Im ersten TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz wurden trotz Unstimmigkeiten vor allem Eckpunkte in der Haushaltsführung herausgearbeitet. Einigkeit gibt es im zukünftigen Kürzungs- und Aufrüstungskurs. – Ein Kommentar von Mario Zimmermann.
Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich am Sonntagabend der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der CDU, ein TV-Duell im ZDF geliefert. Neben den üblichen Taschenspielertricks, mit denen versucht wurde, den Anderen schlecht aussehen zu lassen, wurden verschiedene Problematiken verdeutlicht, vor denen die zukünftige Regierung stehen wird.
Der Grundton: Ohne tiefe Einschnitte und neue Schulden wird der Staat weder die Wirtschaft ankurbeln können, noch die Umsetzung der militärischen Zeitenwende realisiert kriegen.
Der Schlagabtausch um die richtige Strategie für die Sicherung Deutschlands Rangordnung und der seiner Großkonzerne wurde oft von einem streitlustigen Bundeskanzler geführt. Trotz des Rechtskurses seiner SPD wollte er auch für die Arbeiter:innen etwas parat haben. Aktuell macht die SPD Wahlkampf mit der Forderung eines Mindestlohnes von 15 Euro. Vor dem Hintergrund der schwachen Umfragewerte der SPD von um die 16 Prozent muss wenigstens ein geeignetes Verkaufsargument für die eigene Partei gefunden werden, das auch breite Wählerschichten ansprechen kann.
Die CDU hat bei aktuellen Umfragen Werte um die 30 Prozent. Der Skandal um die gemeinsame Abstimmung mit der AfD zum Migrationsantrag und dem „Zustrombegrenzungsgesetz“ hat bisher keine sichtbaren Auswirkungen auf die Umfragewerte der Partei.
„Es hat noch nie schärfere Gesetze gegeben als die, die ich eingeführt habe“
Gemäß der Konzentration fast aller Parteien im Wahlkampf auf die Themen Migration und „Sicherheit“ wurde auch der erste Themenblock im TV-Duell entsprechend gestaltet: In ihm warnte Scholz vor weiteren Wortbrüchen der CDU über die Distanzierung zur AfD. Diese liegt in den Umfragen bei 20 Prozent und könnte auch in Zukunft Mehrheitsbeschafferin für besonders restriktive Gesetze der Union sein.
Friedrich Merz konterte Scholz mit einem Zitat, in dem Scholz die Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene verteidigt hat. Hier wird klar: Die Brandmauer, felsenfest und unerschütterlich, existiert in dieser Form nicht.
Mythos „Brandmauer“ – Ist sie gefallen oder stand sie nie?
Darauf lobt sich Olaf Scholz für seine Abschottunsgpolitik selber. Und das zu Recht: Mit der Ampelkoalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz wurden umfassende Gesetzespakete erlassen, welche die Rechte von Geflüchteten weiter beschneiden. Im Zentrum dessen steht die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), auf dessen Umsetzung man sich bei der Zurückdrängung der Migration verlassen möchte.
Nationale Alleingänge, wie von der CDU gefordert, weist die SPD zurück. Bei dem Ziel der Abschottung und weiteren Beschneidung des Asylrechts sowie bei steigenden Abschiebungen ist man sich jedoch einig.
Mit Zuckerbrot und Peitsche: Eine Reise durch die Migrationspolitik der Ampel
Wer rettet „Made in Germany“?
Im dritten Krisenjahr der deutschen Wirtschaft mussten sich die beiden Kanzlerkandidaten den Fragen stellen, wie die Lage einzuschätzen sei und was unternommen werden müsse, damit Deutschland mit seinen Monopolkonzernen nicht den Anschluss an die Weltspitze verliert. Hierbei war man wenig kreativ, einen Schuldigen für die Krise zu finden:
Es waren wahlweise die Ampelregierung mit ihrer „linken Politik“, die CDU-geführten Regierungen unter Angela Merkel – oder vor allem Putin, der die Ukraine angegriffen hat. Und doch bleibt Fakt: Der Kapitalismus führt in wiederkehrenden Abständen zu Krisen – diese lassen sich nicht einfach abwählen.
Am meisten betrifft die Krise die Arbeiter:innen. Scholz und Merz sprechen offen über einen Reallohnverlust der Arbeiter:innen von bis zu 20 Prozent in den letzten Jahren durch die hohen Preissteigerungen – ein Trend, der in den nächsten Jahren fortgesetzt werden soll durch die CO2-Bepreisung, steigende Versicherungsbeiträge und eine Inflation deutlich über 2 Prozent. Auch der Wegfall von tarifgebundenen Arbeitsplätzen in der Industrie in den letzten und kommenden Jahren verschärft diese Richtung.
