Zeitung für Solidarität und Widerstand

Aufrüstung in der deutschen Autoindustrie: Panzer-Produktion bei VW ab 2026

Die deutsche Autoindustrie kriselt seit Jahren. In der aktuellen Militarisierung wird sie eine wichtige Rolle spielen, indem sie zurück zu ihren Wurzeln geht. – Ein Kommentar von Benjamin Schwartz.

Obwohl der (west-)deutsche Staat die Autoindustrie seit jeher päppelt, befindet sie sich  mittlerweile seit mehreren Jahren in einer Krise. Für die Autoindustrie als treibende Kraft der gesamten deutschen Wirtschaft wurde nun eine Lösung gefunden, wenngleich dabei das Auto in den Hintergrund rückt.

Doch der Reihe nach: Dass die deutsche Autoindustrie es verpasst hat, mit der Zeit zu gehen, ist ein Allgemeinplatz. Zu sehr wurde der Fokus auf Luxuswagen gelegt, die in Deutschland als Firmenwagen subventioniert unter die Bevölkerung gebracht werden sollten. Gleichzeitig wurde dem Trend zu neuen Antriebstechnologien wie dem Elektroantrieb nur halbherzig gefolgt.

Chinesische Firmen wie BYD haben es derweil geschafft, preisgünstige E-Autos zu produzieren und so vor allem im großen Markt China die deutschen Autofirmen zurückzudrängen. Tesla wiederum dominierte zumindest bis zu Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit den nordamerikanischen und europäischen E-Auto-Markt.

Das E-Auto als Rettung?

Zweifelsohne haben E-Autos eine fragwürdige ökologische und soziale Bilanz. Wird Strom nicht aus erneuerbarer Energie gewonnen, wird die Umwelt in ähnlichem Maße verschmutzt wie bei der üblichen Verbrennertechnologie. Vorteil ist lediglich, dass der Ausstoß nicht in Städten geschieht, sondern in den entsprechenden Kraftwerken.

Die Gewinnung der Seltenen Erden für Batterien erinnert vielerorts an koloniale Zeiten. In Abbaugebieten wie sie in Chile und Argentinien zu finden sind, wird großflächig Land unbewohnbar gemacht, nicht selten auf Kosten indigener Menschen. Dass der Ukrainekrieg von Seiten des sogenannten Westens ein Stellvertreterkrieg ist, in dem es unter anderem um diesen wichtigen Rohstoff geht, kommuniziert US-Präsident Trump offen.

Der Preis der „Unabhängigkeit“ oder: Wie die Ukraine zum Vasallen der USA wurde

Nichtsdestotrotz bleibt zu konstatieren, dass versucht wird das Auto weiterzuentwickeln und die Wünsche der Konsument:innen zu erfüllen. Wesentlich schlimmer ist die Lösung für Deutschlands Autoindustrie.

Die Abkehr vom Auto

Wenn es eine Industrie gibt, die aktuell großes Wachstum verspricht, dann ist das die Rüstungsindustrie. 400 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren für die Bundeswehr wurden kürzlich beschlossen. Zusätzlich wurden Rüstungsausgaben de facto von der Schuldenbremse ausgenommen. Der öffentliche Diskurs und Aussagen von Politiker:innen verschiedenster Parteien lassen darauf schließen, dass diese Spielräume nicht ungenutzt bleiben werden.

Parteien im Bundesrat segnen Kriegskredite und Sondervermögen ab

Ob in Neuss in unmittelbarer Nähe ihrer Zentrale oder in Städten wie Osnabrück plant Rheinmetall Fabriken der Autoindustrie zu übernehmen. An vielen Orten sollen die Mitarbeiter:innen zumindest zu großen Teilen übernommen werden. Volkswagen zeigt sich derweil offen, dass in weiteren Werken schon 2026 statt Autos Panzer produziert werden könnten.

Kritische Stimmen sind nicht nur im Bundestag, sondern auch in Länder- und Kommunalparlamenten eine Minderheit. Während sich der Hauptausschuss der Stadt Neuss für die oben erwähnte Ansiedlung von Rheinmetall ausspricht, kritisiert der Stadtverordnete Vincent Cziesla (Linke), dass die Produktion von Waffen immer auf Krieg ausgerichtet ist. Ohne Zweifel werden die EU-Staaten nicht Billionen Euro in Kriegsmaterialien stecken, nur um sie in einigen Jahrzehnten ungenutzt wieder zu entsorgen.

Dass ein Wechsel von Auto- zu Rüstungsindustrie möglich ist, wurde in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bewiesen, indem Gegenteiliges geschah: Fabriken, Zulieferbetriebe und Arbeiter:innen mussten ihre Abläufe etwas ändern und schon kamen statt Waffen Autos aus den Fabriken. Die Waffenproduktion der Nazis legte einen entscheidenden Grundstein für die ungewöhnliche Stärke der deutschen Autoindustrie. Nun also zurück zu den Wurzeln?

Was möglich wäre

Das Auto ist per se ein recht ineffektives Verkehrsmittel im dicht besiedelten Deutschland. Mit seiner hohen Geschwindigkeit und den in hohem Maß verbauten Materialien wirkt es durch Unfälle, Umweltverschmutzung, Platzverbrauch und Erhitzung, trotz seiner emanzipatorischen Fähigkeiten destruktiv. Der öffentliche Raum wird, ob in Großstädten oder Dörfern, vom Auto in Beschlag genommen und somit kaum mehr nutzbar, sodass Menschen in ihrer Zeitgestaltung auf private Räume zurückgeworfen sind. Vereinsamung und Entfremdung nehmen zu.

Gleichwohl können die Kapazitäten der Autobetriebe und Fähigkeiten der Arbeiter:innen positiv umgenutzt werden. Der Maschinenbaukonzern Škoda bewies jahrzehntelang bis zu seiner Privatisierung, dass ein Nebeneinander von Automobil und öffentlichem Nahverkehr in der Produktion erfolgreich möglich ist.

Doch statt sich auf eine angesichts des Klimawandels sinnvolle Produktion zu fokussieren, entscheiden sich Automobilkonzerne und Politik für eine Verschwendung von Ressourcen und Arbeitskraft für die schlechtestmögliche Alternative. Womöglich wird sich das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten Jahren erhöhen. Die Lebensqualität der Mehrheit der Deutschen jedoch nicht.

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