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Politische Verfolgung von kurdischen Aktivist:innen in Deutschland geht weiter

In deutschen Gefängnissen befinden sich so viele politische Gefangene wie seit Jahrzehnten nicht mehr – das betrifft auch und vor allem Aktivist:innen aus Kurdistan oder der Türkei. Zur Verfolgung nutzt der Staat dabei vor allem den „Anti-Terror-Paragrafen“ §129. Mittlerweile sind aus diesem Grund 16 Kurd:innen in deutschen Gefängnissen inhaftiert.

Nicht nur in der Türkei sind die Gefängniszellen mit prokurdischen Aktivist:innen und Revolutionär:innen gefüllt – auch hier in Deutschland bleibt die Verfolgung auf einem hohen Niveau. Dabei beschränkte sich die für die §129b-Verfahren zuständige Bundesanwaltschaft bei der Strafverfolgung nicht nur auf Personen, die sich in Deutschland aufhalten.

Die meisten der neuen Anklagen und Verurteilungen im letzten Jahr erfolgten gegen Personen, die zuvor auf der Grundlage des europäischen Haftbefehls nach Deutschland ausgeliefert worden waren. Im September letzten Jahres wurde etwa der aus Zypern ausgelieferte Aktivist Kenan Ayaz nach einem bedenklichen Prozess vom OLG Hamburg zu 4 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Fall Kenan Ayas und die kollektive Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung

Fragwürdige Prozesse, fragwürdige Vorwürfe

Allen Angeklagten werden keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern es werden legale politische Tätigkeiten kriminalisiert – wie z.B. das Organisieren von Veranstaltungen und Demonstrationen. Die Strafbarkeit dieser Tätigkeiten sieht die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe allein dadurch gegeben, dass die Personen angeblich in PKK-Strukturen eingebunden seien. Belegt wird dies in den Prozessen im Wesentlichen durch oft monatelang durchgeführte Telefonüberwachungen und Observationen.

Dass Anklagen und Inhaftierungen nach dem §129a/b politisch motiviert sind, zeigt eine Besonderheit dieses Paragrafen: Ermittlungen dürfen erst geführt werden, wenn eine entsprechende Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium vorliegt. Im letzten Jahr gab es hier den Trend seitens der Staatsanwaltschaften, die Schwelle für solche Verfolgungsermächtigungen zu senken. Auch sogenannte „Frontarbeit für die PKK“ wird nun immer häufiger nach §129b verfolgt. Darunter fallen auch normale politische Aktivitäten auf örtlicher Vereinsebene. Ziel dieser Verfolgungsausweitung ist eine weitere Verunsicherung der kurdischen Community in Deutschland.

Warum es den Tag der politischen Gefangenen braucht

Hier in Deutschland treten Menschen immer wieder für die demokratischen Rechte der Kurd:innen ein. Der AZADΠRechtshilfefonds schlägt für eine Konfliktlösung mehrere Schritte vor: Als erstes die Aufhebung des seit 1993 bestehenden PKK-Verbots, die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste, die Beendigung der Kriminalisierung der politischen Aktivitäten von Einzelpersonen und kurdischen Einrichtungen hier in Deutschland sowie eine Amnestie der in Deutschland nach §129b angeklagten und verurteilten politischen Aktivist:innen.

Was können solidarische Menschen für die politischen Gefangenen in Deutschland tun?

Zum einen können Briefe an die politischen Gefangenen in deutschen Gefängnissen geschrieben werden. Hier folgt eine kleine Auswahl von Adressen von kurdischen Gefangenen, die Briefe in deutscher Sprache empfangen können:

Ali ENGIZEK, Oberhausener Str. 30, 40472 Ratingen

Haydar DEMIRAY, Bielefelder Str. 78, 32756 Detmold

Mehmet KARCA, JVA Moabit, Alt-Moabit 12a, 10559 Berlin

Tahir KÖCER, Stadelheimer Str. 12, 81549 München

Weitere Adressen sind auf der Webseite der Roten Hilfe zu finden. Darüber hinaus sind natürlich Spendenbeiträge ein hilfreiches Mittel, um politische Solidarität zu zeigen und den Haftalltag erträglicher zu machen. Beispielsweise unterstützt der AZADÎ Rechtshilfefonds (GLS-Bank Bochum, BIC: GENODEM1GLS, IBAN: DE80 4306 0967 8035 7826 00) die kurdischen Gefangenen in Deutschland auch finanziell.

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