Zeitung für Solidarität und Widerstand

Frauen kämpfen gegen Kapitalismus und Patriarchat

Ob gegen patriarchale Gewalt und Sozialkürzungen oder für nationale Befreiung und Sozialismus: Frauen sind heute weltweit eine zentrale Kraft im Klassenkampf von unten. Warum wir ihrem Vorbild folgen sollten, kommentiert Alexandra Magnolia.

Ausbeutung und Unterdrückung beherrschen das Leben der Arbeiter:innenklasse. Rechte Parteien befinden sich weltweit im Aufschwung: Meloni in Italien, Le Pen in Frankreich, Milei in Argentinien oder die AfD in Deutschland. Gleichzeitig regt sich der Widerstand weiter. Ob im Kampf gegen Faschismus und Krieg oder für Gleichheit und Gerechtigkeit, Frauen der Arbeiter:innenklasse haben dabei schon immer eine wichtige Rolle eingenommen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ihre besonders schwierige Lage ruft häufig umso größere Aktion hervor.

Die Trauer zu Wut und Wut zu Widerstand verwandeln

International gab es dafür im vergangenen Jahr mehrere Beispiele. Ein wichtiges Thema war der Kampf gegen patriarchale Gewalt. In Frankreich gelangte der Fall von Gisèle Pelicot, welche vom eigenen Ehemann betäubt und im Internet zur Vergewaltigung angeboten wurde, im September in die Medien.

Frankreich: Verurteilungen im Fall Pelicot

Kurz darauf fanden in ganz Frankreich über 20.000 Kundgebungen und Proteste in Solidarität mit ihr statt. Pelicot hatte selbst gefordert, dass der Prozess öffentlich geführt wird, und machte immer wieder klar, dass sie sich für nichts zu schämen brauche. Doch nicht nur das, schnell drehten sich die Proteste nicht mehr nur um ihren Fall. Sie wurden zu einem Symbolbild für den Kampf um Gerechtigkeit in allen Fällen patriarchaler Gewalt.

In Indien kam es zu Massenprotesten nach der Vergewaltigung und Ermordung einer Ärztin. Der größte indische Ärzteverband Indian Medical Association rief zu einem eintägigen landesweiten Streik auf. Für einen ganzen Tag legten Mitarbeiter:innen aller Krankenhäuser im Land ihre Arbeit nieder und behandelten ausschließlich Notfälle. Es wurden Verbindungen gezogen zwischen der Gewalt gegen Frauen und den schlechten Arbeitsbedingungen im indischen Gesundheitssystem, dessen Ärztepersonal ca. 60 Prozent Frauen sind. Trotzdem gibt es in den meisten Krankenhäusern keine eigenen Waschräume oder Aufenthaltsräume für Frauen. Ende 2023 gab es außerdem große Streiks von Angestellten von Zentren für Mütter und Kinder, in denen ebenfalls überwiegend Frauen arbeiten und niedrige Löhne und Renten der Normalfall sind.

Massenproteste in Indien nach Vergewaltigung und Femizid an junger Ärztin

In der Türkei ermordete ein Mann im Oktober 2024 seine Partnerin und seine Ex-Partnerin in Istanbul in aller Öffentlichkeit. In Reaktion auf diesen besonders brutalen Mord strömten schon wenige Stunden später tausende Frauen auf die Straße. Die Proteste dauerten in Istanbul an und verbreiteten sich in weiteren Städten der Türkei und Nordkurdistans. Sie wurden von Frauen geführt, die sich nicht vom türkischen Staat und seiner Polizeimacht einschüchtern ließen. Die Proteste prangerten auch die Rolle des türkischen Staats an, der nichts gegen die Gewalt an Frauen unternimmt.

