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Teurer Sprit, leere Versprechen: Das bringt der neue CO2-Emissionshandel

Ab 2027 wird Autofahren in Deutschland noch teurer. Der Grund: Die Einführung des EU-weiten Emissionshandels für den Verkehrssektor. Der ADAC warnt vor massiven Preisanstiegen bei Benzin und Diesel. Die Reform wird bestehende Ungleichheiten weiter verstärken. – Ein Kommentar von Marius Fiori.

Laut Prognosen des ADAC könnten die Kraftstoffpreise ab 2027 um bis zu 19 Cent pro Liter steigen. Der CO2-Preis, der ab dann nicht mehr staatlich reguliert wird, sondern sich am Markt bildet, dürfte deutlich höher ausfallen als die bisherigen Festpreise. Am 31. Januar hatte der Bundestag diese Neuregelung im Schatten der Migrationsdebatte umgesetzt. Letztendlich war dies aber lediglich die Umsetzung der Reform des europäischen Emissionshandels in deutsches Recht.

Offiziell dient die Bepreisung als Lenkungsinstrument: Höhere Kosten sollen Anreize schaffen, auf klimafreundlichere Alternativen umzusteigen. Doch was passiert, wenn diese Alternativen für viele schlicht nicht existieren?

Unrealistische Erwartungen: Wer kann sich den Umstieg leisten?

Die Bundesregierung fordert den Wechsel zu emissionsarmen Fahrzeugen und klimaneutralen Kraftstoffen. Doch Elektroautos sind teuer, Ladesäulen fehlen vielerorts und synthetische Kraftstoffe sind längst noch nicht breit einsetzbar. Gerade im ländlichen Raum bleibt das Auto oft alternativlos, zu schlecht ist der Ausbau des ÖPNV.

Der ADAC fordert daher eine Kompensation für Autofahrer:innen. Besonders Pendler:innen mit niedrigen Einkommen würden unter den steigenden Preisen leiden. Doch konkrete Entlastungsmaßnahmen fehlen bislang gänzlich. Das im Koalitionsvertrag versprochene Klimageld ist bisher nicht umgesetzt worden. Auch die von einigen geforderte Erhöhung der Pendlerpauschale würde nur einen Teil der betroffenen Arbeiter:innen erreichen.

Emissionshandel: Ein unkalkulierbares Risiko mit sozialer Sprengkraft

Ein weiteres Problem ist die Unsicherheit über die Höhe des zukünftigen CO2-Preises. Der Marktmechanismus bedeutet, dass Preise stark schwanken können. Energieversorger stehen vor dem Problem, dass sie bereits jetzt Verträge für 2027 abschließen müssen, ohne zu wissen, wie hoch die Emissionskosten dann tatsächlich ausfallen. Diese Unsicherheit wird letztlich auf die Verbraucher umgelegt.

Der „marktwirtschaftliche“ Lenkungsmechanismus offenbart dabei ein grundlegendes Problem: Die Kosten des Klimaschutzes werden nicht gerecht verteilt. Während Großkonzerne durch Steuererleichterungen und Subventionen – zum Beispiel durch den Klima- und Transformationsfonds – profitieren, werden kleine Unternehmen und Haushalte mit zusätzlichen finanziellen Belastungen konfrontiert. Die ohnehin wachsende soziale Spaltung wird damit weiter vertieft.

Statt echter struktureller Veränderungen, wie dem massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder der gezielten Förderung von alternativen Mobilitätskonzepten, setzt die Politik auf Mechanismen, die lediglich neue Profite für die Großindustrie schaffen. Während Aktionär:innen in der Automobil- und Energiebranche sich weiterhin bereichern, bleiben Arbeiter:innen und Pendler:innen auf der Strecke.

Von der Klimapolitik zur sozialen Spaltung

Die sozialen Folgen dieser Politik sind weitreichend. In Deutschland sind Millionen Menschen auf das Auto angewiesen, sei es für den Arbeitsweg, den Zugang zu Bildung oder zur Gesundheitsversorgung. Wer sich den Umstieg auf ein teures Elektroauto nicht leisten kann, wird durch steigende Kraftstoffpreise de facto bestraft. Dass unter Elektro-Neuwagen gerade einmal zwei Modelle unter 25.000 Euro kosten, zeigt die Auswegslosigkeit.

Hinzu kommt, dass der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nicht annähernd Schritt hält mit den politischen Forderungen nach einer Verkehrswende. Besonders in wirtschaftlich schwächeren Regionen gibt es kaum Alternativen zum Individualverkehr.

Die geplanten Maßnahmen treffen also vor allem jene, die ohnehin schon finanziell belastet sind, während wohlhabendere Haushalte durch Subventionen und Steuererleichterungen auf E-Fahrzeuge profitieren.

Wer profitiert vom Emissionshandel?

Eine entscheidende Frage bleibt: Wer profitiert eigentlich von dieser Politik? Die Automobilindustrie hat ihre Produktionslinien längst auf Elektrofahrzeuge umgestellt und erhält staatliche Förderungen, während Verbraucher:innen für die Transformation zahlen. Energiekonzerne verdienen an der Emissionszertifikate-Vergabe mit und Investmentfonds spekulieren bereits jetzt auf steigende CO2-Preise.

Es zeigt sich ein bekanntes Muster: Die Kosten der Klimawende werden auf die Arbeiter:innen abgewölzt, die Profite privatisiert. Dies ist kein Zufall, sondern ein systemisches Problem eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, das auf Profitmaximierung statt auf Nachhaltigkeit setzt. Eine wirklich gerechte Klimapolitik darf nicht die arbeitende Bevölkerung zur Kasse bitten.

Eine gerechte Klimapolitik muss weit über eine reine Bepreisung hinausgehen. Sie muss gezielt die Verursacher:innen der Emissionen – also die Großkonzerne in die Pflicht nehmen, anstatt die Kosten auf die breite Bevölkerung abzuwälzen.

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