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Islamisierung der Bundesliga? Rote Karte für Rassist:innen!

Ein Pfiff zum Sonnenuntergang: Mit kurzen Spielunterbrechungen während der Partien im Fastenmonat Ramadan ermöglichen Schiedsrichter:innen muslimischen Spieler:innen, ihr Fasten zu brechen, etwas zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen. Diese Geste schmeckt einigen überhaupt nicht und ruft Rassist:innen auf den Plan. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

Ein Spiel dauert 90 Minuten – diese Fußballweisheit ist deutsches Kulturgut. Eigentlich rollt der Ball in einem Fußballspiel der Bundesliga jedoch deutlich weniger, nämlich durchschnittlich 51 Minuten. Normalerweise rufen die Spielunterbrechungen und Verletzungspausen keine größeren Aufschreie bei Fans und Zuschauer:innen hervor – man greift zu einem Bier, man fachsimpelt, man atmet durch. Doch manche Unterbrechungen haben im vergangenen Monat für einige Aufregung gesorgt.

Gemeint sind die Spielunterbrechungen bei Sonnenuntergang, mit denen fastenden muslimischen Spieler:innen ermöglicht wird, einen Schluck Wasser und ein Stück Obst oder einen Energieriegel zu sich zu nehmen. Schließlich – so die Überlegung der Vereine und Schiedsrichter:innen – haben diese Spieler:innen den ganzen Tag aus religiösen Gründen nicht gegessen und nicht getrunken.

Diese finden in der Bundesliga des Herrenfußballs in Deutschland seit 2022 statt, oft auf Bitten der Mannschaftskapitäne und in gemeinsamer Absprache von Vereinen und Schiedsrichter:innen. International hinkte die Bundesliga, wie so oft, sogar hinterher – in England beispielsweise gehörten die Pausen bereits länger zum Standardspektakel der Premier League. Beim Champions League Finale 2019 von Liverpool gegen Tottenham fragten sich sogar Fans auf der ganzen Welt, ob der ägyptische Starspieler der Reds, Mohammad Salah, das Spiel aller Spiele fastend beginnen würde. Salah traf in der zweiten Minute des Spiels zum 1:0, trank zum Sonnenuntergang einige Minuten später still und leise ein paar Schlucke Wasser und reckte nach dem Spiel die Champions League-Trophäe in die Höhe.

Rassisten stören sich am Iftar

Doch die Spielunterbrechung zum Iftar (das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang), diese kleine Geste der Anerkennung und Verantwortung gegenüber den Spielern, provoziert nach wie vor offenbar zahlreiche Fans: Nach dem Zweitliga-Spiel des FC Schalke gegen Hannover am 16. März, bei dem eine Ramadan-Trinkpause eingelegt wurde, fragten sich die Fans beim Kurznachrichtendienst X beispielsweise, ob demnächst auch die Tore nach Mekka ausgerichtet oder Schafe im Elfmeterraum geschächtet werden würden.

An derartige Deutschtümeleien hängten sich schnell weitere Rassist:innen an. Hier wird eine Machtfrage ausgetragen, hieß es zu den Spielunterbrechungen für muslimische Spieler:innen sodann in einer Online-Sendung des rechten Magazins NIUS. Der Islam unterwandere, so die schon länger verbreitete rassistische Erzählung, das deutsche Wertesystem. Jeder religiöse Akt, jede Anerkennung von religiöser Praxis sei deshalb eine Niederlage im Kampf der Kulturen. Der Islam habe natürlich seinen Platz – aber eben nicht in Deutschland und schon gar nicht im deutschen Fußball.

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Schnell servierten die Rechten auch andere Klassiker des antimuslimischen Rassismus: Wer nicht auf das Fasten verzichten könne, sei ohnehin zu fanatisch für die deutsche Demokratie. das Fasten schädige außerdem den Körper und sei deshalb grundsätzlich zu verbieten. Auch ein ausgestreckter Zeigefinger, das musste der Innenverteidiger Antonio Rüdiger bereits feststellen, wird dann schnell zur Terrorverherrlichung und als „Islamismus” umgedeutet.

Die rassistische Propaganda zieht

In den islamischen Ramadanregeln heißt es: Jeder neue Fastentag beginnt, wenn das Auge einen schwarzen von einem weißen Faden unterscheiden kann. Schwarz und Weiß, diese klassischen Farben eines Fußballs, die Farben der Trikots der deutschen Nationalmannschaft – es könnte doch so gut passen zwischen dem deutschen Fußball und dem Ramadan.

Doch statt Symbiose stehen die Zeichen meistens auf Unvereinbarkeit, und das nicht nur im Fußball: Knapp die Hälfte aller Menschen in Deutschland fühlen sich laut Statista durch die Anwesenheit von Muslim:innen fremd im eigenen Land. Diese weit verbreiteten Ressentiments gegen muslimische Menschen öffnen auch faschistischen Kräften Tür und Tor. Die Rassist:innen pöbeln dafür, dass alles so bleibt wie es ist.

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Gemeinsamer Kampf statt rassistische Spaltung

Gegen solche Spaltungsversuche der Rassist:innen gegen die ständige Darstellung einer angeblichen Unvereinbarkeit von Muslim:innen und Deutschen gilt es anzukämpfen. Der Islam ist für große Teile unserer Klasse ein wichtiger Bezugspunkt – und genau wie jede andere Weltreligion in sich selbst kein Hindernis dafür, gemeinsam für eine bessere Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung einzutreten.

Noch bis Sonntag fasten Muslime auf der ganzen Welt im Ramadan, danach wird das Ende des Fastenmonats traditionell mit dem Zuckerfest gefeiert. Eigentlich ein wunderbarer Anlass, um den künstlich erzeugten Shitstorm hinter uns zu lassen und uns auf das, was wirklich zählt, zu fokussieren.

Statt uns von rassistischer Bonzenpresse spalten zu lassen, sollten wir gemeinsam für unsere Interessen einstehen: Für eine Welt, in der nicht mehr Rassist:innen den Fußball überschatten, für eine Welt, in der Arbeiter:innen jeglicher Herkunft nicht mehr ausgebeutet werden, für eine Welt, in der Frieden und Freiheit in Palästina herrschen.

Mohannad Lamees
Mohannad Lamees
Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

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