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TVöD: Beschäftige kämpfen bundesweit für Lohnerhöhungen und gegen „Arbeitsbedingungen, die krank machen“

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hat bisher kein Angebot in der Tarifverhandlung für den öffentlichen Dienst vorgelegt. Die Ver.di und GEW riefen in der vergangenen Woche zu landesweiten Streiks und Protestaktionen auf. Diese Woche wird in einigen Städten der öffentliche Nahverkehr lahm liegen.

Die nächste Verhandlungsrunde für Arbeiter:innen im öffentlichen Dienst, die am 24. Januar begonnen hat, ist ohne Einigung vertagt worden. Der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) gilt für knapp 2,6 Millionen Arbeiter:innen bei Kommunen und Bund. Er wird aber auch auf knapp eine Million Beamt:innen übertragen. Außerdem stellt er für die Einrichtungen im Öffentlichen Dienst ohne Tarifvertrag eine Orientierung dar.

Dies macht die Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen zu einer der einflussreichsten Tarifrunden überhaupt.

Streiks in NRW und Berlin legen Verkehr lahm

Als Reaktion auf die stockenden Verhandlungen zwischen ver.di und der VKA, kündigte ver.di Warnstreiks und Protestaktionen an. Die ersten Aktionen fanden bereits in Bayern, Baden-Württemberg, NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt statt.

In Köln kam der gesamte Betrieb der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) zum Erliegen, während auch in Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und am linken Niederrhein zahlreiche Bus- und Bahnunternehmen betroffen waren. Zusätzlich streikten Beschäftigte in anderen Branchen, etwa in Kliniken, bei Stadtverwaltungen, im Wasserstraßenamt und im Umweltbetrieb, was unter anderem zu geschlossenen OP-Sälen, Parks und Schleusen führte.

Auch in Berlin folgten am Montag Warnstreiks, unter anderem bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Die BVG kritisierte die Streiks als „unverhältnismäßig“. Der Verhandlungsführer von ver.di zeigte sich dagegen positiv gestimmt: „Die Streikbeteiligung ist sehr hoch. Wir gehen davon aus, dass alle Fahrzeuge auf dem Hof bleiben.“ Nach 8 Uhr gab es demnach in der gesamten Stadt Staus.

An den Warnstreiks im öffentlichen Dienst der Kommunen in Baden-Württemberg nahmen am 6. Februar etwa 2.200 Beschäftigte teil. Die GEW-Landesvorsitzende Franzi Hense kritisierte dabei, dass flächendeckend Personal fehle. „Das führt zu enormen Belastungen durch Überstunden und Arbeitsverdichtung. Auf Dauer machen solche Arbeitsbedingungen krank und treiben motivierte Kolleg:innen aus dem öffentlichen Dienst“, so Hense weiter.

Deutsche Post: Mit Streiks in die dritte Verhandlungsrunde

Weitere Streiks in Berlin, Südbaden und im Ruhrgebiet angekündigt

In Freiburg wird am Donnerstag zu einer Streikdemo aufgerufen. An diesem Tag wird – wie bereits am 30. Januar – der gesamte Stadtbahnverkehr lahm liegen. Ähnlich wird es am Mittwoch im Ruhrgebiet aussehen. In Mülheim und Essen werden alle Busse und Bahnen auf den Betriebshöfen stehen bleiben.

Am 13. und 14. Februar kämpft in Berlin die Belegschaft von Vivantes und Charité für bessere Löhne. Die Arbeiter:innen der Berliner Stadtreinigung (BSR) sollen nach der nächsten Verhandlungsrunde folgen. So solle gezielt Druck auf die nächste Verhandlungsrunde ausgeübt werden, denn der VKA legte bis zum 24. Januar kein Angebot vor.

Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöfer betonte: „Charité und Vivantes sind zwei der größten Klinikkonzerne Deutschlands und damit Schwergewichte im Arbeitgeberverband. Wir erwarten, dass sie sich im Sinne ihrer Beschäftigten für ein gutes Angebot starkmachen.“ Warum die Gewerkschaftssekretärin nach anderen Verhandlungsrunden an eine Einlenken der Konzerne im Sinne der Beschäftigten glaubt bleibt fraglich.

