Zeitung für Solidarität und Widerstand

Wahlspektakel vorbei – Zeit, für unsere Interessen zu kämpfen

Seit dem Bruch der Ampel-Koalitionen überschatteten die Neuwahlen fast jedes andere Thema in Deutschland. Mit den Wahlen hinter uns und einer Merz-Kanzlerschaft vor uns sollten wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf die tatsächlich wichtigen Probleme der Arbeiter:innenklasse richten. – Ein Kommentar von Herbert Scholle.

Fast drei Monate dauerte es nach dem Ampel-Aus, einen neuen Bundestag zu wählen. Während dieser Zeit hatten deutsche Politiker:innen nur eins im Sinn: Wie sichern wir unsere Sitze im Bundestag oder gewinnen mehr dazu? Nicht, dass es ihnen sonst darum ging, die Wähler:innenschaft nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten. In den vergangenen Wochen war ihr Motiv so klar wie sonst nie: jedes Ereignis, jede Abstimmung, jede Debatte wurde für den Wahlkampf instrumentalisiert.

Klassenkampf statt Wahlzirkus

Nun ist das Ergebnis da, und wir dürfen uns höchstwahrscheinlich auf eine Große Koalition mit Merz als Kanzler freuen. Laut dem Modell unserer ach-so-fortschrittlichen Demokratie ist unsere politische Beteiligung damit für die kommende Zeit erst einmal zum größten Teil erledigt. Nach der Wahl sollen wir schön brav dem System vertrauen und damit für die nächsten vier Jahre wie gewohnt klein beigeben und die politischen Machenschaften der Herrschenden über uns ergehen lassen. Schließlich haben wir mit unseren Stimmen den Politiker:innen unser Mandat verliehen, und diese handeln nun in unserem Interesse – so zumindest haben wir es im Politikunterricht gelernt. Wenn uns etwas nicht passt, können wir ja vielleicht ein paar Unterschriften sammeln oder flehend an unsere Abgeordneten appellieren.

Doch wenn man mal aus dem fantasievollen Politiklehrbuch aufschaut und einen Blick in die echte Welt wirft, wird einem schnell klar, wessen Interessen Merz und Co. tatsächlich folgen werden: Nämlich denen der Großunternehmer:innen und der Lobbyist:innen, nicht etwa denen der eigenen Wähler:innenschaft. In anderen Worten: Wenn wir wollen, dass jemand für unsere Interessen als Arbeiter:innen einsteht, dann müssen wir das selber tun und nicht auf Blackrock-Merz oder Cum-Ex-Scholz vertrauen. Lassen wir also das Wahlspektakel hinter uns und kämpfen wir für unsere eigenen Interessen – im Betrieb, an der Uni, auf der Straße und auch überall sonst.

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Die Steigbügelhalter werden den Faschismus nicht bekämpfen

Was uns diese Wahl einmal mehr gezeigt hat, ist, dass der Faschismus in Deutschland immer weiter auf dem Vormarsch ist. Nicht nur erreicht sein parlamentarischer Arm mehr als 20 Prozent bei der Wahl, auch bei den etablierten Parteien wird er immer salonfähiger. Die viel beschworene Brandmauer hin zu den Parteien der bürgerlichen Mitte konnte er folgenreich durchbrechen, doch auch darüber hinaus hat das Wahlspektakel einmal wieder deutlich gemacht, dass wir längst den Punkt überschritten haben, an dem Union, SPD und Grüne seine Positionen und Rhetorik nicht längst in ihre Politik integrieren. Damit spielt es auch gar keine Rolle, ob die AfD mitregiert – ihren Zweck, den politischen Rahmen immer weiter nach rechts zu verschieben, erfüllt sie schließlich auch aus der Opposition heraus.

