Online-Trends, die junge Frauen in traditionelle Rollenbilder pressen sollen, gab es in den letzten Jahren immer wieder. Dagegen hilft nur zusammenhalten und Widerstand leisten, kommentiert Anna Müller.
Plattformen wie X, TikTok oder Instagram werden immer mehr zu Orten faschistischer Propaganda. Ob Kanäle von Organisationen, Parteien oder „unabhängigen“ Influencer:innen, die Rechten nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um ihre Zielgruppen – vor allem Jugendliche – zu erreichen. Auch wenn das Internet in den meisten Fällen keinen alleinstehenden Grund für eine Radikalisierung darstellt, so beeinflusst es trotzdem das Fühlen, Denken und Handeln. Anhand rechter Online-Trends in den vergangenen Monaten und Jahren lässt sich insbesondere der Versuch der Einflussnahme auf junge Frauen erkennen.
Diesen soll hiermit das faschistische Frauenbild aufgedrückt werden. Frauen sollen still, unterwürfig und wehrlos sein, kochen, putzen, Kinder gebären und erziehen, ihrem Ehemann nicht widersprechen und am Besten lächeln, während sie all das tun. In kurzen TikTok-Videos oder Instagram-Posts wird all dies mit einer ansprechenden Ästhetik versehen. Schließlich ist für einige der Frauen nicht das Hausfrau-Sein alleine die Berufung, sondern eben auch das Posten darüber. Am Ende des Tages sind sie Influencerinnen.
Patriarchat im Trend
Der sogenannte „Tradwife“-Trend, beziehungsweise die Tradwife-Bewegung, kam erstmals Ende der 2010er-Jahre auf, bekam aber besonders in den Jahren 2023/2024 Aufmerksamkeit auf Apps wie TikTok. Tradwife ist eine Mischung aus den Worten „traditional“ und „wife“. Dabei handelt es sich um eine Selbstbezeichnung von Frauen, die ein traditionelles, meist christlich-konservatives Leben bewerben und zeigen, wie sie selbst den ganzen Tag Zuhause bleiben, um den Haushalt zu verrichten und auf ihre oftmals große Anzahl an Kindern aufzupassen. Auch wird in den Videos immer wieder ein Fokus darauf gesetzt, dass die Frauen ihren Ehemännern durch ihr Aussehen gefallen wollen. Insgesamt erinnert die Ästhetik, wie auch der Inhalt, an das Bild von Frauen der 1950er Jahre.
Während viele Nutzer:innen dem Tradwife-Trend mit Parodien und Memes begegnen, schaffen Rechte es damit dennoch massenhaft Werbung für ihre Ideologie zu verbreiten. Vor allem begeistert der Trend junge Frauen, die die Perspektive in diesem System nicht ansprechen. Denn schließlich sind 40 Stunden zu arbeiten, zusätzlich zu allen anderen Aufgaben, die Frauen zugeteilt werden, die einzige Art der „Befreiung der Frau“, die der Kapitalismus zu bieten hat.
Ende des Jahres 2024 ging der sogenannte „Your Body, My Choice“- Trend viral. Dieser Spruch geht auf den US-amerikanischen Faschisten und Influencer Nick Fuentes zurück. Der Spruch, der von vielen jungen Männern online gefeiert und geteilt wurde, greift direkt das Recht von Frauen an, selbst über ihre Körper zu bestimmen, und sorgte dementsprechend auch für Angst unter jungen Frauen. Fuentes ist ein Bekannter Donald Trumps, der ebenfalls gegen das Recht auf Abtreibung ist. Der Spruch war also eher gute Werbung für den republikanischen Wahlkampf. Auch hier soll die patriarchale Rollenverteilung wieder klargemacht werden: Ob Frauen Kinder kriegen oder nicht, entscheiden wollen das Männer, sie selbst haben dabei kein Selbstbestimmungsrecht.
Gegenwehr organisieren
Am besorgniserregendsten erscheint der „National Rape Day“ (dt. Nationaler Vergewaltigungstag). Ursprünglich Anfang der 2010er Jahre von rechten Nutzern ins Leben gerufen und im Jahr 2021 wieder bekannt geworden, handelt es sich hierbei um das Gerücht, dass am 24. April jeden Jahres Männer Frauen straffrei vergewaltigen dürften. Auch wenn sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den seltensten Fällen mit einer Strafe endet, existiert so ein Tag nicht.
Frauen im Netz haben dadurch angefangen Videos mit ihren Tipps, wie man sich gegen sexualisierte Gewalt wehren kann, zu machen. Viele weitere, insbesondere junge Frauen, veröffentlichten Videos darüber, am 24. April das Haus nicht verlassen und sich verstecken zu wollen. Im Jahr 2024 geht dieser Tag auch in Deutschland nicht ohne Weiteres an den Menschen vorbei. In Berlin wurden über 800 Schulen vom Bildungsinnenministerium vor dem „Trend“ gewarnt, da Chats einiger Schüler:innen Besorgnis erregt haben.
Unsere Antwort auf Bedrohungen wie diese kann nicht sein, uns zu verstecken und uns in Angst und Schrecken versetzen zu lassen. Es muss unsere Aufgabe sein, Selbstschutz aufzubauen und als Frauen zu lernen, dass Selbstverteidigung legitim und notwendig ist. Wenn an unseren Schulen Mitschülerinnen besorgt sind vor potentiellen Angriffen, ist es unsere Aufgabe, uns zusammenzuschließen und gemeinsam aktiv zu werden.
Es muss unser Ziel sein, eine eigene Kultur im Internet, vor allem aber im realen Leben zu schaffen, die einem reaktionären Frauenbild den Kampf ansagt. Besonders in der Jugend konnten die Faschist:innen in den letzten Jahren Fuß fassen, wodurch sich eine faschistische und auch militante Jugendbewegung in einigen Teilen Deutschlands besonders entwickeln konnte. Die Propaganda der Rechten richtet sich nicht nur an Frauen, sondern teilweise besonders an junge Männer.
Einzige Alternative: Widerstand
Letztlich werden junge Frauen lange mit dem Patriarchat konfrontiert, bevor sie wissen, was das Internet ist. Es fängt an bei der Erziehung und Sozialisation im Patriarchat, wobei Mädchen von klein auf lernen, still und unterwürfig zu sein. Patriarchale Gewalt in Familien oder im nahen Umfeld sind ebenfalls keine Seltenheit und werden auch eingesetzt, wenn Frauen in ihrer Jugendzeit „rebellisch“ werden und versuchen, aus ihrem anerzogenen Rollenbild auszubrechen.
Unser Kampf gegen Unterdrückung muss also in der realen Welt stattfinden, an allen Orten, an denen wir leben, zur Schule oder Uni gehen, an denen wir arbeiten. Der Ausbruch aus dem System beginnt dort, wo wir uns politisch organisieren und unsere Klassengeschwister vom Kampf für den Sozialismus und für die Frauenrevolution, die Zerschlagung des Patriarchats, überzeugen. Denn die größte Schlagkraft gegen dieses System haben wir, wenn wir uns organisieren und unsere Kräfte dementsprechend bestmöglich einsetzen.
Fast jeden Tag ein Femizid – Warum der Staat das Problem nicht lösen wird
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 96 vom März 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.