Zeitung für Solidarität und Widerstand

Massenproteste gegen Korruption und Militarisierung in Indonesien

Seit Wochen sind Tausende auf den Straßen Indonesiens, um gegen die korrupte Regierung zu protestieren. Jetzt wurde ein neues Militärgesetz erlassen und viele fühlen sich in die Zeit der Diktatur zurückversetzt.

In Indonesien laufen seit Februar massive Proteste gegen die Regierung von Prabowo Subianto. In Anlehnung an das Motto des Präsidenten „Indonesia Emas“ (Goldenes Indonesien) versammeln sich viele Tausende unter dem viralen Hashtag #IndonesiaGelap (Dunkles Indonesien) auf den Straßen, um gegen verschiedene Maßnahmen der Regierung zu protestieren.

Initiiert und angeführt werden die Proteste von Student:innen Indonesiens. Mitte März sind die Proteste von neuem aufgeflammt, nachdem die Regierung ein Gesetz angekündigt hat, dass dem Militär mehr Posten in der Regierung eröffnen soll. Mittlerweile wurde das Gesetz verabschiedet und die Proteste haben ein neues Niveau erreicht.

#IndonesiaGelap: Gegen Korruption und Kürzungen

Die aktuellen Proteste lassen sich in zwei Phasen einteilen: die erste Phase, unter dem #IndonesiaGelap und die zweite, aktuelle unter #TolakRUUTNI (deutsch: den TNI-Gesetzesentwurf ablehnen – TNI ist die Abkürzung für die indonesische Armee). Während es aktuell vor allem um die Reform des Militärgesetzes geht, richteten sich die Proteste anfänglich generell gegen den Kurs der indonesischen Regierung.

Der Vorstand aller indonesischen Studenten (BEM SI), die zu den Hauptorganisator:innen der Proteste zählen, stellten fünf Forderungen auf:

1. Das erste Dekret des Präsidenten aus dem Jahr 2025 soll zurückgenommen werden. – Bei dem Dekret handelt es sich um den Plan, die Staatsausgaben massiv zu kürzen.

2. Es soll Transparenz über den Status, die Entwicklung und den Erfolg des Ernährungsprogrammes hergestellt werden. – Das Programm wird von vielen Protestierenden aufgrund von Korruptionsvorwürfen kritisiert.

3. Das „Dwifungsi“ und das Bergbaugesetz sollen nicht wieder eingeführt werden. – Das „Dwifungsi“-Gesetz erweitert die Macht des Militärs, während das Bergbaugesetz Unternehmen, Universitäten und religiösen Gruppen den Zugang zum Abbau von Rohstoffen massiv vereinfachen soll.

4. Der ehemalige Präsident Joko Widodo soll verhaftet und vor Gericht gebracht werden.

5. Das Gesetz zur Beschlagnahmung von Vermögenswerten soll ratifiziert werden.

In der ersten Phase der Proteste wurde aus dem Aufruf der Studenten und #IndonesiaGelap schnell eine landesweite Bewegung. Binnen weniger Stunden war #IndonesiaGelap der Top-Hashtag auf X, und am 17. Februar startete die Protestwelle mit der ersten Demonstration in Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens.

Militante Protestkultur

Schnell hat sich eine eigene Kultur um die Proteste entwickelt: „Bayar, Bayar, Bayar“, ein Song der indonesischen Punkband Sukatani, ist zur Hymne der Bewegung geworden. In dem Lied geht es um Korruption, die vor allem innerhalb der indonesischen Sicherheitsbehörden ein großes Problem ist: „Korrupt sein? Bezahl die Polizei! Zwangsräumen? Bezahl die Polizei? Wälder abholzen? Bezahl die Polizei!“ Auch die Internationale ist auf den Protesten oft zu hören.

Aber auch Militanz gehört zu dieser Protestkultur: Von Anfang an gab es immer wieder kleinere Rangeleien mit der Polizei und Sicherheitsbediensteten, auch weil die Protestierenden immer wieder versuchten, offizielle Orte zu besetzen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Immer wieder wurde auch über brennende Reifen auf den Protesten berichtet.

