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DB-Tarifabschluss: EVG verhandelt Reallohnverluste, ohne Streiks zu führen

Die Deutsche Bahn und die EVG haben drei Wochen nach Verhandlungsbeginn – ohne Warnstreiks – einen Tarifabschluss verhandelt. Die ausgehandelten Lohnerhöhungen reichen kaum, um die Preissteigerungen der letzten Jahre auszugleichen, geschweige denn tatsächlich das Einkommen der Arbeiter:innen zu verbessern. – Ein Kommentar von Alexandra Baer.

Nach drei Wochen Tarifverhandlungen haben sich die Deutsche Bahn (DB) und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in der Nacht zum Sonntag auf einen Tarifabschluss geeinigt. Der neue Tarifvertrag betrifft etwa 192.000 Angestellte, inklusive der Beschäftigten der DB-Tochtergesellschaft DB Cargo. Die Einigung wurde in der dritten Runde der Verhandlungen erreicht – ohne dass es zu Warnstreiks kam.

Laut der Gewerkschaft ist dies der erste Abschluss der EVG mit der Bahn seit 2016, der ohne Streiks zustande kam. Die Vereinbarung hat eine Gültigkeitsdauer von 33 Monaten und läuft von April 2025 bis Dezember 2027.

Vereinbart wurde zwischen DB und EVG für die Arbeiter:innen der Deutschen Bahn eine Lohnerhöhung von 6,5 Prozent in drei Schritten sowie Zusatzgeld bei Schichtarbeiten. Im April soll es eine Einmalzahlung von 200 Euro geben. Die erste wirkliche Lohnerhöhung mit zwei Prozent erfolgt zum 1. Juli 2025, die zweite Lohnerhöhung mit 2,5 Prozent soll es ein Jahr später geben.

Preissteigerungen seit 2019 fast 20 Prozent – EVG organisiert Reallohnverluste

Der Tarifabschluss zwischen der EVG und der DB wird von beiden Parteien als großer Erfolg verkauft: Die EVG nennt das vereinbarte Ergebnis eine „ordentliche Gehaltserhöhung“ und meint, dass das „Gesamtpaket stimmt“. Martin Seiler, DB-Personalvorstand, nennt die Einigung einen „ausgewogenen Abschluss, der beiden Seiten gerecht wird“. Aber ist dem tatsächlich so?

Wenn man die Entwicklung der Verbraucherpreise in Deutschland anschaut, zeichnet sich ein klares Bild: Laut dem Statistischen Bundesamt haben sich die Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt 2024 um 2,2 Prozent gegenüber 2023 erhöht. Im Jahr 2023 lagen sie im Vergleich zum Vorjahr bei 5,9 Prozent Preissteigerung und 2022 sogar bei 6,9 Prozent. Das entspricht insgesamt einer Preiserhöhung von mehr als 15 Prozent über den Zeitraum von 2022 bis Ende 2024. Zwischen 2019 und 2021 betrugen die durchschnittlichen Preiserhöhungen zusätzlich insgesamt 5 Prozent, was über den Zeitraum von 2019 bis Ende 2024 eine Erhöhung von über 20 Prozent bedeutet.

Der letzte Tarifvertrag zwischen der EVG und der DB wurde im August 2023 abgeschlossen. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 25 Monaten und galt rückwirkend vom 1. März 2023 bis zum 31. März 2025. Ein zentraler Bestandteil des Abkommens war ein Festbetrag von insgesamt 410 Euro mehr im Monat, der in zwei Schritten ausgezahlt wurde: 200 Euro ab Dezember 2023 und weitere 210 Euro ab August 2024.

Bei einem durchschnittlichen Zugbegleitergehalt von 2.397 Euro im Monat (Stand: September 2023) bedeuteten die tariflich festgelegten Lohnerhöhungen dementsprechend eine prozentuale Erhöhung von 8,4 Prozent ab Dezember 2023 und weitere 8,09 Prozent ab August 2024 – gerade so ausreichend, um die Reallohnverluste durch Preissteigerungen von 15,9 Prozent zwischen 2022 bis Ende 2024 auszugleichen. Bei all denjenigen, die mehr verdienen als Zugbegleiter:innen, lagen die Tariferhöhungen von 2023 unter 8 Prozent: Bei einem Gehalt von 3.200 Euro wurde der Lohn insgesamt um etwa 12 Prozent erhöht – das ist nicht einmal mehr ausreichend, um die Verluste durch die letzten Preiserhöhungen zwischen 2022 und 2024 auszugleichen – geschweige denn, etwas mehr Lohn zu erhalten.

Der Tarifabschluss 2022 stellt mit seinen mickrigen 6,5 Prozent bei einer langen Laufzeit von 33 Monaten nur ein Minimalerfolg dar. Es wird davon ausgegangen, dass auch im Jahr 2025 eine Preissteigerung von mindestens 2 Prozent erfolgen wird. Wie es in der folgenden Zeit, für die der Tarifvertrag gilt, weitergehen wird, wird sich zeigen. Vermutlich hätte die EVG gut daran getan, in dieser Tarifrunde mit Streiks zu warnen, statt drei Wochen nach Verhandlungsbeginn bereits auf einen Deal einzugehen.

Alexandra Baer
Alexandra Baer
Autorin Seit 2023. Angehende Juristin, interessiert sich besonders für Migration und Arbeitskämpfe. Alexandra ist leidenschaftliche Fußballspielerin und vermisst die kalte norddeutsche Art in BaWü.

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