Die Reaktion darauf war Polizeigewalt und in Istanbul kam es mindestens zu fünf Festnahmen. Kein Wunder! Die Türkei ist ein faschistischer Staat, der 2021 auch aus der Istanbul-Konvention ausgetreten ist, wodurch die Möglichkeit auf strafrechtliche Verfolgung bei Gewalt an Frauen deutlich eingeschränkt wurde. Neben steigender Gewalt gegen Frauen durch Männer aus ihrem persönlichen Umfeld kam es auch in den letzten Jahren rund um die Frauenkampftage wie den 8. März zu zahlreichen Festnahmen von Aktivistinnen.

„Männer morden, und der Staat schützt sie“ – Proteste nach Femiziden in der Türkei

Frauen gegen Privatisierung und für nationale Befreiung

Nicht nur im Kampf gegen patriarchale Gewalt standen Frauen im vergangenen Jahr an vorderster Front. Auch in Griechenland, wo es über Monate Proteste gegen die Privatisierung von Universitäten gab, waren viele Frauen beteiligt. Kürzungen im öffentlichen Bereich haben die Universitäten verfallen lassen, worauf die Regierung nicht mit einer Behebung des Problems antwortete, sondern die Situation stattdessen als Anlass nahm, Privathochschulen einführen zu wollen. Am 8. März – dem internationalen Frauenkampftag – wurden dort die Kämpfe zusammengeführt und auf die besonderen Probleme der Frauen im Bildungssystem aufmerksam gemacht.

Ähnlich ist es in Argentinien, wo sich der neurechte Präsident Javier Milei selbst als „Antifeminist“ bezeichnet und zahlreiche Sparmaßnahmen zu Gunsten der Reichen und auf dem Rücken der Arbeiter:innen durchführt. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte Mileis Regierung das Frauenministerium aufgelöst. Zudem will er den Begriff des Femizids aus dem Strafgesetzbuch streichen. Zusätzlich hatte er Homosexuelle als pädophil bezeichnet.

In Kurdistan sind Frauen seit Jahrzehnten eine zentrale Kraft im Kampf um nationale Befreiung. In der autonomen Region Rojava im Norden Syriens haben sie eine entscheidende Rolle in der Errichtung dieses Freiraums gespielt sowie heute in der Gestaltung der Gesellschaft. Sie überwinden nationale und religiöse Spaltungen, indem unter anderem Araberinnen, Armenierinnen, Tscherkessinnen und Kurdinnen zusammenarbeiten im Kampf für Freiheit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung.

Seit dem Sturz des Assad-Regimes durch die Hay’at Tahrir al-Sham (HTŞ) ist dieser Zusammenschluss umso bedeutender, da die Autonomieregion erneut konkreter Gefahr ausgesetzt ist, vor allem durch die Truppen der Syrischen Nationalen Armee, die mit der Türkei zusammenhängen. In den von ihr besetzten Gebieten werden Vergewaltigungen, Entführungen und Femizide als Kriegswaffen eingesetzt.

„Historische Fehler“ in Syrien nicht wiederholen – Ein Interview mit der kurdischen Frauenorganisation Kongra Star

Ivana Hoffmann und die Frauenrevolution in Rojava

Der Kampf für Gerechtigkeit muss mit vielen Mitteln geführt werden. In Nordsyrien, in der autonomen Region Rojava, manifestiert er sich in Form von Frauenverteidigungseinheiten, die mit der Waffe in der Hand gegen den IS und türkische Besatzung kämpfen. Die Frauen dort haben es sich zur Aufgabe gemacht, für ihre Befreiung einzustehen und diese zu verteidigen. Dabei werden sie von Internationalist:innen aus der ganzen Welt unterstützt.

Eine Frau, die sich dazu entschlossen hatte, sich diesem Kampf anzuschließen, war Ivana Hoffmann aus Duisburg. Sie organisierte sich zunächst bei der sozialistischen Jugendorganisation Young Struggle und hatte dort ihre erste Berührung mit der Geschichte und Unterdrückung Kurdistans. 2014 entschied sie sich, in den Reihen der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei an der Seite der kurdischen Verteidigungstruppen zu kämpfen und ging nach Rojava.

