Bei der Münchener Sicherheitskonferenz am kommenden Wochenende werden unter anderem die Kriege in der Ukraine und Westasien auf dem Programm stehen. Der Security Report der Organisator:innen thematisiert den möglichen Übergang zu einer multipolaren Weltordnung und die Rolle der potentiellen Großmächte. Kräfte aus der politischen Widerstandsbewegung mobilisieren zu Protesten gegen die SiKo.
Es darf auch mal gefeiert werden: Angesprochen auf die Bemerkung des amerikanischen Verteidigungsministers, die Münchener Sicherheitskonferenz (SiKo, MSC) sei nur eine „Cocktailparty“, reagierte der MSC-Vorsitzende Christoph Heusgen vor der Bundespressekonferenz am Montag mit Humor. Er wies darauf hin, dass alle Teilnehmer:innen bei der Konferenz im Hotel Bayerischer Hof am kommenden Wochenende hart arbeiten würden. Als Rheinländer könne er aber sagen, dass danach am späten Abend auch gefeiert werde.
Konferenz der westlichen Großmächte
Bei der diesjährigen SiKo steht vor allem die Vielzahl der aktuellen Konflikte in der Welt auf dem Programm, darunter die Kriege in der Ukraine, in Westasien, dem Sudan, und dem Kongo. Daneben beschäftigt sich die Konferenz im Rahmen ihres „erweiterten Sicherheitsbegriffs“ unter anderem mit der Klimafrage, den globalen Migrationsströmen, Energiesicherheit und Künstlicher Intelligenz.
Teilnehmen werden 60 Staats- und Regierungschefs, zahlreiche Minister:innen, Firmenchef:innen und Vertreter:innen internationaler Organisationen wie der UNO. Die USA sind unter anderem mit dem Vizepräsidenten J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio vertreten. Überhaupt prägen der Regierungswechsel in den USA und die aktuellen Initiativen Donald Trumps zur Veränderung der Weltordnung die internationale Lage im Vorfeld der SiKo.
Diese bleibt eine Konferenz vorrangig der westlichen imperialistischen Staaten: Während die USA mit einer der größten Delegationen der Geschichte der MSC in München anreisen, ist kein offizieller Vertreter Russlands eingeladen — jedoch die pro-westliche Opposition sowie NGOs. Über eine Teilnahme des Iran werde laut Heusgen noch mit der Bundesregierung beraten. Aus China wird unter anderem Außenminister Wang Yi erscheinen. Zudem soll der Außenminister der neuen syrischen Regierung, Asaad Hassan al-Shaibani ins Hotel Bayerischer Hof kommen.
Ära der Multipolarität?
Der jährliche Bericht der Organisator:innen trägt dieses Jahr den Titel „Multipolarization“. Darin beschreiben sie die politische Dynamik in der Welt damit, dass sich „Macht auf eine größere Anzahl von Akteuren“ verlagere, „die die Fähigkeit besitzen, wichtige globale Entwicklungen zu beeinflussen“. Zum anderen erfahre die Welt „eine zunehmende Polarisierung sowohl auf der zwischen- als auch auf der innerstaatlichen Ebene“.
Jedes Kapitel des Berichts befasst sich mit der spezifischen Rolle einer der acht von der SiKo definierten „Großmächte“: den USA, China, der EU, Russland, Indien, Japan, Brasilien und Südafrika. Über die EU heißt es etwa, dass ihre „liberale Vision für die internationale Ordnung seit einiger Zeit Gegenwind“ erhalte, der sich nun zu einem „perfekten Sturm“ entwickele. Die zunehmende „Versicherheitlichung“ wirtschaftlicher Verflechtungen untergrabe „die Freihandelsagenda der EU“ und drohe, ihre „strukturellen wirtschaftlichen Schwächen“ zu verschärfen. Der sich im Aufstieg befindende „Illiberalismus“ bedrohe zudem ihre Fähigkeit, im Ausland als „Verfechterin liberaler Werte“ zu handeln. Die neue US-Regierung könne diese Krisen „dramatisch intensivieren“, etwa durch das Zurückfahren ihrer „Sicherheitsverpflichtung für Europa“, das „Anzetteln von Handelskriegen“ und die „Vertiefung interner Spaltungen“.
