Seit einer Woche streiken 10 LKW-Fahrer:innen gegen schlechte Arbeitsbedingungen und nicht bezahlte Löhne. Ein Tochterunternehmen der baden-württembergischen Hegelmann Group reagierte mit Einschüchterungsversuchen bis hin zur Entführung eines Fahrers. Die Situation weckt Erinnerungen an einen Streik auf der Raststätte Gräfenhausen im Jahr 2023.
Sie stehen verteilt auf Raststätten in Krefeld, Merklingen, Nürnberg, Bremen und Wildeshausen, sowie einige in Frankreich und eine Person in Italien: Seit einer Woche sind 10 LKW-Fahrer:innen der Global Transporte Slovakia und des polnischen Unternehmens Flare Trans – beides Tochterfirmen der in Baden-Württemberg ansässigen Spedition Hegelmann Group – in einen wilden Streik getreten.
Protestiert wird gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und nicht bezahlte Löhne, die sich die Fahrer:innen nun einfordern. Sie transportieren Waren unter anderem für deutsche Großkonzerne wie Aldi, Lidl und große deutsche Autohersteller, aber auch für Amazon durch ganz Europa.
30 Euro am Tag für ein Leben in der Fahrerkabine
Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge soll einem Fahrer ein Lohn von 2.500 Euro monatlich versprochen worden sein. Tatsächlich wurde er aber mit weitaus geringeren Beträgen entlohnt – manchmal mit 400, manchmal 600 Euro, berichtet der Fahrer. Er gab außerdem an, er müsse die Kosten für Unterkünfte tragen, obwohl ihm versprochen worden sei, dass das Unternehmen dafür aufkäme.
Die Fahrer:innen hätten deshalb seit Monaten in ihren Kabinen übernachten müssen, berichtet die Gewerkschaft ver.di. Sie seien mit 30 Euro pro Tag entlohnt worden, statt mit dem gesetzlichen slowakischen Mindestlohn.
Die Gewerkschaft spricht zudem von einer gezielten Anwerbung von Fahrer:innen aus dem südafrikanischen Staat Simbabwe. Diese würden in diesem Angebot eine Perspektive für die Zukunft sehen. Genau diese erhoffte Perspektive aber nutzten die Speditionen als Druckmittel aus.
Bei manchen Fuhrunternehmen sei es gängige Praxis, die Aufenthaltserlaubnis an den Job zu knüpfen. Die Fahrer:innen befürchten demzufolge nicht nur existenzielle Konsequenzen im Job, sondern zusätzlich durch slowakische Behörden. Einigen Streikenden sei z.B. mit Abschiebung gedroht worden, sobald sie wieder in der Slowakei sind.
Einschüchterung durch das Fuhrunternehmen
Die protestierenden Fahrer:innen wurden also unter massiven Druck gesetzt. Mehreren Berichten zufolge soll dem wilden Streik zunächst mit Einschüchterungsversuchen von Seiten des Unternehmens begegnet worden sein. Ein Vorfall ereignete sich kürzlich auf dem fränkischen Rastplatz Steigerwald auf der A3 zwischen Nürnberg und Würzburg: am vergangenen Dienstag, 4.2.25, sollen dort drei Männer versucht haben, in das Führerhaus eines 39-jährigen Fahrers einzudringen. Dieser hatte daraufhin die Polizei gerufen, die nun ermittelt.
Ein anderer Fahrer soll von zwei Männern in seinem LKW entführt worden sein. Die Polizei stoppte das Fahrzeug am Parkplatz Weißer Graben Süd nahe Nürnberg. Ein 31-jähriger wurde dabei festgenommen, teilte die Polizei Mittelfranken mit.
In einem Video auf YouTube berichtet ein anderer Fahrer, das Unternehmen habe schlicht die Autobatterien der Streikenden entnommen, sodass sie in den Kabinen keine funktionierende Heizung mehr hätten.
Auf die Anfrage von Perspektive hin bezog die Hegelmann Group keine Stellung. Auch gegenüber der Frankfurter Rundschau äußerte sich das Mutterunternehmen nicht. Das polnische Unternehmen Flare Trans war gar nicht erst nicht erreichbar. Das Tochterunternehmen Global Transporte Slovakia wies laut Frankfurter Rundschau alle Vorwürfe zurück und erklärte, alle Löhne gezahlt und Unterkünfte zur Verfügung gestellt zu haben.
Ausbeutung und Widerstand auf der Autobahn
Das Mutterunternehmen, die Spedition Hegelmann sitzt in Deutschland. Eigentlich verpflichtet das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Unternehmen dazu, für faire Arbeitsbedingungen entlang ihrer gesamten Lieferkette zu sorgen. „Ignorieren wir diese Missstände, fördern wir ein System, das Ausbeutung zulässt und wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der Menschenrechte erzielt“, so ver.di. Die Gewerkschaft fordert die konsequente Einhaltung des Gesetzes und warnt, dass Bürokratieabbau nicht den Schutz grundlegender Menschenrechte gefährden dürfe.
Immer wieder beklagen Fahrer:innen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Druck und Erpressung durch die Logistikunternehmen und nicht gezahlte Löhne. Trotz existenzieller Abhängigkeitsverhältnisse in der Branche formiert sich nun vermehrt Widerstand gegen die übermäßige Ausbeutung.
2023 gab es einen wilden Streik von über 100 LKW-Fahrer:innen auf der Raststätte Gräfenhausen in der Nähe von Frankfurt. Diese warteten über Monate auf ausstehende Löhne – vom polnischen Speditionsunternehmen Mazur war ein Tagessatz von 80 Euro versprochen worden. Der Chef des Unternehmens, Lukasz Mazur, tauchte dann mit dem paramilitärischen Schlägertrupp Rutkowski Patrol auf, um die Fahrer:innen einzuschüchtern.
Die Arbeiter:innen traten schließlich in einen Hungerstreik. Durch die Proteste musste das Unternehmen Mazur einlenken und die geforderten Löhne letztendlich auszahlen.
Im Auftrag des Chefs: Schlägertruppe greift streikende LKW-Fahrer an