Zeitung für Solidarität und Widerstand

Linkspartei auf Kriegskurs? – Für einen echten Antimilitarismus

Mit der Zustimmung der Partei Die Linke im Bundesrat zur Aufhebung der Schuldenbremse für Militärausgaben hat sich diese auf den Standpunkt der deutschen Regierung gestellt. Das zeigt umso mehr: Es braucht eine klares Verhältnis zu diesem Staat und seinen Interessen, eine sozialistische Alternative und proletarischen Internationalismus. – Ein Kommentar von Matthias Goeter.

Am 18. März beschloss der Bundestag bereits die Aufhebung der Schuldenbremse für Militärausgaben – dort noch gegen die Stimmen der Abgeordneten der Partei Die Linke. Weitere Sonderschulden für militärisch wichtige Infrastruktur und die kriselnde deutsche Wirtschaft in Höhe von 400 Milliarden Euro wurden ebenfalls verabschiedet. Am 21. März stand dann die Abstimmung im Bundesrat an, für die ebenfalls eine 2/3- Mehrheit notwendig war.

In dieser Abstimmung stimmten die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, die beide von einer rot-roten Regierung aus SPD und Linkspartei regiert werden, ebenfalls für das Gesetzespaket. In der Konsequenz stellten sie sich also hinter die vollkommen enthemmte Militarisierung und Aufrüstung – für den weiteren Kriegskurs des deutschen Staats.

Parteien im Bundesrat segnen Kriegskredite und Sondervermögen ab

Unabhängig davon, ob die Stimmen für ein Ergebnis notwendig gewesen wären oder nicht, zeigt dieses Abstimmungsverhalten, dass Die Linke nicht mehr in der Lage ist, einen konsequenten Antikriegs-Standpunkt einzunehmen. Hinzu kommen die entsprechende Begründung der beiden Landesverbände und die Nicht-Positionierung weiter Teile der Partei. Damit setzt sich eine Entwicklung fort: immer wieder fallen Teile der Friedens- und Antikriegsbewegung, zu denen die Linkspartei, vor allem in vielen Basisinitiativen und Bündnissen noch gehörte, in sich zusammen.

Brüche in der Bewegung

Schon mit Beginn der Corona-Pandemie kam es insbesondere in der Friedensbewegung zu Abspaltungen, die sich im Kreis der Corona-Leugner wiederfanden und nach rechts hin öffneten. Bekannteste Beispiele hierfür stellen die sog. freien Linken oder eine Spaltung in den Anti-Siko-Protesten seit 2023 dar.

Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges vollzog sich ein weiterer Bruch an der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine und der Bewertung des Kriegs. Viele bürgerliche Beteiligte, sowie auch Teile der politischen Widerstandsbewegung stellten sich dabei auf den Standpunkt des deutschen Staats und legitimierten die Waffenlieferungen und den Krieg zur Verteidigung der Ukraine.

Gespickt mit Parolen zur Verteidigung der europäischen Demokratien gegen den Tyrannen aus Moskau stellten sie sich damit an die Seite eines transatlantischen Machtblocks, der ein Interesse an dem Krieg hat, um Russland im globalen Konkurrenzkampf zu schwächen.

Andere Teile wiederum verklärten ihn als gerechtfertigten Widerstand gegen eben jene imperialistischen Bestrebungen in Europa und den USA und stellten sich damit auf den Standpunkt des russischen Kapitals in diesem Konflikt.

Ausschluss von Palästina-Aktivist

Zuletzt sorgte auch der Krieg und Genozid in Palästina zu weiteren Spaltungslinien, wobei insbesondere die Linkspartei eine ambivalente Rolle eingenommen hat: Einzelne Abgeordnete äußerten sich Palästina-solidarisch. Die Partei vertritt offiziell weiterhin den Standpunkt, Waffenlieferungen abzulehnen und einen sofortigen Frieden und eine zwei-Staaten-Lösung zu fordern. Gleichzeitig wird sie immer wieder von zionistischen Teilen vor sich hergetrieben.

Nicht zufällig verstummten Palästina-solidarische Akteur:innen im Wahlkampf zu diesen Thema. Dabei kam es sogar zu Ausschlüssen aus der Partei, während andere Teile der Partei aktiv an zionistischen Störaktionen beteiligt waren.

Die Linke auf Kriegskurs

Mit der nun erfolgten Zustimmung zu neuen Kriegskrediten hat auch die Linkspartei ihre Glaubwürdigkeit als Teil einer Antikriegsbewegung verloren. Noch eine Woche nach der Abstimmung bleiben gegenteilige Reaktionen in der Partei aus. Zwar kritisierte der Bundesgeschäftsführer Janis Ehling die Abstimmung im Bundesrat als „falsch und demokratiefeindlich“ – eine entsprechende Kritik an den eigenen Parteigenoss:innen blieb jedoch aus.

Die Linke rettet sich in den Bundestag – aber rettet sie auch uns?

Lediglich die Linksjugend Berlin forderte in Reaktion einen Rücktritt und Parteiaustritt, blieb damit jedoch allein.

In eine ähnliche Richtung gingen die Aussagen des Partei-Urgesteins Gregor Gysi, der zuletzt eine Rede als Alterspräsident des Bundestags halten durfte. In den Wochen zuvor hatte er bereits ein Zusammenhalten „von der CSU bis zur Linken, aber auch mit Gewerkschaften, Kirchen und Unternehmerverbänden“ gefordert. Nun verurteilte er sogar diejenigen, welche die Aufrüstungsfraktionen als Kriegstreiber bezeichnen, denn diese würden ja nur auf ihrem Weg den Frieden sichern wollen.