Friedensplan für die Ukraine in Sicht?
Zu Gerüchten, die SiKo-Teilnehmer:innen würden am Wochenende bereits einen Friedensplan für die Ukraine aushandeln, äußerte sich Heusgen bei der Pressekonferenz auf Nachfrage zurückhaltend: Es gebe aus seiner Sicht „Anzeichen für Fortschritte“. Am Freitag werde US-Vizepräsident Vance eine Rede halten. Zudem werde der ukrainische Präsident Selenskij voraussichtlich ebenfalls zur Konferenz anreisen. Ein möglicher Deal zwischen den USA und der Ukraine, der die Lieferung Seltener Erden an die USA im Gegenzug für eine Fortsetzung der Unterstützung vorsehe, könne Teil eines größeren Friedensplans sein.
Neben dem Krieg in der Ukraine werden sich die SiKo-Teilnehmer:innen in zahlreichen Hintergrundgesprächen auch mit den Spannungen in der Ostsee sowie der Frage der Sicherheit in der Arktis-Region beschäftigen. Die Formulierung, die SiKO verwandle sich seit Kriegsausbruch 2022 wieder zurück in eine „Wehrkundetagung“ — so ihr ursprünglicher Titel bei ihrer Gründung 1963 — wies Heusgen zurück. Das Ziel der MSC bleibe vielmehr, „Frieden durch Dialoge“ zu erreichen.
Es geht auch um Geschäfte
Bei „harter Arbeit“ und „Cocktailparties“ wird es in München aber nicht nur um politische Fragen gehen, sondern auch ums Netzwerken und um die Anbahnung von Geschäften: Wie jedes Jahr werden auch diesmal Vertreter:innen großer Konzerne, etwa aus der Rüstungsindustrie erwartet. Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin und das expandierende Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall haben sich bislang sogar stets an den Konferenzkosten beteiligt. Hauptsponsoren der Konferenz sind unter anderem Bayer, die Deutsche Bank, Goldman Sachs, Meta, Microsoft und SAP. Die Allianz und Google zählen laut MSC-Webseite zu den „Mitgliedern“, institutionelle Partner sind unter anderem der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die BMW-Stiftung und die Gates Foundation.
Zahlreiche Proteste in München
Viele politische Kräfte schätzen die Münchener Sicherheitskonferenz vor diesem Hintergrund als „Kriegskonferenz” kapitalistischer Staaten und Wirtschaftsmonopole ein und rufen auch für dieses Jahr am Wochenende zu Protesten in München auf. Laut Süddeutscher Zeitung sind bislang rund 20 Kundgebungen im Kontext der Konferenz beim zuständigen Kreisverwaltungsamt angekündigt worden. Die Münchener Polizei rechne jedoch mit noch mehr Versammlungen.
Das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz fordert in einem Aufruf unter dem Titel „Friedensfähig statt kriegstüchtig!“ unter anderem eine Verteidigung der Meinungsfreiheit, „keine Kriminalisierung der Friedensbewegung“, sowie ein „Nein zu US-Raketen in Deutschland“: „Die für die Aufrüstung ausgegebenen Mittel fehlen dort, wo wirklich gesellschaftlicher Bedarf besteht, beispielsweise bei der Bekämpfung von Kinderarmut“.
Auch die Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) hat einen Aufruf gegen die SiKo veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „Die Sicherheit der Kapitalist:innen und Imperalist:innen heißt die Sicherung ihrer Profite und ihrer Macht. Und das auf unserem Rücken, auf Kosten unserer Sicherheit. Denn es sind diese Politiker:innen, die die Wehrpflicht wieder einführen wollen, um die Jugend an der Front zu verheizen.“ Dafür würden sie sich „jedes Jahr in München, unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ treffen, „um Waffendeals abzuschließen und über unsere Zukunft zu verhandeln“.