Größere Angriffe auf die Demonstrationen blieben aus. Dafür richtet sich die Repression des Staate vor allem gegen Journalist:innen und Kulturschaffende. In mehreren Fällen und aus vielen Städten gibt es Berichte darüber, wie uniformierte Beamte und vermehrt auch mutmaßliche Mitarbeiter der Geheimpolizei und Geheimdienste kritisch berichtende Journalist:innen auf den Protesten, auf ihren Arbeitsstellen und zu Hause aufsuchen, bedrohen, ihre Namen und Adressen veröffentlichen.

Massenproteste in Indonesien verhindern Wahlrechtsänderung

 

#TolakRUUTNI: Indonesien auf dem Weg zur Militärdiktatur?

Mit der Einführung des neuen Militärgesetzes, das Militärbeamten Sitze im Parlament und der Regierung zusichert und so ihre Machtfülle ausweitet, haben die Proteste einen neuen Aufschwung erlebt: Neben studentischen Organisationen rufen jetzt auch Frauenverbände und andere Organisationen zu den Protesten auf.

Viele fühlen sich erinnert an die Zeit der „Neuen Ordnung“ unter der faschistischen Militärdiktatur von Haji Mohamed Suharto, die von 1966 bis 1998 andauerte. Eine Zeit, die geprägt war von faschistischem Terror im Innern, aber auch von der Besetzung Ost-Timors, an dessen Bevölkerung die indonesischen Besatzer einen blutigen Genozid verübten.

Vorausgegangen war der Herrschaft Suhartos eines der brutalsten Verbrechen der Geschichte, das sich vor allem gegen die kommunistische Partei Indonesien richtete. Zwischen 1965 und 1966, in nur einem Jahr, wurden Millionen Kommunist:innen, Gewerkschaftler:innen, Atheist:innen, weitere Linke und ethnische Minderheiten abgeschlachtet, misshandelt, gefoltert oder für Jahrzehnte weggesperrt.

Es war eine Zeit, aus der auch das Dwifungsi-Gesetz stammt, mit dem Suharto die Macht des Militärs im Staat formell konsolidiert hat. Das Gesetz ermöglichte, ähnlich wie das jetzt neu eingeführte, dem Militär feste Sitze und eine große Machtfülle im Parlament und der Regierung.

Angesichts dessen sind auch die jetzigen Proteste militanter geworden. Landesweit rufen studentische Organisationen dazu auf, mit Schutzausrüstung zu den Protesten zu kommen. Aus mehreren Städten gibt es Berichte über Steine, Flaschen, Feuerwerkskörper und auch Molotow-Cocktails, die gegen die Polizei und die Armee eingesetzt werden. Und auch die Repression nimmt zu: Neben zahlreichen verletzten und festgenommenen Journalist:innen und anderen Demonstrant:innen gibt es Videos, auf denen zu sehen ist, wie Polizei und Armee versuchen, die Proteste brutal zu zerschlagen.

Internationale Protestwelle

Die Proteste in Indonesien sollten allerdings nicht als alleinstehendes Ereignis gesehen werden. Zum einen gab es in Indonesien schon im letzten Jahr militante Massenproteste wegen einer Änderung des Wahlgesetzes, die viele mit Vetternwirtschaft in Verbindung brachten. Doch auch darüber hinaus muss man die Aufstände im Kontext der Protestwellen sehen, die durch große Teile des Globus ziehen:

Massenproteste in der Türkei – wie geht’s weiter?

Egal, ob es die Proteste gegen eine korrupte Regierung in Serbien, das faschistische Regime in der Türkei oder die Rentner:innenaufstände in Argentinien sind – überall auf der Welt erkennt die Arbeiter:innenklasse, dass sie selbst für ihre eigenen Interessen einstehen muss, statt auf ihre Politiker:innen zu vertrauen. Auch die Formen des Protests, nämlich der militante Kampf gegen Staat, Polizei und Militär, zeigen, wie deutlich Arbeiter:innen auf Krieg und Krise antworten.

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!