Am 07. März 2015 wurde sie bei der Verteidigung des Dorfes Til Nasir von IS-Soldaten getötet. In diesem Jahr jährt sich ihr Todestag zum 10. Mal. Ein Grund mehr, ihr und allen anderen mutigen Frauen zu gedenken, die ihr Leben dem Kampf für Gerechtigkeit widmeten.

Für Ivana, für die Revolution

Militanz ist keine Männersache

In Deutschland sehen wir ebenfalls in zahlreichen sozialen Bewegungen, wie Frauen sich trotz und auch gerade aufgrund ihrer besonderen Unterdrückung und Ausbeutung engagieren. Dennoch sind auch diese Bewegungen und linke politische Organisationen nicht frei von patriarchalen Einflüssen und Vorurteilen. Ein solches Vorurteil, dass sich zum Beispiel hartnäckig hält, ist die Vorstellung, dass Frauen grundsätzlich weniger militant als Männer seien. Dabei ist bei der Militanz nicht die hauptsächliche Frage, ob man Gewalt persönlich zum Beispiel besonders toll und aufregend findet, sondern ob man auch bereit ist, die Konsequenzen für das eigene Handeln zu tragen.

Diese Konsequenz sehen wir bei den Frauen, die als Antifaschistinnen und Revolutionärinnen heute massiv vom deutschen Staat verfolgt werden, während sich Parteien wie die SPD, FDP oder Grüne angeblich „gegen Rechts“ positionieren. Daniela Klette, ehemaliges RAF-Mitglied, ist ein Beispiel für eine konsequente Revolutionärin, die auch nach Jahren der Illegalität standhaft geblieben ist, und der dieses Jahr der Prozess gemacht werden soll. Auch die Antifaschistinnen wie Hanna oder Lina, die für ihren militanten Antifaschismus langjährige Haftstrafen bekommen sollen, zeigen diese Haltung.

Kein Besuch für Daniela Klette: Solidarität bleibt ungebrochen

Kämpfen für die Frauenrevolution

Ob in Deutschland, in Europa oder auf anderen Kontinenten: Frauen leisten Tag für Tag Widerstand gegen das Patriarchat und den Kapitalismus. Damit kämpfen wir für unsere eigene Befreiung und auch für die Befreiung aller Ausgebeuteten und Unterdrückten. Was die verschiedenen Beispiele ebenfalls verbindet, ist die Rolle von Solidarität und Organisation. Alleine kommen wir in diesem System nicht weit. Unsere Gegner:innen wissen das auch ganz genau, und versuchen uns deshalb voneinander zu isolieren und uns zu spalten.

Unsere Antwort auf diese Verhältnisse ist die Frauenrevolution, die heute bereits mit der Bekämpfung des Patriarchats beginnt, ihre volle Kraft aber erst mit dem Sieg einer sozialistischen Revolution entfalten wird. Um dieser näher zu kommen, müssen Frauen in allen Klassenkämpfen in den ersten Reihen stehen und insbesondere den Kampf gegen das Patriarchat anführen. Dass wir diesen Platz einnehmen können, wird uns nicht geschenkt, sondern muss auch innerhalb der Arbeiter:innenklasse durchgesetzt werden. Denn auch hier wirken patriarchale Unterdrückungsformen, denen wir uns bewusst entgegenstellen müssen – egal welches Geschlecht wir haben. An Tagen wie dem 8. März, wenn wir als Frauen auf die Straße gehen, können wir die dafür notwendige Frauensolidarität und ein kollektives Selbstbewusstsein als Frauen im Klassenkampf lernen.

 

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 96 vom März 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

Alexandra Magnolia
Alexandra Magnolia
Schülerin aus dem Ruhrpott und seit Oktober 2023 Korrespondentin für Perspektive. Besonders gerne schreibt sie über die Frauenrevolution, Militarisierung und die Jugend. Hobbykünstlerin und Katzenliebhaberin.

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