Ver.di fordert Reallohnsenkung – Kapitalverbände sind entsetzt

Die Forderung von ver.di für die Kolleg:innen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen belaufen sich auf eine Entgelterhöhung von 8 %, aber mindestens 350 Euro mehr im Monat.

„Acht Prozent – das ist völlig utopisch und unverantwortlich. Die Gewerkschaften sollten lieber von dieser immensen Forderung Abstand nehmen“, erklärt der DIW-Chefökonom Marcel Fratscher. Auch mehr Urlaubstage bezeichnet er als „versteckte Lohnerhöhung“ und appelliert an die DGB-Gewerkschaften, keinen Streik „vom Zaun zu brechen“.

Auch der Hauptgeschäftsführer der VKA, Niklas Benrath, zeigt sich entrüstet über die Streiks. Zu rasch und zu harsch seien die sofortigen Maßnahmen des Arbeitskampfes der Gewerkschaften. „Bereits vor der zweiten Verhandlungsrunde Warnstreiks durchzuführen, belastet die Bürgerinnen und Bürger“, so Benrath. Karin Welge, Präsidentin des VKA und Verhandlungsführerin, betont, dass die Kommunen keinerlei weiteren finanziellen Spielraum hätten – zu groß sei die aktuelle und noch hinzukommende Verschuldung.

Dabei rückt die seit Jahren im Raum stehende Forderung eines realen Inflationsausgleichs in immer weitere Ferne. Die Reallohnsenkung steht aktuell bei mindestens 4 %. Denn in den letzten Tarifrunden sind die Löhne um 14,2 % gestiegen, während die Inflation seit 2020 bei durchschnittlich 18 % liegt. Bei unteren Einkommensgruppen ist diese aber real höher, da die Preise bei Miete, Strom und besonders Lebensmitteln deutlich mehr als im Durchschnitt gestiegen sind.

Ein Rechenbeispiel zeigt, dass die Reallohnsenkungen oft deutlich über 4 % liegen: Eine Erzieherin (in Entgeltgruppe S8a/Stufe 6) mit einem derzeitigen Monatseinkommen 3.979,52 Euro brutto erhielt Ende 2024 als monatliches Bruttogehalt 4.409,39 Euro; das heißt 429,87 Euro (10,8 Prozent) mehr. Der Reallohnverlust liegt also bei etwa 7,1 Prozent.

TVöD 2025: Forderungen von ver.di deuten Reallohnverlust an

Hinzu kommt eine prognostizierte Steigung der Inflation in 2025 um mindestens 2,3 %. Ergo ist eine Lohnerhöhung von 8 % bei einer Laufzeit von 12 Monaten – also die Grundforderung mit der Ver.di in diese Verhandlungen tritt – bereits eine Reallohnsenkung. In den letzten Tarifverhandlungen zeigte sich zudem, dass der „Kompromiss“ am Ende sowohl eine niedrigere Entgelterhöhung, als auch eine deutlich längere Laufzeit mit sich brachte.

Geld fürs Militär statt den öffentlichen Dienst?

Die Organisation Betriebskampf sieht die Verantwortung unter anderem bei der Regierung, die lieber 100 Milliarden Euro ins Militär statt in den Sozial- oder Gesundheitsbereich steckte: „Ende Dezember 2024 hat sich nun auch der Städte- und Gemeindebund zu Wort gemeldet und warnt vor einem Kollaps des gesamten Öffentlichen Dienstes. Es sind 100.000 Stellen unbesetzt und 0,5 Millionen Beschäftigte gehen in den nächsten zehn Jahren in Rente.“

Betriebskampf fordert daher: „Der Öffentliche Dienst muss für Beschäftigte wieder attraktiver gemacht werden, um die öffentliche Versorgung sicher zu stellen!“

Der Verhandlungsführer des Deutschen Beamtenbunds (dbb) Volker Beyer kritisiert ebenfalls die verantwortlichen Politiker:innen, die sich quer stellen würden. „Wenn Frau Faeser und Frau Welge uns in den Verhandlungen nur immer wieder die Finanzkrise der Kommunen vorhalten, kommen wir hier keinen Schritt weiter“, erklärt Beyer. Er sieht den Bund und die Länder in der Handlungspflicht um gegen die Verschuldung der Kommunen vorzugehen.

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