All das sollte jedoch nicht überraschen oder als Kehrtwende gesehen werden. 2010 erklärte Gregor Gysi dem US-Botschafer Murray bereits, dass die Forderung zur Abschaffung der NATO nur vorgeschoben sei, aber nicht Teil der Realpolitik der Linkspartei.

100 Milliarden für Soziales?

In einem am 27. März im Jacobin-Magazin erschienen Interview schafft es auch die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Heidi Reichinnek, nicht, sich klar zu positionieren.

Klare Kritik am Abstimmungsverhalten? Fehlanzeige. Klare Absage an weitere Aufrüstung? In Worten ja, allerdings dann verbunden mit einem Bekenntnis zur Notwendigkeit der Bundeswehr und der Forderung, statt neuer Panzer doch bitte lieber in die Sanierung von Kasernen zu investieren.

Hierbei relativierte Heidi Reichinnek das Abstimmungsverhalten der mitregierten Länder damit, dass diese durch vorgebliche Investitionen über 100 Milliarden Euro, die Teil des neuen Schuldenpakets sind, die Möglichkeit hätten, in Soziales zu investieren. Damit greift auch sie die Rechtfertigung der beiden Landesverbände für ihr Abstimmungsverhalten auf.

Deutschland und die Kriegspropaganda vom „letzten Sommer im Frieden“

Dass das für die Bundesländer vorgesehene Geld keineswegs im sozialen Bereich, sondern für die Infrastruktur – also ebenfalls unmittelbar mit Kriegsvorbereitungen verknüpft, oder zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft – verwendet werden soll, ignoriert sie gekonnt.

Die Partei zeigt damit zwei Dinge deutlich. Erstens: mit der „staatspolitischen Verantwortung“ in Regierungsfunktion werden jegliche politischen Grundsätze im Zweifel über Bord geworfen. Zweitens: auch sie steht in dieser Frage auf dem Standpunkt der deutschen Wirtschaft und begeht damit den gleichen Verrat an den Interessen der Arbeiter:innenklasse, wie ihn die SPD 1914 mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten beging.

Politische Grundsätze der antimilitaristischen Bewegung

Aus den Brüchen in der Friedens- und Antikriegsbewegung und dem jüngsten Verhalten der Linkspartei können wir Schlüsse für den Aufbau einer antimilitaristischen Bewegung ziehen.

In dieser Bewegung müssen wir für einen klaren Klassenstandpunkt kämpfen. Wer führt Krieg? Aus welchen Interessen? Es darf uns nicht darum gehen, am Ende des kleinere Übel zwischen Pest und Cholera zu wählen oder danach zu suchen, wer die größere moralische Rechtfertigung für seine Kriege besitzt.

Die (Stellvertreter-)Kriege zwischen verschiedenen imperialistischen Machtblöcken sind niemals im Interesse des Großteils der Bevölkerung, der arbeitenden Menschen. Sie werden an der Front verheizt und leiden unter den Sparmaßnahmen zur Finanzierung der Kriege. Die Staaten vertreten dabei die Interessen ihrer Kapitalist:innen in diesem Konkurrenzkampf.

Wollen wir eine schlagkräftige, antimilitaristische Bewegung aufbauen, brauchen wir also eine klare Abgrenzung:
Unsere Solidarität sollte stattdessen den Arbeiter:innen in anderen Ländern gelten, die dort ebenfalls unterdrückt werden, deren Lebensstandard durch die Kriegsvorbereitungen sinkt und die im Zweifel auf der anderen Seite des Stacheldrahts genauso sinnlos für die Interessen der Kapitalist:innen in den Tod geschickt werden. Mit ihnen eint uns die gleiche Ausbeutung und Unterdrückung über die Grenzen der kapitalistischen Länder hinweg, genauso wie unser Interesse daran, diese zu beenden.

Eine Ablehnung der Kriege im Interesse des imperialistischen Konkurrenzkampfes darf für uns jedoch keine blinde Ablehnung von jeglicher Gewalt als legitimes Mittel bedeuten – seien es der Widerstand in Palästina gegen Genozid und Krieg, der Kampf um Selbstbestimmung in Kurdistan oder Kämpfe überall auf der Welt im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten – sie alle benötigen umso mehr unsere Solidarität.

„Whatever it takes“ – Stoppen wir die Aufrüstung!

Unsere Aufgabe als klassenbewusste Antimilitarist:innen in Deutschland muss es also sein, die Kriegsvorbereitungen im eigenen Land zu sabotieren: die schier grenzenlose Aufrüstung, Militarisierung nach Außen und Innen, die früher oder später kommende Wehrpflicht oder ganz konkret die deutsche Rüstungsindustrie.

Damit leisten wir praktische Solidarität mit unseren Klassengeschwistern in anderen Ländern, überwinden die vermeintlichen Grenzen zwischen uns und leben einen proletarischen Internationalismus.

Neben vielen regionalen Möglichkeiten kann hierfür das jährlich stattfindende, bundesweit organisierte Camp von Rheinmetall Entwaffnen – dieses Jahr vom 25. – 31. August in Köln – ein Anlass sein.

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