Die deutschen Unternehmen scheinen ihre Produktion verstärkt nach Osteuropa umzulagern. Das legen zumindest Veröffentlichungen des Beratungsunternehmens KPMG und des Lobbyverbandes „Ostausschuss der deutschen Wirtschaft“ nahe. Wir haben die Ergebnisse zusammengefasst.
Gleich zwei Publikationen aus den vergangenen Wochen zeigen eine Tendenz in der Neuausrichtung der kriselnden deutschen Großunternehmen auf. Sie besteht darin, dass Osteuropa zunehmend in den Fokus der Interessen des deutschen Kapitals rückt. Zum einen handelt es sich dabei um die von dem Beratungsunternehmen KPMG und dem Ostausschuss der deutschen Wirtschaft (OA) gemeinsam herausgegebene Studie German CEE-Business Outlook 2025.
Bei der Gemeinschaftsstudie befragten KPMG und OA 133 Unternehmen, die in den Ländern Mittel- und Osteuropas aktiv sind oder waren, zu ihren Absichten hinsichtlich einer möglichen Produktionsverlagerung. Der Ostausschuss beschäftigt sich mit dem deutschen Außenhandel in die Staaten Osteuropas und des Balkans bis in den Kaukasus und Zentralasien.
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Gründe für die Auslagerung der Produktion
Demnach gaben 22 % an, 2025 möglicherweise Produktionsaktivitäten zu verlagern. Für 3 % ist bereits klar, dass sie dies bis Februar 2026 tatsächlich tun werden. Dabei werden drei Länder von den Unternehmen bevorzugt: Auf Platz eins liegt Polen mit 51 %, es folgen Rumänien mit 43 % und die Ukraine mit 41 %.
Die Unternehmen gaben hauptsächliche drei Gründe für ihre Verlagerungserwägungen an. Das sind mit 40 % die hohe Binnennachfrage in den einzelnen Ländern. Es folgen mit 37 % die dort verfügbaren Fachkräfte. 33% gaben zudem an, dass die niedrigen Arbeitskosten in den Ländern ausschlaggebend seien.
Die Unternehmen sehen jedoch nicht nur Chancen, sondern auch Risiken in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Dabei belegen Sorgen um die Sicherheit den ersten Platz. Auf Platz zwei folgt die Korruption. Den dritten Platz nehmen die bürokratischen Hürden ein.
Deutsche Exportländer: Polen überholt China
Zum anderen zeigt sich diese Tendenz in einer Auswertung des OA aus Daten des Statistischen Bundesamtes (StBA) zum Außenhandel. Aus der Auswertung des OA geht hervor, dass Polen die Volksrepublik China als Exportland für Güter aus der BRD überholt hat und nun auf Platz vier liegt. Das Exportvolumen nahm um 3,5 % zu und liegt jetzt bei 93,8 Milliarden Euro.
Auch die Ausfuhren in die Ukraine nahmen erheblich zu. Sie stiegen um 17 % auf 8,2 Milliarden Euro. Das Gesamtexportvolumen in die 29 Länder, die der Ostausschuss (OA) umfasst, nahm 2024 abweichend vom Negativtrend der deutschen Exportwirtschaft sogar um 1 % zu und betrug 281 Milliarden Euro.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung dieser Resultate stellte die Vorsitzende des OA Cathrina Claas-Mühlhäuser Forderungen an die zukünftige Bundesregierung. Unter anderem verlangte sie, dass die Zusammenarbeit zwischen Berlin und dem mit Abstand wichtigsten östlichen Handelspartner Polen eine neue Qualität erreichen müsse. Es solle darüber hinaus mit Warschau die europäische Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und der Wiederaufbau der Ukraine koordiniert werden.
Mit Bezug auf die Ukraine sagte Claas-Mühlhäuser: „Sicherheit für die Ukraine bedeutet auch Sicherheit für die dort engagierten deutschen Unternehmen“.
Was der Ostausschuss im Einzelnen von der neuen Bundesregierung erwartet, machte er in einem gesondert publizierten Dokument klar. In den Empfehlungen für die künftige Bundesregierung wünscht sich der Lobbyverband beispielsweise einen Wiederaufbau der Ukraine unter Kriegsbedingungen, Abbau von Wirtschaftshemmnissen und die Sicherung der europäischen Rohstoffversorgung.