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Für uns muss also klar sein, dass der Staat nicht unser Freund ist, wenn es darum geht, den Faschismus zu bekämpfen. Ganz im Gegenteil steckt er mit ihm unter einer Decke, sei es, wenn er dabei hilft, rechte Terrorstrukturen aufzubauen und aufrechtzuerhalten oder wenn Merz und Co. ihn benutzen, um sich selbst als das kleinere Übel zu inszenieren und so Repressionen und Rechtsruck voranzutreiben.

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Der Schluss, den wir als Antifaschist:innen daraus ziehen müssen, ist, dass es an uns liegt den Faschismus zurückzuschlagen. Wir müssen selbst aktiv werden und ihm entschlossen entgegentreten – Schulter an Schulter. Dabei dürfen wir auch nicht davor zurückschrecken, militantere Kampfformen zu nutzen oder uns von den Repressionen des Staats einschüchtern lassen.

Krieg und Mord – Nicht mit uns!

Dass die Bundestagsabgeordneten nichts auf unsere Interessen geben, wird beim Thema Krieg und Militarisierung klarer als bei keinem anderen. Bis auf ein paar Unterschiede in der geostrategischen Ausrichtung und mit Ausnahme der Linken sind sich alle einig: Mehr Waffen und Kriegsgerät und mehr Jugendliche auf den Krieg vorbereiten – schließlich erwartet man eine Auseinandersetzung mit Russland spätestens zum Ende des Jahrzehnts. Also, her mit der Wehrpflicht, selbst Schulden sind schon akzeptabel, solange damit Waffen hergeschafft werden.

Das gleiche gilt auch in der Außenpolitik: Die strategischen Bündnisse müssen aufrecht erhalten werden, egal was es koste. Dann hat man halt mal ein paar zehntausend Tote mehr auf dem Gewissen oder schlägt so nebenbei ein paar hundert demonstrierende Student:innen zusammen, oder man greift einfach mal die Pressefreiheit von Journalist:innen an, die über das Morden berichten, an dem man sich beteiligt.

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Dass es nicht in unserem Interesse ist, für die Profite von Großunternehmen und die internationale Machtstellung Deutschlands an der Front zu sterben, ist selbsterklärend. Dass wir uns mit den Opfern von Krieg und Genozid solidarisieren sollten, ergibt sich spätestens dann, wenn man noch einen Funken Empathie in sich hat. Doch was tun, wenn Politiker:innen das Töten, egal in welchem Maßstab, als nötig erachten um die eigene Macht zu schützen?

Simpel: wir müssen ihnen zeigen, dass wir nicht einfach wegschauen oder uns gar daran beteiligen werden. Wir müssen den innenpolitischen Preis für ihre Kriegstreiberei so weit in die Höhe treiben, dass sie keine andere Wahl haben als das Morden zu stoppen. Wenn sie Krieg treiben wollen, um die eigene Macht zu sichern, dann lasst uns ihnen klarmachen, dass sie ihre Macht verlieren werden, wenn sie mit den Leben von Arbeiter:innen spielen.

Schulter an Schulter

Und das ist gerade mal eine grobe Aussicht auf das, was auf uns zukommt. Egal, ob es die viel diskutierte Einschränkung des Streikrechts, die Beschneidung der Rechte von Transmenschen oder Abschiebungen und Rassismus auf einem seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenen Niveau sind – die Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse werden weitergehen.

Nach der Wahl ist also nicht die Zeit sich zurückzulehnen und mal zu schauen, wie sich die neue Regierung so schlägt. Nein – jetzt mehr als je zuvor ist es an uns, für unsere Interessen einzustehen und zu kämpfen. Stecken wir nicht den Kopf in den Sand und lassen wir uns nicht von leeren Worten blenden. Gehen wir auf die Straße, organisieren wir uns und schlagen wir zurück!

Herbert Scholle
Herbert Scholle
Perspektive-Autor seit 2023 und -Redakteur seit 2024. Der Berliner Student schreibt besonders gern über Arbeitskämpfe und die Tricks der kapitalistischen Propaganda. Er interessiert sich außerdem für Technologie und Fußball sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.

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