.
Noch am selben Tag gab es eine Solidaritätskundgebung mit den von den Repressionen Betroffenen in der Nürnberger Innenstadt.
Der „Schnüffelparagraph“
Festnahmen und Verurteilungen von kurdische Aktivist:innen mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der PKK sind keine Seltenheit: Der Fall reiht sich ein in eine Vielzahl von Versuchen, die kurdische Befreiungsbewegung zu kriminalisieren. Ihr Kampf für die Selbstbestimmung des kurdischen Volkes und weiterer Völker Westasiens wie z.B. den Yezid:innen ist dem türkischen Staat und seinen Verbündeten in der NATO ein Dorn im Auge.
Bereits im Dezember 2022 wurde ein kurdischer Aktivist nach Durchsuchungen von Wohnungen und des Medya Volkshauses wegen gleicher Vorwürfe verhaftet und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Tahir Köçer war seinerseits Co-Vorsitzender der Konföderation der Gesellschaften Mesopotamiens in Deutschland (KON-MED), dem größten Dachverband kurdischer Organisationen in Deutschland.
Der Paragraph 129 wurde mit dem Reichsstrafgesetzbuch des Deutschen Reichs im Jahr 1871 geschaffen und lässt sich unmittelbar zurückfuhren auf den § 99 des Strafgesetzbuchs für die preußischen Staaten von 1851. Seit damals wird er vor allem dazu verwendet, um fortschrittliche und revolutionäre Personen und Organisationen politisch zu verfolgen. Seit seiner Entstehung wurde er weiterentwickelt und wird auf immer mehr politische Gruppen in Deutschland ausgeweitet. Er gibt den Ermittler:innen weitreichende Befugnisse, z.B. die heimliche Überwachung von elektronischen Geräten und das Verwanzen von Wohnungen bei Verdacht – weshalb er auch unter dem Namen „Schnüffelparagraph“ bekannt ist.