In Österreich haben sich ÖVP, SPÖ und Neos auf eine Koalition geeinigt. Nur ein Zwischenspiel bis zur Machtübernahme durch den faschistischen Volkskanzlers in der Alpenrepublik? – Ein Kommentar von Mark Marat.
Fünf Monate nach der Wahl zum Nationalrat der Republik Österreich haben sich die konservative ÖVP, die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos auf die Bildung einer Regierung verständigen können. Gestern legten sie ihr Regierungsprogramm „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“ vor. Bei der Pressekonferenz der Obleute wurden die Österreicher:innen auf „harte Jahre“ eingestimmt.
Im zweiten Anlauf konnten sich die Obleute Christian Stocker (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) darauf einigen, eine Koalition einzugehen. Vorbehaltlich der Zustimmung der Basis der Neos am Sonntag kann am Montag die neue Bundesregierung unter Kanzler Christian Stocker in der Hofburg von Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen (parteilos) eingeweiht werden.
Das Scheitern von FPÖ und ÖVP
Lange hatten sich die faschistische FPÖ, die mit annähernd 29 Prozent als stärkste Kraft aus der Nationalratswahl hervorging, und die rechts-konservative ÖVP, die Platz zwei belegte, um eine Koalition bemüht. Auf inhaltlicher Ebene waren sich die beiden Parteien bereits einig. Letzten Endes führte ein Streit über die Vergaben der Kabinettsposten zum Scheitern der Verhandlungen.
Die FPÖ forderte das Innenministerium sowie das Finanzministerium – die zentralen Schaltstellen für die innere Sicherheit und die Staatsfinanzen – für sich. Zu diesem Zugeständnis war die ÖVP nicht bereit. Der Obmann der FPÖ, Herbert Kickl, forderte hiernach Neuwahlen. Die FPÖ hatte zu der Zeit Umfragewerte, die mit 34 Prozent noch über den Ergebnissen der vorherigen Nationalratswahl lagen.
Die faschistischen deutschen Podcaster von „Von rechts gelesen“ sehen in Kickl einen konsequenten Faschisten, der sich anders als beispielsweise die AfD in Deutschland nicht den Konservativen anbiedere, sondern Haltung bewahre. Diese Linie scheint ihm tatsächlich auch innerhalb Österreichs viel Zustimmung eingebracht zu haben. Die AfD, so die faschistischen Ideologen, müsse aufpassen, nicht selbst zur „Altpartei“ zu werden.
Das Regierungsprogramm: Die FPÖ macht die Hetze und die Koalition die Gesetze
Wenn das Regierungsprogramm einer genaueren Betrachtung unterzogen wird, ist klar, dass einige Teile in der Form direkt von der FPÖ stammen könnten. Im migrationspolitischen Teil scheint es fast so, als hätte sich Viktor Orbán als Ghostwriter betätigt. Da wird das Ziel ausgegeben, die Zahl der Asylanträge auf Null zu reduzieren.
Sollte das nicht klappen, dann wird die Notfallklausel nach Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ins Feld geführt. Hiermit soll ein vollständiger Asylstopp erreicht werden. Der Familiennachzug soll mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden. Für Personen mit einem Schutzstatus soll de facto eine Wartefrist von drei Jahren eingeführt werden, bis sie die vollen Sozialleistungen erhalten.
Es sollen Rückkehrverfahrenszentren geschaffen werden, in denen ausreisepflichtige Personen interniert und ihrer Bewegungsfreiheit beraubt werden. Die Kapazitäten für Abschiebehafteinrichtungen sollen erhöht werden.
Aber auch in anderen Bereichen sieht es nicht besonders rosig aus: Die Altersgrenze für Renten soll erhöht werden. Die Regelungsdichte im Arbeitsrecht soll reduziert werde. All dies läuft in der Konsequenz darauf hinaus, die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu beschneiden.
Die Sparmaßnahmen
Die Budgetkonsolidierung, die die Parteien vereinbart haben, stimmt mehr oder weniger eins zu eins mit dem überein, was ÖVP und FPÖ in ihren Verhandlungen fixiert hatten. Im laufenden Jahr sollen 6,3 Milliarden Euro eingespart werden. Und im kommenden Jahr sogar 8,7 Milliarden Euro. Trotzdem visiert das eigentlich bündnisneutrale Land die langfristige Anhebung der Militärausgaben auf 2 Prozent des BIP an. Die NATO grüßt aus der Ferne.
Widerstand soll präventiv verhindert werden
Und sollte sich aus diesen arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen ein gesellschaftlicher Protest entwickeln, wurde dafür bereits Vorsorge im Regierungsprogramm getroffen. Es enthält nämlich ein umfangreiches Maßnahmenpaket gegen den „Extremismus“. Explizit nur gegen islamischen und rechten, aber tatsächlich sind damit natürlich auch alle fortschrittlichen politischen Kräfte gemeint.
Das Paket umfasst unter anderem folgenden Maßnahmen: Es soll eine Liste extremistischer Organisationen erstellt und veröffentlicht werden; ein bundesländerübergreifender Datenverbunde von Polizei und Verfassungsschutz geschaffen werden; und es sollen freiheitsbeschränkende Maßnahmen für Gefährder:innen erfolgen sowie eine Gefährderüberwachung eingeführt werden. Im Strafrecht schließlich soll eine Ausweitung und Verschärfung der Tatbestände im Extremismusbereich vorgenommen werden.
Den Faschismus verhindern, nicht aufschieben!
Bis zum Ende der Legislaturperiode kann die FPÖ weiter hetzen und sich als die angeblich einzige wahre Oppositionspartei aufspielen. Bei den nächsten Wahlen legt sie dann möglicherweise noch mal zu. Dann wird die Stunde kommen, in welcher der Volkskanzler am Ballhausplatz Quartier nimmt. Dann werden die Faschist:innen nicht nur drohend am Horizont stehen, sondern erneut die Macht in der Alpenrepublik übernehmen.
Diese Gefahr kann nicht durch eine Koalition bürgerlicher Parteien gebannt werden. Sie kann nur dadurch erfolgen, dass die Bedingungen beseitigt werden, die den Faschismus immer wieder gesetzmäßig hervorbringen werden. Das Wahllokal ist dafür nicht der richtige Ort. Es sind die Straße und die Barrikaden.
Der Aufstieg des Faschismus kann nur revolutionär gestoppt werden!