Dass man der Wirtschaft aus der Krise mit besseren Rahmenbedingungen helfen möchte, darüber ist man sich einig. Wie genau diese ausgestaltet werden sollen, darüber herrscht Konflikt. Nach Meinung der CDU mit Bürokratieabbau und steuerlichen Entlastungen. Auch die Wiedereinführung der Atomkraft-Energie zur Sicherung der Energieversorgung wurde andiskutiert.
Ein Made-in-Germany-Bonus, wie ihn die SPD vorschlägt, soll steuerliche Anreize schaffen, in die Produktion in Deutschland zu investieren. Deutschland ist einzige führende Macht, deren Wirtschaft sich in den letzten Jahren nicht erholen konnte. Dass andere Länder ihr Wachstum mit einer Ausdehnung der Staatsverschuldung erkauft haben, führt Scholz ins Feld, um erneut für eine Reform der Schuldenbremse zu werben.
Dass die jeweiligen Maßnahmenvorschläge nicht die einzigen sein sollen, darüber sind sich beide Kandidaten einig: Arbeitslose sollen wieder vermehrt zu Arbeit gezwungen werden, Sanktionen verschärft und nach Wunsch der CDU auch ersatzlos gestrichen werden können. Das soll dann „neue Grundsicherung“ heißen und arbeitsfähige Menschen zur Arbeit zwingen.
Olaf Scholz lässt sich währenddessen diesbezüglich darüber aus, er sei „der Politiker in Deutschland, der am stärksten für harte Sanktionen bei der früheren Grundsicherung und beim Bürgergeld steht.“
Wie den Haushalt schaffen für mehr Waffen?
Über ein Milliardenloch im Haushalt für 2025 ist die Ampelregierung zerbrochen. Wirtschaftsförderungsprogramme, der Ukraine-Krieg und die Aufrüstung, sowie allgemein steigende Staatsausgaben machten eine Ausweitung der Staatsverschuldung notwendig – oder eben umfassende Kürzungen.
Mit den sich zuspitzenden Krisen und einem drohenden Handelsstreit mit den USA und dadurch weiteren Belastungen für die deutsche Wirtschaft hat sich die Ausgangssituation nur verschärft. Dementsprechend wurde sich auch an dieser Stelle des TV-Duells ein hitziger Schlagabtausch geliefert darüber, wie der geforderte deutsche Imperialismus seine Kosten bewältigen soll.
Dabei warf Friedrich Merz Olaf Scholz vor, mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes den „Mittelstand“ zu zerstören und außer Landes zu zwingen. Merz seinerseits verspricht umfassende Steuererleichterungen, die laut Olaf Scholz ein Haushaltsloch von jährlich zwischen 80 und 110 Milliarden Euro ausmachen würden.
Es wäre ein Steuergeschenk, mit dem entweder von vornherein nicht in diesem Umfang gerechnet werden kann oder das nur mit schwersten Kürzungen in allen Bereichen einhergehen müsste. Solche Kürzungen, genannt „Prioritätensetzungen“, sind auch von Merz vorgesehen. Nur behauptet er, dass ein angebliches Wirtschaftswachstum Mindereinnahmen wieder ausgleichen könnte – trotz sinkender Exporte und möglicher Handelskonflikte mit den USA.
Laut Olaf Scholz führe jedoch kein Weg vorbei an neuen Schulden und einer stärkeren Besteuerung von Spitzeneinkommen. Damit könnten dann auch steigende Verteidigungsausgaben von mindestens 30 Milliarden Euro zusätzlich ab 2028 getätigt werden, wenn man von einer Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO ausgeht. Dass man eine Erhöhung auf bis zu drei Prozent als erforderlich betrachtet, darüber konnte Friedrich Merz nicht hinwegtäuschen. Nur die Frage der Finanzierung ist offen.
Dabei ist klar, dass diese in jedem Fall zu Lasten der Arbeiter:innenklasse ausfallen wird. Mit der Steigerung der Wirtschaftsleistung bei gleichzeitig sinkenden Reallöhnen, Arbeitszwang durch eine Ausweitung der Sanktionen und weiteren Massensteuern wie die neue CO2-Bepreisung werden die Kriegskassen gefüllt.
Ob sich die Ideen von Cum-Ex-Scholz, oder Blackrock-Merz durchsetzen, wird am Wahltag entschieden – wenn die Umfragen auch in eine eindeutige Richtung zeigen: Der Ausgang wird in jedem Fall kein Guter für die Arbeiter:innen sein. Wir müssen uns härtere Bandagen anziehen, um nicht weiter durch die Maßnahmen zur Krisenbewältigung und Kriegsvorbereitung zwischen die Mahlsteine zu geraten.