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Greenpeace-Studie stellt Mängel im ÖPNV auf dem Land fest

Eine aktuelle Analyse von Greenpeace zeigt, dass rund 27 Prozent der deutschen Bevölkerung keinen angemessenen Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln haben. Dies betrifft fast ausschließlich ländliche Regionen. Nach wie vor besteht ein massiver Stadt-Land-Gegensatz in Sachen ÖPNV-Angebot.

Eine Studie der Nichtregierungsorganisation Greenpeace belegt den mangelhaften Ausbau von flächendeckendem Personennahverkehr in Deutschland. Für die Studie wurden, wie schon bei anderen Untersuchungen zuvor, die sogenannten ÖPNV-Güteklassen A bis F gebildet. Diese basieren auf einer ursprünglich für Untersuchungen in Österreich erstellten Methode, bei der die Nähe zur nächsten ÖPNV-Haltestelle und der Takt der dort abfahrenden Verkehrsmittel berücksichtigt werden. Zugang zu beispielsweise Zügen oder S-Bahnen führt dabei tendenziell zu einer positiveren Bewertung, als der alleinige Zugang zu Bussen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ein Fünftel der Bevölkerung in Gebieten mit den schlechtesten Güteklassen E und F lebt. Zusätzlich haben knapp sieben Prozent der Menschen faktisch gar keinen ÖPNV-Zugang, so dass für sie gar keine Güteklasse festgestellt wurde.

Stadt-Land-Gefälle im Nahverkehrsangebot

Wenig überraschend stellt die Studie ein klares Stadt-Land-Gefälle fest. In kreisfreien Großstädten (mehr als 100.000 Einwohner:innen) haben rund 78 Prozent der Einwohner:innen ein gutes bis sehr gutes ÖPNV-Angebot (Güteklassen A und B), während nur 1,3 Prozent dort mit sehr schlechtem Nahverkehr konfrontiert sind (Güteklassen E und F oder keine Einordnung).​

Der ÖPNV auf dem Abstellgleis

In dünn besiedelten Gebieten dreht sich dieses Verhältnis nahezu um. Dort haben lediglich 11 Prozent der Bevölkerung Zugang zu den Güteklassen A oder B. Über die Hälfte (52 Prozent) lebt hingegen in Bereichen mit den schlechtesten Kategorien oder ohne nennenswertes ÖPNV-Angebot.

Deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern

Aber nicht nur zwischen Stadt und Land allgemein, sondern auch zwischen den Bundesländern stellt die Studie teils erhebliche Unterschiede fest: Dass die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen am besten abschneiden, liegt nach dem gerade skizzierten Stadt-Land-Gefälle sicherlich auf der Hand.

Ansonsten stellt die Studie Zusammenhänge zwischen der Bevölkerungsdichte sowie der finanziellen Situation der Landkreise bzw. kreisfreien Städte und ihrem ÖPNV-Angebot fest. Der erste Punkt (die Bevölkerungsdichte) verweist dabei einfach darauf, dass eine flächendeckende, gute ÖPNV-Versorgung leichter herzustellen und zu finanzieren ist, wenn es eine größere Bevölkerungsdichte gibt. Die finanzielle Situation der Kommunen ist relevant, weil diese oft neben den Ticketverkäufen über Subventionen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des ÖPNV spielen.

Interessant ist jedoch, wo diese Zusammenhänge eine Rolle spielen und wo nicht. Rheinland-Pfalz (209 Einwohner:innen pro Quadratkilometer) ist beispielsweise ähnlich dünn besiedelt wie Bayern (190). Rheinland-Pfalz ist aber das Flächenland mit dem viertbesten ÖPNV-Angebot, während Bayern das zweitschlechteste bundesweit hat. In Rheinland-Pfalz leiden „nur“ 23,8 Prozent der Gesamtbevölkerung unter einem besonders schlechten ÖPNV-Angebot, während es in Bayern mit 38,5 Prozent fast zwei Fünftel der Bevölkerung sind.

Die Studie kommt auch zu dem Schluss, dass nur in städtischen Kreisen ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation der Kommune und dem ÖPNV-Angebot besteht. Gerade für die dünner besiedelten ländlichen Gebiete sei dieser Zusammenhang praktisch nicht nachweisbar. Die Studie kommt also zu dem Ergebnis, dass gerade die heute bestehenden Unterschiede zwischen verschiedenen ländlichen Regionen in puncto ÖPNV fast ausschließlich auf politische Entscheidungen zurückgehen.

Greenpeace fordert Mobilitätsgarantie

Greenpeace fordert vor diesem Hintergrund eine bundesweite Mobilitätsgarantie, die sicherstellt, dass alle Bürger:innen, unabhängig von ihrem Wohnort, Zugang zu einem angemessenen ÖPNV-Angebot haben. Dies sei nicht nur eine Frage der Daseinsvorsorge, sondern auch entscheidend für soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz. Hierunter versteht die Organisation konkret, dass auch auf dem Land alle Menschen mindestens im 30-Minuten-Takt Zugang zu Verkehrsmitteln des ÖPNV haben.

Verkehrswende? Nur sozial gerecht!

Die Studie erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem die politische Stimmung bei den Koalitionsverhandlungen den ÖPNV-Ausbau unter keinem guten Stern stehen lassen. Beispielsweise hatte das Land Berlin bereits Ende 2024 beschlossen, die Ausgaben für den ÖPNV um 100 Millionen Euro zu kürzen.

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