Zeitung für Solidarität und Widerstand

Friedrich Ebert: Vaterland statt Klassenkampf

Am Freitag jährte sich der Tod Friedrich Eberts zum 100. Mal. Der ehemalige Vorsitzende der SPD steht wie kaum eine andere Persönlichkeit symbolisch für den Verrat der SPD an der Arbeiter:innenklasse. – Ein Kommentar von Matthias Goeter.

Am 28. Februar 1925 starb in Berlin der deutsche Politiker und langjährige Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Friedrich Ebert. 1871 geboren, wurde Ebert noch zu Zeiten der sogenannten Sozialistengesetze politisch groß und arbeitete anfangs in einer illegalen Gewerkschaft. Seine spätere politische Karriere hingegen steht sinnbildlich für die Hinwendung der SPD zum Reformismus, das heißt der Verbesserung von Lebensbedingungen innerhalb des Kapitalismus, und ihrer Abkehr von der sozialen Revolution.

Er wird Abgeordneter und später Vorsitzender der SPD. In diesen Zeitraum fällt der Beginn des Ersten Weltkrieges. Die SPD stimmt den Kriegskrediten zu, mit dem der Kaiser den Krieg führen kann und schließt einen Burgfriedens mit der eigenen kapitalistischen Klasse. Als Parteivorsitzender geht Ebert gegen die Kriegsgegner:innen in der eigenen Partei vor und bekennt sich offen zu „Vaterland“ und Krieg.

Als sich 1918 Kriegsmüdigkeit und eine revolutionäre Stimmung in Deutschland ausbreiten, versucht Ebert noch, diese einzudämmen. Als dies nicht mehr möglich ist, stellt er sich selbst an die Spitze der Novemberrevolution und schafft es, diese auszubremsen und in parlamentarische Bahnen zu lenken. Parallel arbeitet er gemeinsam mit der Armee und der kapitalistischen Klasse an dessen Niederschlagung. Als neu gewählter Reichspräsident setzt er den „Bluthund“ Gustav Noske ein; zusammen sind sie verantwortlich für die Aufstellung faschistischer Freikorps und die brutale Bekämpfung der Revolution im Jahr 1919, sowie weiterer revolutionärer Aufbegehren in den Jahren 1920 und 1923.

Zwar bleibt seine genaue Rolle in der Ermordung der Kommunist:innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Jahr 1919 unklar – es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass er diese mindestens wissentlich duldete.

Und heute?

Karl Marx sagte: „Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce.“ Aus der Zustimmung zu den Kriegskrediten von vor über einhundert Jahren ist im Jahr 2022 ist Scholz’ Zeitenwende geworden. Hinter der von SPD „Verteidigungsminister“ Boris Pistorius ausgerufenen „Kriegstüchtigkeit“ steckt die Vorbereitung auf neue Kriege, in denen wir wieder für die Interessen der Kapitalist:innen sterben sollen.

In Regierungsfunktion haben wir von der SPD in den letzten Jahrzehnten Hartz 4 – mittlerweile euphemistisch in „Bürgergeld“ umbenannt – immer neue Polizeigesetze, Einschränkungen des Asylrechts und milliardenschwere Steuergeschenke für die Wirtschaft bekommen, während wir unter Inflation und Preissteigerung leiden. Hieran wird sich auch nichts ändern, wenn die SPD absehbar als Juniorpartnerin mit der CDU von Friedrich Merz die neue Regierung bilden wird.

Lernen wir aus der Geschichte und setzen kein Vertrauen darin, dass die bürgerlichen Parteien tatsächlich unsere Interessen vertreten würden. Im Parlament wird der Kapitalismus lediglich verwaltet und mahlen die endlosen parlamentarischen Mühlen sämtlichen Drang nach revolutionärer Veränderung der bestehenden Verhältnisse zu Staub.

Wollen wir unsere Interessen durchsetzen, müssen wir diese in die eigenen Hände nehmen und dorthin tragen, wo sie nicht einfach so in integrative Bahnen gelenkt werden können: Unmittelbar in die gesellschaftliche Auseinandersetzung in unseren Betrieben, den Schulen, bei Streiks und auf der Straße.

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